Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.423/2006
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{T 0/2}
2A.423/2006/fco

Urteil vom 26. Oktober 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Gerichtsschreiber Küng.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch lic.iur. Halil Sütlü,

gegen

Migrationsamt des Kantons Aargau, Postfach, 5001 Aarau,
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau, Postfach, 5001 Aarau.

Widerruf der Niederlassungsbewilligung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts im
Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 9. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
Der türkische Staatsangehörige X.________ (geb. 1963) weilte bis zu seiner
Ausschaffung am 14. März 1989 unter falschen Personalien als Asylsuchender in
der Schweiz. Nachdem er am 8. Juli 1998 in der Türkei eine Schweizer
Staatsangehörige geheiratet hatte, wurde ihm eine Aufenthaltsbewilligung zum
Verbleib bei seiner Schweizer Ehefrau erteilt. Am 17. August 2003 erhielt er
die Niederlassungsbewilligung. Die Ehe wurde am 2. August 2004 geschieden.

Im Januar 2005 heiratete X.________ erneut seine erste Ehefrau Y.________,
von der er 1991 geschieden worden war. Am 7. März 2005 stellte er ein
Familiennachzugsgesuch für seine türkische Ehefrau und die beiden gemeinsamen
Kinder (geb. 1994 und 2001).

Mit Verfügung vom 25. Mai 2005 widerrief das Migrationsamt des Kantons Aargau
die Niederlassungsbewilligung von X.________ und wies ihn aus der Schweiz
weg. Nachdem seiner Einsprache gegen diese Verfügung kein Erfolg beschieden
war, wandte sich X.________ an das Rekursgericht im Ausländerrecht des
Kantons Aargau, welches seine Beschwerde am 9. Juni 2006 abwies.

B.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 11. Juli 2006 beantragt X.________ dem
Bundesgericht, die Widerrufs- und Wegweisungsverfügung sowie die beiden
Entscheide der kantonalen Instanzen aufzuheben; das Migrationsamt sei
anzuweisen, über das Familiennachzugsgesuch materiell zu befinden.

Das Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie das Bundesamt
für Migration beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

Das Migrationsamt des Kantons Aargau hat sich nicht vernehmen lassen.

C.
Am 7. September 2006 erkannte der Präsident der II. öffentlichrechtlichen
Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gegen kantonal letztinstanzliche Entscheide über den Widerruf von
Niederlassungsbewilligungen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht zulässig (vgl. Art. 101 lit. d OG).

2.
2.1 Nach Art. 9 Abs. 4 lit. a des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) kann die
Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn der Ausländer sie durch
falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen
erschlichen hat. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass sich nachträglich
Indizien ergeben, die die mittlerweile aufgelöste Ehe, auf die sich der
Ausländer für den Erhalt der Niederlassungsbewilligung berufen hat, als
Scheinehe oder als bloss aus fremdenpolizeilichen Gründen aufrechterhaltene
Ehe erscheinen lassen (Urteil 2A.346/2004 vom 10. Dezember 2004, E. 2.1,
publ. in: Pra 2005 Nr. 100).

Der Widerruf nach der erwähnten Bestimmung setzt voraus, dass der Betroffene
wissentlich falsche Angaben gemacht oder Tatsachen verschwiegen hat, in der
Absicht, gestützt darauf den Aufenthalt oder die Niederlassung bewilligt zu
erhalten. Nach Art. 3 Abs. 2 ANAG ist der Ausländer verpflichtet, der Behörde
wahrheitsgetreu über alles Auskunft zu geben, was für den
Bewilligungsentscheid massgebend sein kann. Wesentlich sind dabei nicht nur
Umstände, nach denen die Fremdenpolizei ausdrücklich fragt, sondern auch
solche, von denen der Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den
Bewilligungsentscheid massgeblich sind. Dazu gehört insbesondere auch die
Tatsache, dass der Betroffene aussereheliche Kinder hat (Urteil 2A.346/2004
vom 10. Dezember 2004 E. 2.2, mit zahlreichen Hinweisen).

3.
3.1 Dem Beschwerdeführer wird von den kantonalen Behörden vorgeworfen, er habe
das Migrationsamt nicht über die Geburt des zweiten ausserehelichen Kindes
orientiert und somit die Voraussetzungen für einen Widerruf der
Niederlassungsbewilligung nach Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG erfüllt.

3.2 Der Beschwerdeführer lebte seit Januar 1999 - während der Woche - von
seiner Schweizer Ehefrau getrennt. Ob er deshalb bereits im Zeitpunkt der
Erteilung der Niederlassungsbewilligung, d.h. im August 2003, nicht mehr die
Absicht hatte, diese Ehe wieder aufzunehmen (angefochtenes Urteil E. 3.4),
und ob er verpflichtet gewesen wäre, dies von sich aus den
Fremdenpolizeibehörden zu melden (angefochtenes Urteil E. 2.3 und 3.4), kann
offen bleiben. Denn er hat jedenfalls gegenüber den Behörden die objektive
Tatsache der Geburt seiner zweiten Tochter (geb. 2001) verschwiegen, die er
während der Ehe mit seiner schweizerischen Ehefrau mit seiner früheren
türkischen Ehefrau gezeugt hatte. Dass er in der Türkei nicht sofort als
Vater im Personenregister eingetragen worden ist und er damit seine
Vaterschaft nicht belegen konnte, entband ihn nicht von der Pflicht, den
Fremdenpolizeibehörden die Geburt dieses Kindes mitzuteilen. Dies umso mehr,
als er nie irgendwelche Zweifel an seiner Vaterschaft hegte (vgl. Schreiben
von Z.________ vom 14. Juni 2005, kant. act. 186). Durch die Bekanntgabe
dieses Umstandes hätte sich die Fremdenpolizei veranlasst gesehen bzw. sehen
müssen, weitere Abklärungen zu treffen, die schliesslich zur Offenlegung der
intimen Beziehung zu seiner früheren Ehefrau geführt hätten. Für die Behörde
wäre dadurch erkennbar geworden, dass der Beschwerdeführer das dem
ausländischen Ehegatten gemäss Art. 7 ANAG nach Ablauf von fünf Jahren
zustehende Recht auf eine (dauerhafte) Niederlassungsbewilligung nicht zum
Verbleib beim schweizerischen Ehepartner, sondern für den beabsichtigten
Nachzug seiner in einer Parallelbeziehung gegründeten ausländischen Familie
nutzen wollte; dies hätte aufgrund des Vorbehaltes von Art. 7 Abs. 2 ANAG den
Untergang dieses Anspruches zur Folge gehabt. Durch sein Verhalten hat der
Beschwerdeführer den Tatbestand des Erschleichens der
Niederlassungsbewilligung und damit den Widerrufsgrund gemäss Art. 9 Abs. 4
lit. a ANAG erfüllt.

Der Beschwerdeführer bestreitet eine Täuschungsabsicht. Sein Vorgehen sei
nicht planmässig von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen, seiner früheren
Partnerin und den mit dieser gezeugten Kindern nach Erhalt der
Niederlassungsbewilligung den Nachzug in die Schweiz zu ermöglichen. Es habe
sich vielmehr durch eine Reihe von nicht voraussehbaren Lebensumständen -
insbesondere den Tod der ihm gegenüber feindseligen früheren Schwiegermutter
- ergeben, dass er nach der Heirat einer Schweizerin und der Übersiedlung in
die Schweiz seine Beziehung mit der früheren Gattin wieder aufgenommen und
mit ihr ein (zweites) aussereheliches Kind gezeugt habe. Seine
Wiederzuwendung zur früheren Ehefrau sei weiter darauf zurückzuführen, dass
er und seine schweizerische Ehefrau sich zunehmend auseinandergelebt hätten.

Das Vorgehen des Beschwerdeführers entspricht objektiv einem aus zahlreichen
Verfahren bekannten Verhaltensmuster zur Erschleichung fremdenpolizeilicher
Bewilligungen. Wieweit der Beschwerdeführer ein solches Ziel von Anfang an
verfolgte, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Seine Vorbringen sind
jedenfalls nicht geeignet, das von der Vorinstanz bejahte Vorliegen einer
Täuschung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG zu widerlegen. Der
Beschwerdeführer hat - unabhängig von den Motiven, die ihn zur Führung einer
Parallelbeziehung mit seiner früheren Ehefrau bzw. zur Wiederverheiratung mit
ihr veranlassten - die Fremdenpolizei in einem für die Erteilung der
Niederlassungsbewilligung wesentlichen Punkt hinters Licht geführt, indem er
die Zeugung eines Kindes in der mit der früheren türkischen Ehefrau
weitergeführten Parallelbeziehung verschwieg.

3.3 Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist unter den gegebenen
Umständen auch verhältnismässig. Der Beschwerdeführer hat mit seiner früheren
türkischen Ehefrau und seinen beiden mit ihr gezeugten Kindern, die alle drei
bisher in der Türkei gelebt haben, eine neue Familie gegründet. Eine Rückkehr
ins gemeinsame Heimatland erscheint damit naheliegend und zumutbar. Seine in
der Schweiz erworbenen beruflichen Fähigkeiten werden ihm auch dort von
Nutzen sein. Dass er allenfalls beruflich und wirtschaftlich erhebliche
Nachteile erleiden wird, hat er seinem eigenen Verhalten zuzuschreiben und
stellt die Zulässigkeit des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung nicht in
Frage.

4.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der
Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art.
156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt und dem
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Oktober 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: