Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.329/2006
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{T 0/2}
2A.329/2006 /leb

Urteil vom 12. Oktober 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Küng.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Advokat Prof. Dr. Felix Uhlmann,

gegen

Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Bereich Recht, Spiegelgasse
6-12, 4001 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht,
Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

Aufhebung von Nachtparkplätzen (Art. 3 Abs. 4 SVG);

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
als Verwaltungsgericht vom 17. März 2006.

Sachverhalt:

A.
Auf dem Münsterplatz in Basel sollen die Verkehrsverhältnisse neu geordnet
werden. Unter anderem sind Fahr- und Parkierverbote vorgesehen. Gegen die
entsprechenden verkehrspolizeilichen Anordnungen gelangte u.a. auch
A.________, als Anwohner (B.________gasse 1) und Inhaber des Restaurants
C.________ (D.________ 7), an das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, welches die entsprechenden Rekurse am 18. Juni 2003 teilweise
guthiess. Das Parkieren mit Personenwagen auf dem Münsterplatz blieb damit
täglich von 19.00 Uhr bis 07.00 Uhr - wie bis anhin - gestattet.

Die Verkehrsabteilung der Kantonspolizei Basel-Stadt traf am 7. Februar 2004
neue verkehrspolizeiliche Anordnungen betreffend permanente Massnahmen
"Augustinergasse/Martinsgasse/Martinskirchplatz/
Münsterplatz/Schlüsselberg"; danach soll insbesondere das Parkieren auf dem
Münsterplatz - auch nachts - verboten werden. Das Sicherheitsdepartement des
Kantons Basel-Stadt wies am 5. Januar 2005 den gegen diese
Verkehrsanordnungen erhobenen Rekurs von A.________, welchem aufschiebende
Wirkung zuerkannt worden war, ab und entzog einem allfälligen Rechtsmittel
die aufschiebende Wirkung. A.________ gelangte gegen diesen Rekursentscheid
an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt und ersuchte um
Wiederherstellung bzw. Erteilung der aufschiebenden Wirkung. Das Verfahren
wurde zuständigkeitshalber dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
(als Verwaltungsgericht) überwiesen. Mit Verfügung seines Präsidenten vom 7.
März 2005 wies das Appellationsgericht den Antrag auf Wiederherstellung bzw.
Gewährung der aufschiebenden Wirkung ab. Die von A.________ gegen diesen
Zwischenentscheid gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das
Bundesgericht am 29. März 2005 ab (Urteil 2A.173/2005).

Am 17. März 2006 wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt den
Rekurs von A.________ ab, soweit es darauf eintrat.

B.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 31. Mai 2006 beantragt A.________ dem
Bundesgericht, den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 17. März 2006 aufzuheben und dieses anzuweisen, über die Belegung der
Parkhäuser in der Nähe des Basler Münsterplatzes "eine verlässliche Erhebung"
durchzuführen.
Das Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schliesst unter Verzicht auf
eine Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde, soweit auf diese
einzutreten sei.

Das Bundesamt für Strassen stellt unter Verweisung auf den seines Erachtens
zutreffenden angefochtenen Entscheid den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das angefochtene generelle, auch während der Nacht geltende Parkverbot
für Personenwagen auf dem Münsterplatz ist eine funktionelle
Verkehrsbeschränkung im Sinne von Art. 3 Abs. 4 des Strassenverkehrsgesetzes
vom 19. Dezember 1958 (SVG; SR 741.01; Fassung vom 14. Dezember 2001), die
nach heutiger Regelung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht
angefochten werden kann.

1.2 Der Beschwerdeführer ist als Anwohner (B.________gasse 1) und Inhaber des
nahe dem Münsterplatz gelegenen Restaurants C.________ (D.________ 7), dessen
Gäste - wie er selber - die Parkplätze auf dem Münsterplatz regelmässig
benutzten, durch das nächtliche (d.h. von 19.00 bis 07.00 Uhr geltende)
Parkverbot - nur dieses war Gegenstand des Verfahrens vor der Vorinstanz
(angefochtenes Urteil E. 1.3) - in schützenswerten eigenen Interessen
betroffen und damit nach Art. 103 lit. a OG zur Beschwerde legitimiert. Auf
die frist- und formgerechte Beschwerde ist daher einzutreten.

1.3 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von
Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens,
sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts (Art. 104 lit. a und b OG), nicht jedoch die Unangemessenheit
des angefochtenen Entscheids (vgl. Art. 104 lit. c OG) gerügt werden. Hat -
wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, ist das
Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, sofern diese nicht
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
2.1 Funktionelle Verkehrsanordnungen nach Art. 3 Abs. 4 SVG können erlassen
werden, soweit der Schutz der Bewohner oder gleichermassen Betroffener vor
Lärm und Luftverschmutzung, die Beseitigung von Benachteiligungen von
Menschen mit Behinderungen, die Sicherheit, die Erleichterung oder die
Regelung des Verkehrs, der Schutz der Strasse oder andere in den örtlichen
Verhältnissen liegende Gründe dies erfordern; aus solchen Gründen können
insbesondere in Wohnquartieren der Verkehr beschränkt und das Parkieren
besonders geregelt werden. Die Kantone und Gemeinden können dabei all jene
Massnahmen treffen, die ihnen im Rahmen der strassenverkehrsrechtlichen
Bundesvorschriften zur Verfügung stehen und die nach dem Grundsatz von
Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit zulässig sind.

Ob eine gestützt auf Art. 3 Abs. 4 SVG angeordnete Verkehrsmassnahme im
öffentlichen Interesse liegt und dem Gebot der Verhältnismässigkeit
entspricht, prüft das Bundesgericht an sich mit freier Kognition. Es übt
jedoch Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der
örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen
und überblicken als das Bundesgericht. Verkehrsbeschränkungen der hier in
Frage stehenden Art sind regelmässig mit komplexen Interessenabwägungen
verbunden. Entsprechend der Natur der Sache liegt die Verantwortung für die
Zweckmässigkeit und Wirksamkeit solcher Massnahmen in erster Linie bei den
verfügenden Behörden, denen insoweit ein erheblicher Gestaltungsspielraum
zusteht. Ein Eingreifen des Richters ist erst gerechtfertigt, wenn die
zuständigen Behörden von unhaltbaren tatsächlichen Annahmen ausgehen,
bundesrechtswidrige Zielsetzungen verfolgen, bei der Ausgestaltung der
Massnahme ungerechtfertigte Differenzierungen vornehmen oder notwendige
Differenzierungen unterlassen oder sich von erkennbar grundrechtswidrigen
Interessenabwägungen leiten lassen (Urteil 2A.23/2006 vom 23. Mai 2006 E.
3.2, mit Hinweisen).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unvollständige bzw.
willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Diesen Mangel erblickt er darin, dass
die Vorinstanz festgestellt habe, hinsichtlich der Auslastung der Parkhäuser
um den Münsterplatz lägen verlässliche Erhebungen vor.

3.2 Die angefochtene Massnahme bedeutet die Aufhebung der bis anhin
vorhandenen 80 Nachtparkplätze auf dem Münsterplatz. Da gemäss einer
Absichtserklärung der beteiligten Behörden (im Rahmen der Möglichkeiten)
innerhalb des Cityrings Ersatzparkplätze zu schaffen waren, falls für die
wegfallenden Parkplätze nicht eine entsprechende Anzahl Plätze in bestehenden
oder neuen Parkhäusern der Innenstadt zur Verfügung standen, nahmen die
zuständigen Behörden entsprechende Erhebungen vor.

Das Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt untersuchte, ob in den im
Perimeter Innenstadt in Frage kommenden und für den Beschwerdeführer bzw.
dessen Restaurant als Ersatz geeigneten Parkhäusern Anfoshaus und
Elisabethengarage während der Nacht (von 19.00 bis 07.00) genügend Parkplätze
für 80 zusätzliche Fahrzeuge vorhanden sind. Zu diesem Zweck wurden vom
Verkehrsingenieurbüro Rudolf Keller & Partner, welches auch das Permanente
Parkleitsystem installiert hatte, während je einer Woche in den Monaten
Januar bis Juli 2004 die sich aus dem Permanenten Parkleitsystem ergebenden
Belegungszahlen der Parkhäuser Anfos, Elisabethen, Steinen und Storchen
ausgewertet. Die Auswertung ergab, dass in den sieben ausgewählten Wochen in
der Anfosgarage (geöffnet Montag bis Samstag bis 01.00 Uhr) an allen
Werktagen (mit zwei Ausnahmen) ab 19.00 Uhr über 80, meist gegen 100 freie
Parkplätze zur Verfügung standen; in der Elisabethengarage (geöffnet täglich
während 24 Stunden) waren jeden Abend mindestens 100, meist nahezu 200 freie
Plätze verfügbar.

Da der Beschwerdeführer diese Zahlen als ungenügend und nicht verlässlich
erachtete, nahm die Vorinstanz weitere Abklärungen vor. Sie befragte dazu als
Auskunftsperson den Projektleiter der Ingenieurunternehmung, die im Sommer
2001 das Permanente Parkleitsystem installiert hatte. Dieser erklärte, das
Parkleitsystem erfasse sehr genau und zuverlässig, wie viele Fahrzeuge sich
im Parkhaus befinden, indem es die Anzahl der Bewegungen der Schranken bei
der Ein- und Ausfahrt der Garagen ermittle. Ungenauigkeiten könnten sich
dadurch ergeben, dass alle im Parkhaus befindlichen Fahrzeuge erfasst würden,
d.h. auch jene, die auf dem Weg zur Ausfahrt oder noch auf der Suche nach
einem freien Platz seien; dadurch könnte eine kleinere Anzahl freier Plätze
angezeigt werden als tatsächlich vorhanden seien. Nicht möglich sei hingegen,
dass zu viele freie Plätze angezeigt würden (angefochtenes Urteil E. 5.3.1).
Die Vorinstanz erachtete diese Darstellung als überzeugend und einleuchtend;
den Schluss, dass vom Parkleitsystem nur zu wenig, nicht aber zu viel Plätze
angezeigt würden, verifizierte sie anhand eines Beispiels vom 22. Januar
2004.
Was der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, lässt die
Feststellungen der Vorinstanz keineswegs als unhaltbar bzw. offensichtlich
unrichtig oder unvollständig erscheinen. Insbesondere durfte die Vorinstanz
ohne Willkür offen lassen, weshalb die vom Beschwerdeführer ohne
Quellenangabe vorgelegten Zahlen für das Parkhaus Storchen von den
entsprechenden Zahlen der Auswertung des Permanenten Parkleitsystems
abweichen, da die entsprechenden freien Plätze in den beiden als Ersatz in
Frage kommenden Parkhäusern bereits genügten. Sofern die Ausführungen der
Vorinstanz insoweit nicht auf einem Versehen beruhen (vgl. Vernehmlassung des
Sicherheitsdepartements S. 9 f.: fehlende Vergleichbarkeit der "Rohdaten"
Dezember 2003 bis März 2004 mit den Daten des Parkleitsystems für den 25. bis
31. Oktober 2004), legt der Beschwerdeführer nicht dar, weshalb damit die
Zahlen für die beiden hier massgebenden Parkhäuser ebenfalls falsch wären;
dafür fehlen auch in den Akten jegliche Anhaltspunkte.

Das kantonale Sicherheitsdepartement verweist in diesem Zusammenhang auf eine
Passage eines Votums von Regierungsrat Vischer vom 21. April 2004 vor dem
Grossen Rat, in welcher dieser darlegt, dass im Jahr 2003 u.a. für die
Parkhäuser Anfos und Elisabethen eine Auswertung der Belegung "auf der Basis
verifizierter Belegungszahlen" durchgeführt worden sei (Beschwerdebeilage
12). Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt führte sodann am 28. April
2004 in einer schriftlichen Beantwortung einer kleinen Anfrage aus, "für
Zeitreihen vor Juli 2003 bestehen andere Erfassungsverhältnisse bzw. keine
verwertbaren Daten" (Beschwerdebilage 13). Soweit sich der Beschwerdeführer
auch in der vorliegenden Beschwerde auf Äusserungen von Regierungsrat Vischer
stützt, so beziehen sich diese offensichtlich auf die Zeit vor Juli 2003,
d.h. bevor die entsprechenden Belegungszahlen verifiziert waren. Sie vermögen
hingegen keine Zweifel an der Verlässlichkeit der späteren, hier massgebenden
Auswertungen zu begründen. Die vom Beschwerdeführer zitierte Äusserung des
Regierungsrates, "die Anzahl angezeigter freier Plätze war meist höher als in
Wirklichkeit verfügbar" bezieht sich, wie sich ohne weiteres aus dem Kontext
des Votums ergibt, auf die Auswertungen "in den ersten Betriebsjahren", d.h.
in der Zeit vor Juli 2003 (Beschwerdebeilage 13; vgl. dazu auch die
zutreffenden Ausführungen in der Vernehmlassung des Sicherheitsdepartements
Ziff. III/c, S. 7 ff.).
Unter diesen Umständen kann nicht im Sinne von Art. 105 OG von einer
willkürlichen oder unvollständigen Sachverhaltsfeststellung gesprochen
werden.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer macht "aushilfsweise" eine Verletzung seines
Anspruches auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend. Diese erblickt
er darin, dass die Vorinstanz seinen erheblichen Beweisantrag auf Beizug
weiterer Unterlagen betreffend das Permanente Parkleitsystem nicht
berücksichtigt habe.

4.2 Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern welche weiteren Unterlagen
die vorliegenden Auswertungen des Permanenten Parkleitsystems in Frage
stellen müssten und insoweit unter dem Gesichtspunkt des Anspruches auf
Gewährung des rechtlichen Gehörs für die Feststellung des Sachverhaltes
erheblich wären (vgl. BGE 129 II 497 E. 2.2, mit Hinweisen). Nachdem die
Vorinstanz ohne Willkür auf die vorhandenen Auswertungen abstellen durfte,
liegt im Verzicht auf den Beizug irgendwelcher weiterer Unterlagen keine
Verletzung des Gehörsanspruches des Beschwerdeführers.

5.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der
Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art.
156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Sicherheitsdepartement und dem
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt sowie dem Bundesamt für Strassen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Oktober 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: