Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.409/2006
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{T 0/2}
2A.409/2006 /bie

Urteil vom 9. Oktober 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Müller,
Gerichtsschreiber Matter.

X. ________ , Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dr. Ivo Corvini,

gegen

Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, Regierungsgebäude, Rathausstrasse
2, 4410 Liestal,
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht,
Postfach 635, 4410 Liestal.

Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und
Verwaltungsrecht, vom 22. März 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________, geb. 1974, ist ägyptischer Staatsangehöriger. Im Februar 1997
heiratete er eine Schweizerin. Nach der Geburt einer gemeinsamen Tochter
reiste er im Dezember 1998 in die Schweiz ein. Im Januar 1999 wurde ihm die
Aufenthalts- und im November 2003 die Niederlassungsbewilligung erteilt. Die
Ehe wurde im April 2005 geschieden und das Sorgerecht über die Tochter der
Mutter zugeteilt.

Im Nachhinein wurde bekannt, dass X.________ spätestens seit Dezember 2000
von seiner Frau getrennt lebte, im Jahr 2002 in Ägypten eine Zweitehe
eingegangen und in diesem Rahmen Vater eines im Mai 2003 geborenen Sohnes
geworden war. Daraufhin widerrief das Amt für Migration des Kantons
Basel-Landschaft mit Verfügung vom 31. März 2005 die
Niederlassungsbewilligung von X.________ und ordnete dessen Wegweisung an.
Dagegen gelangte der Betroffene erfolglos an den Regierungsrat und sodann an
das Kantonsgericht des Kantons Basel-Landschaft.

B.
Am 30. Juni 2006 hat X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag, das kantonsgerichtliche Urteil vom
22. März 2006 aufzuheben. Eventualiter sei die Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung anzuordnen.

Das Kantonsgericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Der Regierungsrat
hat sich in der Sache nicht vernehmen lassen, und das Bundesamt für Migration
schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

C.
Mit Präsidialverfügung vom 22. August 2006 ist der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
auf dem Gebiete der Fremdenpolizei aus gegen die Erteilung oder Verweigerung
von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Der
Widerruf einer Niederlassungsbewilligung fällt nicht unter diesen
Ausschlussgrund (vgl. Art. 101 lit. d OG). Auf die fristgerecht eingereichte
Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.

2.
2.1 Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn der Ausländer
sie durch falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen wesentlicher
Tatsachen erschlichen hat (Art. 9 Abs. 4 lit. a des Bundesgesetzes vom 26.
März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer; ANAG; SR 142.20).
Der Widerruf setzt voraus, dass der Betroffene wissentlich falsche Angaben
gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat, in der Absicht, gestützt
darauf den Aufenthalt oder die Niederlassung bewilligt zu erhalten. Nach Art.
3 Abs. 2 ANAG ist der Ausländer verpflichtet, der Behörde wahrheitsgetreu
über alles Auskunft zu geben, was für den Bewilligungsentscheid massgebend
sein kann. Hievon ist er selbst dann nicht befreit, wenn die
Fremdenpolizeibehörde die fragliche Tatsache bei gebotener Sorgfalt selbst
hätte ermitteln können. Wesentlich sind dabei nicht nur Umstände, nach denen
die Fremdenpolizei ausdrücklich fragt, sondern auch solche, von denen der
Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid massgeblich
sind. Dazu gehört etwa die Absicht der Nichtfortsetzung der bisherigen bzw.
der Begründung einer neuen Ehe oder die Tatsache, dass der Betroffene
aussereheliche Kinder hat. Es ist nicht erforderlich, dass die Bewilligung
bei richtigen und vollständigen Angaben notwendigerweise zu verweigern
gewesen wäre (vgl. zum Ganzen Pra 2005 Nr. 100 S. 716 E. 2.2 mit weiteren
Hinweisen).

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, der Widerruf seiner
Niederlassungsbewilligung sei nicht gerechtfertigt (dazu E. 2.2.1) und auf
keinen Fall verhältnismässig (E. 2.2.2).
2.2.1 Bei der Frage, ob den Behörden wesentliche Tatsachen wissentlich
vorenthalten worden sind, kann es - entgegen der Argumentation des
Beschwerdeführers - nicht auf die subjektive Anschauung des Betroffenen oder
auf in dessen Heimatland gültige Sichtweisen ankommen. Ein Ausländer, dem der
Aufenthalt zum Zweck des Verbleibs bei seiner Ehefrau bewilligt worden ist,
muss davon ausgehen, dass die Behörde bei Erteilung der
Niederlassungsbewilligung daran interessiert ist, zu wissen, ob er immer noch
mit seiner Gattin zusammenlebt. Es muss ihm klar sein, dass es sich dabei um
eine wesentliche Tatsache handelt, die er der Behörde offenbaren muss. Der
Beschwerdeführer machte in einem objektiv wesentlichen Punkt unvollständige
Angaben, was er wissen musste, liegt es doch auf der Hand, dass die Kenntnis
des betreffenden Umstands - Zweitehe mit Kind bei Trennung von der
schweizerischen Ehefrau vor Ablauf der 5 Jahre gemäss Art. 7 ANAG - ohne
weiteres Anlass zu näheren Abklärungen der tatsächlichen familiären Situation
gegeben hätte. Der Beschwerdeführer hat die Behörden damit über einen
wesentlichen Punkt getäuscht und seine Niederlassungsbewilligung im Sinne von
Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG erschlichen.

2.2.2 Das Vorliegen eines Widerrufsgrundes führt nicht zwingend dazu, dass
die Niederlassungsbewilligung auch tatsächlich zu widerrufen ist; es muss
beim entsprechenden Entscheid vielmehr jeweils den besonderen Umständen des
Einzelfalles angemessen Rechnung getragen werden. Das hat das Kantonsgericht
hier getan und den Widerruf zu Recht als verhältnismässig eingestuft: Der
Beschwerdeführer kam erst als Erwachsener in die Schweiz, wo er seit knapp
sieben Jahren lebt. Zwar hat er hier eine Tochter (vgl. dazu unten E. 3.2)
und ist er gut in die Arbeitswelt integriert. Diese privaten Gesichtspunkte
vermögen die öffentlichen Interessen an seiner Wegweisung indessen nicht
aufzuwiegen. Eine Rückkehr in sein Heimatland ist dem Beschwerdeführer ohne
weiteres zuzumuten, wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat (vgl. zur
gesamten Interessenabwägung E. 9 des angefochtenen Entscheids).

3.
Eventualiter beantragt der Beschwerdeführer, es sei ihm zumindest eine
Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.

3.1 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es hätte ihm eine
Härtefallbewilligung im Sinne von Art. 13 lit. f. der Verordnung vom
6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO; SR 823.21)
erteilt werden müssen, kann auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
eingetreten werden, da diese Bestimmung keinen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung vermittelt (Art. 100 Abs. 1 lit. b OG; vgl. BGE 122 II
186 E. 1 S. 187 ff.). Im Übrigen könnte von einem Härtefall klarerweise nicht
die Rede sein, wie das Kantonsgericht richtig befunden hat (vgl. E. 10 des
vorinstanzlichen Entscheids).

3.2 Im Weiteren beruft sich der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine in der
Schweiz ansässige Tochter auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV. Er wohnt jedoch
nicht mit dieser zusammen und kann daher die familiäre Beziehung zu ihr von
vornherein nur in einem beschränkten Rahmen, nämlich durch Ausübung des ihm
eingeräumten Besuchsrechts, leben. In solchen Fällen muss die
Aufenthaltsbewilligung auf Grund von Art. 8 EMRK nur dann erteilt oder
erneuert werden, wenn einerseits zwischen dem Ausländer und seinem in der
Schweiz ansässigen Kind in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht eine
besonders enge Beziehung besteht, die sich wegen der Distanz zwischen der
Schweiz und dem Land, in das der Ausländer bei Verweigerung der Bewilligung
auszureisen hätte, praktisch nicht aufrechterhalten liesse, und wenn
andererseits das bisherige Verhalten des Ausländers zu keinerlei Klagen
Anlass gegeben hat. Das Erfordernis der besonderen Intensität der Beziehung
kann regelmässig nur dann als erfüllt betrachtet werden, wenn ein grosszügig
ausgestaltetes Besuchsrecht eingeräumt ist und dieses kontinuierlich, spontan
und reibungslos ausgeübt wird (vgl. zum Ganzen BGE 120 Ib 1 E. 3 S. 4 ff., 22
E. 4 S. 24 ff.; Urteil 2A.77/2006 vom 15. Februar 2006 mit weiteren
Hinweisen).

Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz nicht straffällig
geworden ist und im Arbeitsleben geschätzt zu sein scheint. Von einem
tadellosen Verhalten kann indessen nicht gesprochen werden, nachdem er die
Behörden in rechtsmissbräuchlicher Weise über seine familiären Verhältnisse
getäuscht und so die Erteilung der Niederlassungsbewilligung erschlichen hat.
Auch erfüllt die Beziehung zu seiner Tochter nicht die von der Praxis
geforderten Merkmale einer affektiv und wirtschaftlich besonders engen
Beziehung (vgl. dazu zutreffend E. 11 und 12 des angefochtenen Entscheids).
Abgesehen davon ist nicht zu übersehen, dass der Beschwerdeführer in Ägypten
eine ähnliche Beziehung zu einem anderen Kind und dessen Mutter hat, die bei
der Bewilligung des Aufenthalts in der Schweiz ihrerseits nur schwer
wahrgenommen werden könnte. Es ist nicht einzusehen, weshalb unter diesen
Umständen der schweizerischen Beziehung der Vorrang gewährt werden müsste.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153
und Art. 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Verfassungs- und Verwaltungsrecht, sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Oktober 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: