Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.237/2006
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{T 0/2}
2A.237/2006 /bru

Urteil vom 9. Januar 2007
Zweite öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Hatzinger.

X._______,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Markus Haas,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Thurgau, Rechtsabteilung, Schlossmühlestrasse
15,
8510 Frauenfeld.

Sicherstellungsverfügung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Sicherstellungsverfügung der
Steuerverwaltung
des Kantons Thurgau vom 22. März 2006.

Sachverhalt:

A.
Am 22. März 2006 verfügte die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau, dass
X._______, deutscher Staatsangehöriger, zur Deckung der direkten Bundessteuer
der Jahre 1998 bis 2005 einen Betrag von Fr. 140'619.20 zuzüglich
Verfahrens-, Arrest- und Betreibungskosten wegen Steuergefährdung
sicherzustellen habe. Die Sicherstellung sei durch Geld, Hinterlegung
sicherer marktgängiger Wertschriften, Grundpfand oder Bankbürgschaft zu
leisten. Zur Begründung wurde angeführt, dass Verkaufsbemühungen für die von
X._______ selbst genutzte, eigene Liegenschaft in Weinfelden TG stattgefunden
hätten. Mit seinem Ausscheiden aus einer in der Ostschweiz domizilierten
Gesellschaft sei der Verbleib in der Schweiz fraglich. Zudem sei die
Steuererklärung 2004 nicht eingereicht worden.

B.
Gegen diese Sicherstellungsverfügung hat X._______ am 1. Mai 2006 beim
Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, die
angefochtene Verfügung aufzuheben.

Die Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde abzuweisen. In Replik und
Duplik halten die Parteien an ihren Anträgen fest. Die Eidgenössische
Steuerverwaltung beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da
die angefochtene Verfügung vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren
noch nach dem Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG; Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Sicherstellungsverfügung der
kantonalen Steuerverwaltung ist zulässig; die Änderung von Art. 169 Abs. 3
des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG;
SR 642.11; Fassung gemäss Anhang Ziff. 57 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Januar 2007 [VGG; SR 173.32]) ist hier noch
nicht anwendbar (vgl. Art. 49 und 53 Abs. 1 VGG). Der Beschwerdeführer ist
als direkter Adressat der Verfügung zur Beschwerde berechtigt (Art. 103 lit.
a OG).

1.3 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von
Bundesrecht, einschliesslich Überschreiten oder Missbrauch des Ermessens,
gerügt werden (Art. 104 lit. a OG). Da in diesem Fall als Vorinstanz keine
richterliche Behörde entschieden hat, kann das Bundesgericht auch die
Feststellung des Sachverhalts frei überprüfen (vgl. Art. 104 lit. b in
Verbindung mit Art. 105 OG). Dabei kann es auch auf neue Tatsachen abstellen,
selbst wenn diese nach dem angefochtenen Entscheid eingetreten sind,
eingeschlossen solche, die im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels
vorgetragen worden sind (BGE 113 Ib 327 E. 2b S. 331; vgl. auch Urteil
2A.388/2005 vom 2. März 2006, E. 1.2).

2.
2.1 Nach Art. 169 Abs. 1 DBG kann die kantonale Verwaltung die Sicherstellung
der direkten Bundessteuer bereits vor deren rechtskräftigen Festsetzung
verlangen, namentlich wenn die Bezahlung der vom Steuerpflichtigen
geschuldeten Steuer als gefährdet erscheint. Die Sicherstellungsverfügung
gibt den sicherzustellenden Betrag an und ist sofort vollstreckbar.

2.2 Eine besondere Handlungsweise, ein "Verhalten" des Steuerpflichtigen, das
sich auf die Bezahlung der Steuerforderung nachteilig auswirken könnte,
verlangt Art. 169 DBG nicht. Es genügt, dass die Bezahlung der
Steuerforderung objektiv aufgrund der gesamten Umstände gefährdet erscheint.
Das ist etwa der Fall, wenn die steuerpflichtige Tätigkeit in einer Weise
ausgestaltet ist, die es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, sich durch
Verschiebung von Vermögenswerten namentlich ins Ausland der
Steuervollstreckung zu entziehen (StR 57/2002 S. 336, 2A.380/2001, E. 2.1),
oder wenn der Steuerpflichtige den Veranlagungsbehörden gegenüber
systematisch seine Einkommens- und Vermögenssituation verschleiert (ASA 66
S. 479 E. 2; 65 S. 641 E. 4a; StR 59/2004 S. 40, 2A.560/2002, E. 4.1). Bei
der Beurteilung der Gefahr, dass der Steuerpflichtige sich seiner
Steuerpflicht entzieht, kommt der leichten Verwertbarkeit und
Verschiebbarkeit des vorhandenen Vermögens erhebliche Bedeutung zu. Als Indiz
für eine Steuergefährdung kann auch das bisherige Verhalten des
Steuerpflichtigen im Veranlagungsverfahren - wie Stellen trölerischer
Anträge, Einreichen unvollständiger Buchhaltungen, Nichtbeibringen
eingeforderter Unterlagen - ins Gewicht fallen (StE 2006 B 99.1 Nr. 12,
2A.205/2005, E. 2.2.1; 2004 B 99.1 Nr. 11, 2A.550/2002, E. 1.1; ASA 65 S. 386
E. 3; vgl. zum Ganzen auch Urteil 2A.388/2005 vom 2. März 2006, E. 2.2).
2.3 Ob die Steuerschuld besteht, prüft das Bundesgericht im
Sicherstellungsverfahren nur provisorisch und vorfrageweise. Dasselbe gilt
für die Höhe des sicherzustellenden Betrags, der bloss glaubhaft zu machen
ist. Die nähere Abklärung der Steuerpflicht und einer allfälligen
(Mit-)Haftung des Ehegatten sowie die Festsetzung der Höhe der Abgabe bleiben
dem Hauptverfahren in der Steuersache selbst vorbehalten. Das Bundesgericht
beschränkt sich bei der Prüfung dieser Fragen auf eine Prima-facie-Würdigung
der tatsächlichen Verhältnisse. Auch die Gefährdung der Steuerforderung ist
nach dem Wortlaut des Gesetzes ("erscheint") nur glaubhaft zu machen (StE
2006 B 99.1 Nr. 12, 2A.205/2005, E. 2.2.1, mit Verweisungen).

3.
3.1 Massgebend ist demnach, ob die Bezahlung der Steuerforderung objektiv
gefährdet erscheint. Das ist hier der Fall. Zunächst ist unbestritten, dass
der Beschwerdeführer mit der Bezahlung der Steuerschulden seit mehreren
Jahren (1998 bis 2005) und für erhebliche Beträge (über Fr. 140'000.--) im
Rückstand ist. Dass er nicht in der Lage ist, diese Ausstände innert
nützlicher Frist zu begleichen, räumt der Beschwerdeführer selber ein; in der
Replik führt er aus, sein Wille, die Steuerschulden zu begleichen, sei seit
jeher vorhanden, doch habe sich seit dem Einbruch seiner Einkommenslage
(Erwerbseinkommen 2002: Fr. 352'522.--, 2003: Fr. 127'663.--, 2004: Fr.
91'461.--) die Möglichkeit einer Rückzahlung als sehr schwierig gestaltet.
Schon deswegen ist die Gefährdung zu bejahen.

Dass er einzelne Zahlungen geleistet und mit der Steuerverwaltung für
bestimmte Ausstände Abzahlungsraten vereinbart hat, ändert nichts daran, dass
hohe Steuerausstände (ca. Fr. 122'700.--) bestehen und der Zahlungseingang
nur schleppend erfolgt; abgesehen davon wurde der vom Beschwerdeführer
erwähnte Zahlungsplan am 26. Juni 2006 und damit erst nach dem Erlass der
Sicherstellungsverfügung vom 22. März 2006 vereinbart. Im Übrigen hat der
Beschwerdeführer die damals abgemachten Zahlungen (je Fr. 2'000.-- für Juli,
August und September 2006 betreffend das Steuerjahr 2002) nicht geleistet,
wie sich aus den Duplikbeilagen der Kantonalen Steuerverwaltung ergibt.

3.2 Wenn der Beschwerdeführer in dieser von ihm selber als schwierig
bezeichneten Situation sein Wohnhaus zum Verkauf ausschrieb, durfte darin ein
Indiz dafür erblickt werden, dass er sein Vermögen ins Ausland verschieben
oder er selber auswandern könnte (vgl. auch Urteil 2A.170/1999 vom 8.
November 1999, E. 5a), zumal er in seinem Heimatland Deutschland über
Grundeigentum verfügt, was eine Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland
erleichtern würde.

Darin liegt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kein Verstoss gegen
das im Freizügigkeitsabkommen mit der EU (Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen
der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit
[FZA; SR 0.142.112.681]) enthaltene Diskriminierungsverbot (Art. 2 FZA; vgl.
dazu BGE 130 I 26 E. 3 S. 33 ff.); der gleiche Sicherstellungsgrund könnte
auch einem Schweizer entgegengehalten werden, der Anstalten trifft, sein
Grundeigentum in der Schweiz zu veräussern, und von dem angesichts seiner
Steuerschulden zu befürchten ist, dass er sich ins Ausland absetzt, wo er
ebenfalls über Grundeigentum verfügt (Urteil 2A.330/1997 vom 12. Mai 1998,
E. 6; vgl. auch ASA 45 S. 40 E. 3 betreffend die Verrechnungssteuer).

3.3 Dass der Beschwerdeführer mit der Einreichung der Steuererklärung 2004
säumig war, durfte im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls berücksichtigt
werden; seine Behauptung, er habe die Steuererklärung bereits im September
2005 eingereicht, bleibt unbelegt, während die Steuerverwaltung ihre
Sachdarstellung immerhin auf eine Telefonnotiz vom 12. April 2006 stützen
kann, wonach der Beschwerdeführer diese Steuererklärung (demnächst)
einreiche.

3.4 Der weitere Einwand des Beschwerdeführers, die Sicherstellung durch
Grundpfand sei in Art. 169 Abs. 2 DBG nicht ausdrücklich vorgesehen, trifft
zwar zu. Das schadet ihm aber nicht, denn diese Art der Sicherstellung wird
ihm nicht vorgeschrieben; er kann die Sicherstellung auch durch Geld,
Hinterlegung sicherer marktgängiger Wertschriften oder Bankbürgschaft leisten
(vgl. den Wortlaut von Art. 169 Abs. 2 DBG), worauf in der
Sicherstellungsverfügung ebenfalls hingewiesen wird; mit der Erwähnung des
Grundpfands wurde ihm daher bloss eine zusätzliche Sicherstellungsmöglichkeit
eingeräumt. Im Übrigen übersieht der Beschwerdeführer, dass die
Sicherstellungsverfügung als Arrestbefehl gilt (Art. 170 Abs. 1 DBG). Im
Rahmen des Arrestvollzugs, der nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
bildet (vgl. auch ASA 65 S. 641 E. 5c), durfte die Liegenschaft des
Beschwerdeführers unabhängig von der Formulierung der
Sicherstellungsverfügung mit einer Verfügungsbeschränkung belegt werden (vgl.
Art. 274 ff. SchKG).

3.5 Die Höhe der Sicherstellung wird nicht beanstandet, weshalb sich weitere
Ausführungen dazu erübrigen.

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich demnach als unbegründet und
ist daher abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten dem
unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 153 und 153a OG). Eine Parteientschädigung ist nicht auszurichten
(Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Steuerverwaltung des Kantons
Thurgau sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Januar 2007

Im Namen der Zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: