Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.534/2006
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{T 0/2}
2A.534/2006 /leb

Urteil vom 19. Oktober 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiberin Dubs.

A. X.________,
B.X.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Luzius Schmid,

gegen

Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement Graubünden, Hofgraben 5, 7001 Chur,
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden,
3. Kammer, Obere Plessurstrasse 1, 7001 Chur.

Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden,

3. Kammer, vom 12. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
A. X________, mazedonische Staatsangehörige, reiste, nachdem sie in ihrem
Heimatland am 16. Januar 2003 einen in der Schweiz eingebürgerten Landsmann
geheiratet hatte, am 9. August 2003 in die Schweiz ein. Gestützt auf die
Heirat wurde ihr eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib beim Ehemann
erteilt.
Mit Entscheid vom 18. November 2004 wurden die Eheleute X.________ durch das
Amtsgericht Gostivar (Mazedonien) geschieden. Nach Appellation und
Rückweisung der Sache hat das Amtsgericht Gostivar am 23 März 2005 die
Scheidung bestätigt und die Nebenfolgen geregelt.

B.
Mit Verfügung vom 8. Februar 2005 widerrief die Fremdenpolizei des Kantons
Graubünden die Aufenthaltsbewilligung von A.X.________ mit der Begründung,
dass die Ehe geschieden worden und der damalige Zulassungsgrund dahingefallen
sei.

A. X.________ erhob dagegen Beschwerde beim kantonalen Justiz-, Polizei- und
Sanitätsdepartement. Sie machte geltend, die Scheidung sei noch nicht
rechtskräftig, und berief sich auf die Beziehung zum gemeinsamen, am **. **
2005 geborenen Sohn, der das Schweizer Bürgerrecht besitzt. Das Justiz-,
Polizei- und Sanitätsdepartement wies die Beschwerde mit Verfügung vom 4./11.
Januar 2006 ab. Dagegen beschwerte sich A.X.________ erfolglos beim
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 13. September 2006 beantragen
A.X.________ (Beschwerdeführerin 1) und ihr Sohn B.X.________, das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 12. Mai 2006 (mitgeteilt am
14. Juli 2006) aufzuheben und A.X.________ die Aufenthaltsbewilligung zu
erteilen. Zudem ersuchen sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
und Verbeiständung sowohl für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Graubünden als auch für das bundesgerichtliche Verfahren und stellen das
Begehren, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Das Bundesgericht hat darauf verzichtet, die Akten des Verwaltungsgerichts
beizuziehen und Vernehmlassungen einzuholen.

D.
Mit Präsidialverfügung vom 19. September 2006 wurde der Beschwerde vorläufig
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nachdem die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin 1 abgelaufen
ist, stellt sich im vorliegenden Verfahren nur noch die Frage, ob deren
Verlängerung zu Recht verweigert wurde. Nach Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3
OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei
ausgeschlossen gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf
die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt (BGE 130 II 281 E. 2.1 S. 284;
128 II 145 E. 1.1.1 S. 148 mit Hinweisen).
Entgegen der Vorbringen in der Beschwerdeschrift war im Übrigen von einer
Ausweisung (Art. 10 ANAG) nie die Rede, weshalb auf die entsprechenden
Ausführungen nicht einzugehen ist.

1.2 Für die Eintretensfrage, d.h. für das Vorliegen eines Anspruches im Sinne
von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG, stellt das Bundesgericht grundsätzlich
auf die im Zeitpunkt seines Entscheides bestehende Rechts- und Sachlage ab
(BGE 128 II 145 E. 1.1.3 S. 149; 127 II 60 E. 1b S. 63 mit Hinweisen). Gemäss
eigener Angabe in der Beschwerdeschrift wurde die Ehe der Beschwerdeführerin
1 mit einem Schweizer Bürger am 23. März 2005 rechtskräftig geschieden. Ein
Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung nach Art. 7 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer (ANAG; SR 142.20) kann insoweit im jetzigen Zeitpunkt nicht mehr
geltend gemacht werden. Nachdem die Ehe weniger als fünf Jahre gedauert hat,
erwarb die Beschwerdeführerin vor der Scheidung auch keinen Anspruch auf die
Niederlassungsbewilligung, was das weniger weit gehende Recht auf eine
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung in sich schlösse (BGE 128 II 145 E.
1.1.4 S. 149).

Eine Gesetzesbestimmung, die einem Elternteil Anspruch auf Anwesenheit bei
seinem in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Kind vermitteln würde, kennt
das schweizerische nationale Recht nicht, dies im Unterschied zum umgekehrten
Fall, wo unter Umständen ein gesetzlicher Anspruch bestehen kann (vgl. Art.
17 Abs. 2 ANAG). Hingegen garantiert Art. 8 Ziff. 1 EMRK den Schutz des
Familienlebens. Darauf kann sich der Ausländer berufen, der nahe Verwandte
mit einem gefestigten Anwesenheitsrecht in der Schweiz hat. Vorausgesetzt
wird im Übrigen, dass eine tatsächlich gelebte und intakte familiäre
Beziehung besteht. Wird dem Ausländer selber die Anwesenheit in der Schweiz
untersagt, kann dies Art. 8 EMRK verletzen.

Da die familiäre Beziehung zwischen der sorgeberechtigten Beschwerdeführerin
1 und ihrem schweizerischen Sohn unbestrittenermassen intakt ist und
tatsächlich gelebt wird, kann ein Rechtsanspruch auf eine ausländerrechtliche
Bewilligung gestützt auf Art. 8 EMRK in Frage stehen. Das Rechtsmittel der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erscheint somit als zulässig. Die Frage der
Beschwerdeberechtigung des minderjährigen Kindes, das im kantonalen Verfahren
nicht Parteistellung hatte, aber ohnehin von seiner Mutter vertreten wird,
kann vorliegend dahingestellt bleiben.

1.3 Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, so
ist deren Sachverhaltsfeststellung für das Bundesgericht verbindlich, sofern
diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensgarantien erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG). Damit ist
die Möglichkeit, vor Bundesgericht neue Tatsachen vorzubringen und
Beweismittel einzureichen, weitgehend eingeschränkt. Das Bundesgericht lässt
nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zu, welche die Vorinstanz von
Amtes wegen hätte berücksichtigen müssen und deren Nichtbeachtung eine
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 128 II 145 E.
1.2.1 S. 150 mit Hinweisen). Die nach der Ausfällung des angefochtenen
Urteils erstellten Beschwerdebeilagen sind daher unbeachtlich. Sie wären
ohnehin nicht geeignet, am Ausgang des Verfahrens etwas zu ändern.

2.
2.1 Nach der Rechtsprechung garantiert die Europäische
Menschenrechtskonvention kein Recht auf Aufenthalt in einem Konventionsstaat.
Das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens kann
nur angerufen werden, wenn eine staatliche Entfernungs- oder
Fernhaltemassnahme zur Trennung von Familienmitgliedern führt. Ein
staatlicher Eingriff in das Recht auf Familienleben liegt indessen nicht vor,
wenn es den Familienangehörigen zumutbar ist, ihr Familienleben im Ausland zu
führen. Ist es dem in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Familienmitglied
in diesem Sinne zumutbar, mit dem Ausländer, dem eine fremdenpolizeiliche
Bewilligung verweigert worden ist, auszureisen, ist Art. 8 EMRK somit von
vornherein nicht verletzt (BGE 122 II 289 E. 3b S. 297). Unter diesen
Voraussetzungen kann die Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK
unterbleiben (Urteil 2A.508/2005 vom 16. September 2005 E. 2.2.1).
2.2 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass einem Kind zugemutet werden
kann, seinen Eltern bzw. dem für ihn sorgenden Elternteil ins Ausland zu
folgen, wenn es sich noch in einem anpassungsfähigen Alter befindet. Bei
einem Kleinkind ist dies regelmässig der Fall. Auch die schweizerische
Staatsangehörigkeit schliesst die Zumutbarkeit einer Ausreise ins Ausland
nicht aus (BGE 122 II 289 E. 3c S. 298 mit Hinweis). Dies gilt erst recht,
wenn das Kind noch keine zwei Jahre alt ist und abgesehen vom Bürgerrecht
keine weiteren Beziehungen zur Schweiz aufweist, wie das im vorliegenden Fall
zutrifft. Das Verhältnis zum gesetzlichen Vater ist vorliegend unter dem
Gesichtspunkt von Art. 8 EMRK ohne Belang, da zwischen Vater und Kind
unbestrittenermassen keine persönliche Beziehung besteht (vgl. BGE 122 II 289
E. 3c S. 298).

Die Beschwerdeführerin 1 stammt aus Mazedonien und hält sich erst seit
dreieinhalb Jahren in der Schweiz auf. Es ist ihr ohne weiteres zuzumuten, in
ihr Heimatland zurückzukehren. Auch für ein Kleinkind schweizerischer
Nationalität erscheint nicht ausgeschlossen, dort in angemessenen
Verhältnissen aufwachsen zu können. Demnach ist nicht erstellt, dass die
familiäre Beziehung zwischen den Beschwerdeführern nur in der Schweiz gelebt
werden kann. Die Verweigerung einer Anwesenheitsbewilligung für die Mutter
führt daher nicht zur Trennung der Beschwerdeführer. Art. 8 EMRK ist somit
von vornherein nicht verletzt. Aus dem Urteil BGE 120 Ib 1 können die
Beschwerdeführer nichts zu ihren Gunsten ableiten; in jenem Fall hätte die
Bewilligungsverweigerung zur Trennung von Vater und Tochter, zwischen denen
eine enge familiäre Beziehung bestand, geführt.

2.3 Dass die Vorinstanz die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
verweigert hat, weil ihr die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen, ist
unter diesen Umständen nicht zu beanstanden.

3.
3.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich demnach als offensichtlich
unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann.

3.2 Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das
bundesgerichtliche Verfahren kann wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren
nicht entsprochen werden (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG). Die Beschwerdeführer
werden somit kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 OG),
wobei die Beschwerdeführerin 1 auch für den Kostenanteil ihres minderjährigen
Kindes aufzukommen hat. Der finanziellen Lage der Beschwerdeführer wird bei
der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung getragen (Art. 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 300.-- wird der Beschwerdeführerin A.X.________
auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Justiz-, Polizei- und
Sanitätsdepartement Graubünden und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden, 3. Kammer, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 19. Oktober 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: