Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.466/2006
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{T 0/2}
2A.466/2006 /fco

Urteil vom 16. Januar 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
Ersatzrichter Locher,
Gerichtsschreiber Fux.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Kantonales Steueramt St. Gallen,
Davidstrasse 41, 9001 St. Gallen,
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen.

Kantonale Einkommens- und Vermögenssteuern 2003,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 8. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ ist diplomierter Buchhalter/Controller. Als Inhaber der
Einzelfirma Y.________ Treuhand ist er selbständig erwerbstätig. Ausserdem
ist er einzelzeichnungsberechtigter Gesellschafter der im November 1998
gegründeten Z.________ Treuhand GmbH.

In der Steuererklärung 2001a deklarierte X.________ für die Kantonssteuer
unter anderem ausserordentliche Einkünfte der Jahre 1999 und 2000 von je Fr.
10'000.--. In der Folge wurden diese Beträge von den Steuerbehörden erhöht
und der Beschwerdeführer schliesslich mit einer gesonderten Jahressteuer für
ausserordentliche Einkünfte von Fr. 25'500.-- im Jahr 1999 und von Fr.
64'100.-- im Jahr 2000 rechtskräftig veranlagt (Urteil vom 2. Dezember 2003
des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen).

B.
In der Steuererklärung 2003 deklarierte X.________ für die Kantonssteuer ein
steuerbares Einkommen von Fr. 51'132.-- und ein steuerbares Vermögen von Fr.
1'191'936.--. Demgegenüber wurde er mit Einspracheentscheid vom 18. Mai 2005
mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 76'000.-- und einem steuerbaren
Vermögen von Fr. 1'142'000.-- veranlagt. Dabei wurden insbesondere die
Aktiven der Einzelfirma um Fr. 69'600.-- tiefer bewertet. X.________ hatte
nämlich in der Bilanz der Einzelfirma per Ende 2003 die angefangenen Arbeiten
um diesen Betrag erhöht und gleichzeitig das Eigenkapital um denselben Betrag
heraufgesetzt, womit sich der Buchungsvorgang erfolgsneutral auswirkte. Ein
Rekurs gegen den Einspracheentscheid wurde von der
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen am 11. Januar 2006
abgewiesen.

Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen wies eine gegen den
Rekursentscheid erhobene Beschwerde mit Urteil vom 8. Juni 2006 ebenfalls ab.
Das Gericht erwog, die gesonderte steuerliche Erfassung des veränderten
Bestandes der angefangenen Arbeiten in der Bemessungslücke 1999/2000 habe nur
deren Qualifikation berührt (ausserordentliche statt ordentliche Einkünfte)
und nicht deren Bestand oder deren buchmässige Behandlung. Mit dem in einem
untechnischen Sinn verwendeten Begriff "Aufwertung" in seinem früheren Urteil
(vom 2. Dezember 2003) habe nur die Tatsache festgestellt werden sollen, dass
der Steuerpflichtige die Bilanzposition "angefangene Arbeiten" in den Jahren
1999 und 2000 gegenüber den Vorjahren erhöht habe. Die Bezeichnung dieser
Veränderung als "Aufwertung" berechtige ihn nicht, im Abschluss 2003 den
Betrag von Fr. 69'600.-- erfolgsneutral offen zu legen.

C.
X.________ hat am 11. August 2006 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht erhoben. Der Beschwerdeführer beantragt, es seien die Aktiven
(angefangene Arbeiten der Y.________ Treuhand) per 31. Dezember 2003 um
Fr. 69'600.-- zu erhöhen und das steuerbare Einkommen 2003 unverändert zu
belassen. Eventuell sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung unter Einbezug
der Konsolidierung der Y.________ Treuhand und der Z.________ Treuhand GmbH
im Sinn der Erwägungen des Bundesgerichts an die Vorinstanz zurückzuweisen;
es sei zu überprüfen, ob mit dem angefochtenen Entscheid eine
"Doppelbesteuerung aus der Aufwertung als ausserordentliche Steuer" in der
Bemessungslücke in den Jahren 1999/2000 und der Veranlagung 2003 im Umfang
der Fr. 69'600.-- eintreten würde, und es sei sicherzustellen, dass eine
solche nicht erfolge. Der Beschwerdeführer rügt in formeller Hinsicht
sinngemäss eine Verletzung seines Anspruchs auf Beurteilung durch ein
unabhängiges Gericht (Art. 30 Abs. 1 BV) und auf rechtliches Gehör (Art. 29
Abs. 2 BV). Daneben macht er sinngemäss eine Verletzung von materiellem
Bundesrecht (Steuerharmonisierungsrecht) geltend.

D.
Das Kantonale Steueramt St. Gallen, das Verwaltungsgericht des Kantons St.
Gallen sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragen, die Beschwerde
abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm eingereichten
Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 132 III 291 E. 1 S.
292; 131 II 571 E. 1 S. 573, je mit Hinweis).

1.1 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
betrifft die Einschätzung für die Kantonssteuern 2003 und unterliegt damit
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 73 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten
Steuern der Kantone und Gemeinden, StHG; SR 642.14; vgl. BGE 130 II 202 E. 1
S. 204, mit Hinweisen). Auf die form- und fristgerecht eingereichte
Beschwerde des gemäss Art. 73 Abs. 2 StHG bzw. Art. 103 lit. a OG
legitimierten Beschwerdeführers ist grundsätzlich einzutreten. Allerdings
darf das Bundesgericht bei Gutheissung des Rechtsmittels das angefochtene
Urteil bloss aufheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz
zurückweisen (Art. 73 Abs. 3 StHG; BGE 132 II 128 E. 5 S. 134, mit Hinweis).
Soweit der Beschwerdeführer mehr oder anderes verlangen, kann daher auf die
Beschwerde nicht eingetreten werden.

1.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde können die Verletzung von
Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens,
sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und lit. b OG). Hat - wie hier -
als Vorinstanz eine richterliche Behörde entschieden, ist das Bundesgericht
allerdings an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, wenn der Sachverhalt
nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2
OG).

Das Bundesgericht wendet im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren das
Bundesrecht von Amtes wegen an, ohne an die von den Parteien vorgebrachten
Begründungen gebunden zu sein (Art. 114 Abs. 1 zweiter Halbsatz OG). Es kann
somit die Beschwerde auch aus andern als den geltend gemachten Gründen
gutheissen oder abweisen (BGE 131 II 361 E. 2 S. 366, mit Hinweisen).

Bei Verwaltungsgerichtsbeschwerden nach Art. 73 StHG prüft das Bundesgericht
frei, ob das kantonale Recht und dessen Anwendung durch die kantonalen
Instanzen mit den Vorgaben des Steuerharmonisierungsgesetzes übereinstimmen.
Soweit das Steuerharmonisierungsgesetz dem kantonalen Gesetzgeber einen
Gestaltungsspielraum einräumt, richtet sich die Prüfungsbefugnis des
Bundesgerichts auch im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach den für
die staatsrechtliche Beschwerde geltenden Grundsätzen (BGE 131 II 710 E. 1.2
S. 713, mit Hinweisen).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, für ihn stehe die Unabhängigkeit
und Unbefangenheit des Präsidenten des Verwaltungsgerichts und des Vertreters
des kantonalen Steueramtes in Frage, weil diese gemeinsam das Buch "Wegweiser
durch das st. gallische Steuerrecht" herausgegeben hätten. Soweit er damit
sinngemäss eine Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung durch ein
unabhängiges Gericht geltend machen will (Art. 30 Abs. 1 BV), ist die Rüge
offensichtlich unbegründet: Die Tatsache allein, dass der Präsident des
Verwaltungsgerichts als Mitherausgeber jenes Werkes zeichnet, beeinträchtigt
seine Unbefangenheit in keiner Weise. Der Wegweiser äussert sich nämlich
nicht zum speziellen Fall des Beschwerdeführers, sondern zu den allgemeinen
Regeln des Steuerrechts, wie die Eidgenössische Steuerverwaltung in ihrer
Vernehmlassung zutreffend ausführt. Inwiefern insbesondere die anwendbaren
kantonalen Ausstandsvorschriften verletzt sein sollen (Art. 7 des st.
gallischen Gesetzes vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege), ist
nicht ersichtlich und auch nicht dargetan. Im Übrigen hätte der
Beschwerdeführer ein allfälliges Ausstandsbegehren früher stellen müssen
(vgl. z.B. BGE 124 I 121 E. 2, mit Hinweis).

2.2 Weiter behauptet der Beschwerdeführer, von ihm angebotene Beweise und
beantragte Beweismittel (Expertise) seien nicht berücksichtigt worden. So sei
die Konsolidierung der Y.________ Treuhand sowie der Z.________ Treuhand GmbH
nicht beachtet worden; dadurch sei keine "gesamtheitliche Prüfung der
Zusammenhänge" erfolgt und namentlich die aus der "Aufwertung" resultierende
Doppelbesteuerung ausser Acht gelassen worden. Er rügt damit sinngemäss eine
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 166
des st. gallischen Steuergesetzes vom 9. April 1998, StG/SG).

Auch diese Rüge erweist sich als unbegründet: Der Beschwerdeführer übersieht,
dass er als natürliche Person und Inhaber des Treuhandbüros einerseits und
die Z.________ Treuhand GmbH anderseits zwei verschiedene Steuersubjekte
sind, die steuerlich gesondert behandelt werden. Das schweizerische Recht
kennt (mit Ausnahme einzelner Bestimmungen) kein eigentliches Konzernrecht;
es behandelt jede Gesellschaft als rechtlich selbständiges Gebilde (ASA 65,
51 E. 3b, mit Hinweisen). Deshalb brauchten die Vorinstanzen auf die
konsolidierten Unterlagen nicht weiter einzugehen und auch kein Gutachten
einzuholen. Im Übrigen ist eine Doppelbesteuerung im Sinn von Art. 127 Abs. 3
BV hier schon deshalb ausgeschlossen, weil es an der Subjektidentität sowie
an der Kollision zweier Steuerhoheiten fehlt (vgl. Urteil 2P.338/2004 und
2A.757/2004 vom 26. April 2006, E. 11.3). Aber auch eine wirtschaftliche
Doppelbelastung liegt nicht vor, wie in den folgenden Erwägungen dargelegt
wird.

3.
3.1 Ausserordentliche Einkünfte, die in den Jahren 1999 und 2000 oder in einem
Geschäftsjahr erzielt werden, das in diesen Jahren abgeschlossen wird,
unterliegen für die Steuerperiode, in der sie zugeflossen sind, einer
gesondert berechneten Jahressteuer (Art. 314 Abs. 1 StG/SG). Als
ausserordentliche Einkünfte gelten insbesondere Kapitalleistungen,
aperiodische Vermögenserträge, Lotteriegewinne, Kapital- und
Aufwertungsgewinne, Auflösung von Wertberichtigungen, Rückstellungen und
Rücklagen sowie Gewinne, die auf die Unterlassung geschäftsmässig begründeter
Abschreibungen und Rückstellungen zurückzuführen sind (Art. 314 Abs. 2
StG/SG). Diese Regelung stimmt mit Art. 69 StHG überein.

3.2 Der Beschwerdeführer hatte in der sich aus dem Wechsel zur
Gegenwartsbemessung per 1. Januar 2001 ergebenden Bemessungslücke seine
angefangenen Arbeiten stark erhöht, für die Jahre 1999 und 2000 aber nur
ausserordentliche Einkünfte von je Fr. 10'000.-- deklariert. Auf demjenigen
Teil der angefangenen Arbeiten zugunsten der Z.________ Treuhand GmbH, der
das Ausmass der Vorperioden deutlich überstieg oder erstmals verbucht wurde,
erfasste die Steuerbehörde - rechtskräftig - in Anwendung der hiervor
zitierten Bestimmung zusätzliche ausserordentliche Einkünfte von Fr.
15'500.-- (1999) und Fr. 54'100.-- (2000) mittels gesonderter Jahressteuer.
Es handelte sich dabei um Bestandteile der vom Beschwerdeführer selbst
aktivierten angefangenen Arbeiten und nicht etwa um erzwungenermassen
"aufgewertete" Positionen. Wenn daher im Urteil des Verwaltungsgerichts vom
2. Dezember 2003 die Bezeichnung "Aufwertung" verwendet wurde, so geschah
dies offensichtlich in einem untechnischen Sinn: Es ging um die steuerliche
Würdigung markant gestiegener Aktivierungen angefangener Arbeiten in der
Bemessungslücke. Aus der Verwendung des Ausdrucks "Aufwertung" kann der
Beschwerdeführer jedenfalls nichts zu seinen Gunsten ableiten. Dasselbe gilt
übrigens für den ähnlich gefassten Vergleich vom 1./4. März 2004 betreffend
die direkte Bundessteuer (ausserordentliche Einkünfte 1999 und 2000).

3.3 Der Beschwerdeführer begründet die erfolgsneutrale Aufdeckung von Fr.
69'600.-- damit, dass eine aufgrund der vermeintlichen "Aufwertung" in den
Jahren 1999 und 2000 drohende Doppelbesteuerung vermieden werden müsse. Dem
ist entgegenzuhalten, dass weder eine Aufwertung vorliegt (oben E. 3.2) noch
eine Doppelbesteuerung: Der Bestand der angefangenen Arbeiten per 31.
Dezember 2000 von Fr. 125'000.-- wurde Anfang 2001 vollständig, d.h.
einschliesslich der sogenannten "Aufwertung", zulasten der Erfolgsrechnung
aufgelöst (ausgewiesener Stand "Veränderung der angefangenen Arbeiten" im
Jahr 2001: Fr. -42'000.--). Wenn sich in der Folge die Leistungen der
Z.________ Treuhand GmbH erfolgswirksam auswirkten, kann daher von einer
Doppelbesteuerung im Rahmen der Einzelfirma Y.________ Treuhand nicht die
Rede sein.

Zu Recht wurde somit die erfolgsneutrale Aufdeckung von Fr. 69'600.--
steuerlich nicht anerkannt und das steuerbare Vermögen entsprechend
herabgesetzt; dieses ist nämlich - abgesehen vom unbeweglichen Vermögen und
den Wertschriften - zum Einkommenssteuerwert zu bewerten (Art. 55 StG/SG und
Art. 14 Abs. 3 StHG).

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als unbegründet und ist
abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird.

Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 153 und Art. 153a OG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet
(Art. 159 OG).

Das Bundesgericht erkennt:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonalen Steueramt St. Gallen
und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Januar 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: