Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.46/2006
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2A.46/2006 /vje

Urteil vom 11. April 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Müller,
Gerichtsschreiber Feller.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Sicherheitsdepartement (SiD) des Kantons
Basel-Stadt, Bereich Recht, Spiegelgasse 6-12,
4001 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht,
Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

Widerruf der Aufenthaltsbewilligung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 3. Oktober 2005.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
X. ________, geb. 1968, Staatsangehöriger der Dominikanischen Republik,
reiste im März 1995 in die Schweiz ein und heiratete am 28. Juli 1995 eine in
der Schweiz geborene und niedergelassene deutsche Staatsangehörige, mit
welcher zusammen er die im Jahre 1995 geborene Tochter Y.________ hat. Die
eheliche Gemeinschaft wurde im August 1997 aufgelöst und die Ehe am 14.
November 2000 geschieden. Das Sorgerecht über die Tochter steht der Mutter
zu.

Am 22. Oktober 1999 erkannte das Strafgericht Basel-Stadt X.________ der
versuchten vorsätzlichen Tötung, begangen am 11. Mai 1998, schuldig und
verurteilte ihn zu einer Zuchthausstrafe von 2 ½ Jahren; das
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte das Strafurteil am 13.
Dezember 2000.

Gestützt auf diese Verurteilung lehnten die Einwohnerdienste des Kantons
Basel-Stadt mit Verfügung vom 11. Dezember 2001 die Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung von X.________ ab und wiesen ihn aus der Schweiz aus,
verbunden mit der Aufforderung, das Land nach Beendigung des Strafvollzugs
sofort zu verlassen. Das Polizei- und Militärdepartement des Kantons
Basel-Stadt wies den gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs am 8. Juli 2002
ab. Während der Hängigkeit des gegen diesen Rekursentscheid erhobenen
Rekurses wurde X.________ die Aufenthaltsbewilligung am 3. September 2002
irrtümlicherweise bis zum 27. Juli 2003 verlängert. Gestützt auf diese
Verfügung ersuchte dessen Rechtsvertreter um Abschreibung des
Rekursverfahrens; die Abschreibungsverfügung erfolgte am 22. Januar 2003.

Mit Verfügung vom 9. Dezember 2002 widerriefen die Einwohnerdienste die
Verlängerungsverfügung vom 3. September 2002. Gegen diese Verfügung wurde
wiederum Rekurs an das Polizei- und Militärdepartement erhoben, welches das
Rechtsmittel mit Entscheid vom 15. November 2004 abwies und X.________ auf
unbefristete Zeit aus der Schweiz auswies. Ein an den Regierungsrat des
Kantons Basel-Stadt gerichteter und zur Behandlung an das Appellationsgericht
des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht übermittelter Rekurs blieb
erfolglos (Urteil des Appellationsgerichts vom 3. Oktober 2005).

X. ________ hat am 19. Januar 2006 beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben mit dem sinngemässen Antrag, das Urteil
des Appellationsgerichts sei aufzuheben. Das Appellationsgericht und das
Sicherheitsdepartement (vormals Polizei- und Militärdepartement) des Kantons
Basel-Stadt sowie das Bun-desamt für Migration beantragen Abweisung der
Beschwerde.

Mit Verfügung vom 17. Februar 2006 ist der Beschwerde aufschie-bende Wirkung
zuerkannt worden.

2.
Ein erstes Rechtsmittelverfahren betreffend Ausweisung ist mit Ab-
schreibungsverfügung vom 22. Januar 2003 abgeschlossen worden. Ausgangspunkt
des angefochtenen Urteils ist die Verfügung der Einwohnerdienste vom 9.
Dezember 2002, womit diese ihre Verfügung vom 3. September 2002 über die
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung widerrufen haben; eine Ausweisung
ordneten sie nicht neu an. In seinem diesbezüglichen Rekursentscheid
bestätigte das Polizei- und Militärdepartement einerseits den
Bewilligungswiderruf und hielt andererseits fest, der Beschwerdeführer werde
aus der Schweiz aus-gewiesen. Unter diesen Umständen, insbesondere aber
angesichts des Umstands, dass die ursprüngliche Ausweisungsverfügung der
Einwohnerdienste vom 11. Dezember 2001 durch keinen der bisher ergangenen
Rechtsmittelentscheide aufgehoben worden ist, ist im vorliegenden Verfahren
über die Rechtmässigkeit der Ausweisung zu be-finden. Da die widerrufene
Bewilligung am 27. Juli 2003 ohnehin durch Zeitablauf erloschen wäre, besteht
an der Überprüfung des Widerrufs dagegen kein separates Rechtsschutzinteresse
mehr.

3.
3.1 Gemäss Art. 10 Abs. 1 ANAG kann der Ausländer aus der Schweiz unter
anderem dann ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder
Vergehens gerichtlich bestraft wurde (lit. a) oder wenn sein Verhalten im
Allgemeinen und seine Handlungen darauf schliessen lassen, dass er nicht
gewillt oder nicht fähig ist, sich in die im Gastland geltende Ordnung
einzufügen (lit. b). Die Ausweisung soll nach Art. 11 Abs. 3 ANAG nur verfügt
werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint. Für die
Beurteilung der Angemessenheit, d.h. der Verhältnismässigkeit (vgl. BGE 125
II 521 E. 2a S. 523) der Ausweisung erklärt Art. 16 Abs. 3 der
Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum ANAG (ANAV; SR 142.201)
namentlich als wichtig die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer
seiner Anwesenheit in der Schweiz sowie die ihm und seiner Familie drohenden
Nachteile. Da bei der vorzunehmenden Interessen-abwägung die persönlichen und
familiären Verhältnisse zu berücksichtigen sind, hält eine im Sinne von Art.
11 Abs. 3 ANAG verhältnismässige Ausweisung grundsätzlich auch vor Art. 8
EMRK (Schutz des Privat- und Familienlebens) stand.

3.2 Der Beschwerdeführer ist wegen eines Verbrechens zu einer Zuchthausstrafe
verurteilt worden und hat damit den Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit.
a ANAG gesetzt. Ausgangspunkt für die ausländerrechtliche Interessenabwägung
gemäss Art. 11 Abs. 3 ANAG ist das Verschulden des Ausländers, welches vorab
im Strafmass seinen Ausdruck findet (BGE 129 II 215 E. 3.1 S. 216). Bereits
der Strafrichter berücksichtigt im Hinblick auf die Strafzumessung auch
schuldherabsetzende Umstände, sodass im Ausweisungsverfahren auf die
Würdigung des Verschuldens im Strafurteil abzustellen ist (Urteil 2A.353/
2004 vom 28. Juni 2004 E. 2.2).
3.2.1 Der Beschwerdeführer wurde wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zu 2 ½
Jahren Zuchthaus verurteilt. Er hatte einem langjährigen Bekannten eine tiefe
Stichverletzung in der Bauchgegend zugefügt, wobei er dessen Tod in Kauf
nahm; das Opfer konnte denn auch nur in extremis gerettet werden. Es handelt
sich bei dieser Tat nach ihrer Natur um ein Gewaltdelikt; bei derart schweren
Straftaten besteht grundsätzlich ein wesentliches öffentliches Interesse an
einer Ausweisung (BGE 122 II 433 E. 2c S. 436). Der Strafrichter wertete das
Verhalten des Beschwerdeführers als hinterhältig; es muss von einem schweren
Verschulden ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hebt hervor, dass es
sich um eine einmalige, längere Zeit zurückliegende Tat gehandelt habe; er
will damit geltend machen, es bestehe keine Rückfallgefahr. Abgesehen davon,
dass weder diesem Aspekt noch dem Resozialisierungsgedanken beim Entscheid
über die ausländerrechtliche Ausweisung (zumindest eines nur wenige Jahre in
der Schweiz weilenden Ausländers) die gleiche Bedeutung zukommt wie etwa beim
Entscheid über die strafrechtliche Landesverweisung oder über die bedingte
Entlassung aus dem Strafvollzug (BGE 129 II 215 E. 3.2 S. 216 f.; 122 II 433
E. 2b S. 435 f.; 114 Ib 1 E. 3a S. 4), hat das Appellationsgericht zutreffend
Zweifel daran geäussert, dass es sich bei der Straftat um eine
persönlichkeitsinadäquate Handlung des Beschwerdeführers handelte; dagegen
sprechen die Umstände, die zu einem Strafantrag der "Ex-Freundin" geführt
haben, selbst wenn dieser schliesslich zurückgezogen worden ist. Im Übrigen
ist im Bereich von Gewaltdelikten selbst ein Restrisiko nicht hinzunehmen
(vgl. Urteile 2A.353/2004 vom 28. Juni 2004 E. 2.2 und 2A.279/2003 vom 17.
Juni 2003 E. 2.2.2). Die kantonalen Behörden durften auf ein sehr grosses
öffentliches, insbesondere sicherheitspolizeiliches Interesse an der
Fernhaltung des Beschwerdeführers von der Schweiz schliessen.

3.2.2 Was die Interessen des Beschwerdeführers betrifft, hat das
Appellationsgericht alle wesentlichen Aspekte in Betracht gezogen. Zu Recht
ist es von einer insgesamt nicht besonders langen massgeblichen
Anwesenheitsdauer ausgegangen (E. 3.4 S. 7 unten). Von Gewicht ist einzig der
Umstand, dass der Beschwerdeführer Vater einer Tochter mit gefestigtem
Anwesenheitsrecht in der Schweiz ist, mit welcher er im Rahmen eines
Besuchsrecht eine intakte enge Beziehung pflegt. In seiner Rechtsprechung zur
Frage des auf ein Besuchsrecht gestützten Anspruchs eines ausländischen
Elternteils auf Aufenthaltsbewilligung geht das Bundesgericht davon aus, dass
die Verweigerung der Bewilligung in der Regel vor Art. 8 EMRK standhält.
Anders als im Falle des Ausländers, dem das Sorgerecht über das Kind zusteht,
geht es im Falle des Ausländers mit einem blossen Besuchsrecht nicht darum,
ein dauerndes Zusammenleben sicherzustellen. Die Aufenthaltsbewilligung muss
daher nur dann erteilt oder erneuert werden, wenn einerseits zwischen dem
Ausländer und seinem in der Schweiz ansässigen Kind in wirtschaftlicher und
affektiver Hinsicht eine besonders enge Beziehung besteht, die sich wegen der
Distanz zwischen der Schweiz und dem Land, in das der Ausländer bei
Verweigerung der Bewilligung auszureisen hätte, praktisch nicht
aufrechterhalten liesse, und wenn andererseits das bisherige Verhalten des
Ausländers zu keinen Klagen Anlass gegeben hat (BGE 120 Ib 1 E. 3 S. 4 ff.,
22 E. 4 S. 24 ff.; Urteil 2A.508/2005 vom 16. September 2005 E. 2.2.3 mit
weiteren Hinweisen). Zwar erweist sich die Ausweisung als eingreifendere
Massnahme als eine Bewilligungsverweigerung; auch bei der Beurteilung der
Rechtmässigkeit einer solchen Massnahme ist aber in Fällen wie hier zu
beachten, dass damit nicht in eine familiäre Beziehung eingegriffen wird, die
in einer Wohngemeinschaft gelebt wird; insofern kann sinngemäss auf die
erwähnte Rechtsprechung zur Bewilligungsverweigerung abgestellt werden.
Selbst wenn vorliegend die Entfernung des Heimatlandes des Beschwerdeführers
von der Schweiz in Betracht gezogen wird, hat sein gravierendes Verbrechen
zur Folge, dass sein Interesse an der Fortführung der Beziehung zur Tochter
im bisherigen Rahmen das wie dargelegt grosse öffentliche Interesse an seiner
Ausweisung nicht aufzuwiegen vermag.

3.3 Nach dem Gesagten erweist sich der angefochtene Entscheid insgesamt als
verhältnismässig; er verletzt Bundesrecht nicht und hält insbesondere vor
Art. 8 EMRK stand. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist offensichtlich
unbegründet und im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG) abzuweisen.

4.
Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und
153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Sicherheitsdepartement (SiD) und
dem Appellationsgericht als Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt sowie
dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. April 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: