Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.234/2006
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2006
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2006


{T 0/2}
2A.234/2006 /bru

Urteil vom 23. Januar 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Matter.

A.X._______,
B.X._______,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Armin Sahli,

gegen

Kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer des Kantons Freiburg,
Postfach, 1701 Freiburg.

Sicherstellungsverfügung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Sicherstellungsverfügung der
Kantonalen Verwaltung für die direkte Bundessteuer des Kantons Freiburg vom
29. März 2006.

Sachverhalt:

A.
A. X._______ arbeitet für die Z._______ AG in Schmitten FR und ist Eigentümer
eines Einfamilienhauses in Tafers, das er mit seiner Frau und seinen zwei
Kindern bewohnte. In einem Bericht vom 19. Dezember 2005 kam die Kantonale
Verwaltung für die direkte Bundessteuer des Kantons Freiburg zum Schluss,
A.X._______ habe jahrelang für Verkäufe in die Länder der ehemaligen UdSSR
eine Provision von vier Prozent erhalten, die er gegenüber den Schweizer
Steuerbehörden nicht deklariert habe. Daraufhin wurde ein Nach- und
Strafsteuerverfahren eingeleitet.

Am 29. März 2006 erliess die Steuerverwaltung eine Sicherstellungsverfügung
in der Höhe von Fr. 712'926.40 gegenüber den Eheleuten X._______, nachdem
diese im Dezember 2005 nach Russland gereist und in der Folge nicht in die
Schweiz zurückgekehrt waren. Die Behörden gingen davon aus, die Ehegatten
hätten ihren Wohnsitz in der Schweiz aufgegeben; zudem sei die
Steuerforderung gefährdet. Gestützt auf die Verfügung wurden Vermögenswerte
der Pflichtigen verarrestiert.

B.
Am 27. April 2006 haben A.X._______ und B.X._______
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag,
die Sicherstellungsverfügung sowie die Arrestbefehle aufzuheben.

Die kantonale Steuerverwaltung schliesst auf Abweisung der Beschwerde. In
einem zweiten Schriftenwechsel haben die Parteien an ihrem jeweiligen
Rechtsstandpunkt festgehalten. Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt
Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da
die angefochtene Verfügung vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren
noch nach dem Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG; Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Gegen eine Sicherstellungsverfügung für die direkte Bundessteuer kann der
Steuerpflichtige innert 30 Tagen nach Zustellung
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erheben (Art. 169 Abs. 3 des
Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR
642.11]). Die neue Fassung dieser Bestimmung, wonach
Sicherstellungsverfügungen bei der kantonalen Steuerrekurskommission
angefochten werden können, ist hier noch nicht anwendbar (vgl. Art. 53 Abs. 1
u. Anhang Ziff. 57 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in
Kraft seit 1. Januar 2007 [VGG; SR 173.32]). Die Beschwerdeführer sind als
Adressaten der Sicherstellungsverfügung zur Erhebung der Beschwerde
legitimiert (Art. 103 lit. a OG).

1.3 In ihrer Vernehmlassung vom 7. Juni 2006 und ihrer Duplik vom 29.
September 2006 hat die kantonale Steuerverwaltung ihre Sachdarstellung in
wesentlichen Punkten ergänzt. Es handelt sich um Tatsachen, die im Zeitpunkt,
da die angefochtene Verfügung erging, zwar bereits bestanden, jedoch noch
nicht bekannt waren. Solche Noven sind zulässig, weil das Bundesgericht hier
den Sachverhalt von Amtes wegen prüfen kann, nachdem keine richterliche
Behörde als Vorinstanz entschieden hat (vgl. Art. 104 lit. b in Verbindung
mit Art. 105 Abs. 1 und 2 OG; siehe dazu auch BGE 122 II 1 E. 1b; 118 II 243
E. 3b; 113 Ib 327 E. 2b; StR 2002 336 E. 1.2; StE 2004 B 99.1 Nr. 11 E. 1.2;
je mit Hinweisen).

2.
2.1 Nach Art. 169 Abs. 1 DBG kann die kantonale Verwaltung für die direkte
Bundessteuer auch vor der rechtskräftigen Feststellung des Steuerbetrags
jederzeit Sicherstellung verlangen, wenn der Steuerpflichtige keinen Wohnsitz
in der Schweiz hat oder die Bezahlung der von ihm geschuldeten Steuer als
gefährdet erscheint.

Die Gefährdung der Steuerforderung ist nach dem Wortlaut des Gesetzes somit
nur glaubhaft zu machen. Eine besondere Handlungsweise, ein "Verhalten" des
Steuerpflichtigen, das sich auf die Bezahlung der Steuerforderung nachteilig
auswirken könnte, verlangt Art. 169 DBG nicht. Es genügt, dass die Bezahlung
der Steuerforderung objektiv aufgrund der gesamten Umstände gefährdet
erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn die steuerpflichtige Tätigkeit in
einer Weise ausgestaltet ist, die es dem Betroffenen ermöglicht, sich durch
Verschiebung von Vermögenswerten namentlich ins Ausland der
Steuervollstreckung zu entziehen (vgl. StR 2002 336 E. 2.1 sowie BGE 108 Ib
44 E. 3), oder wenn der Pflichtige den Veranlagungsbehörden gegenüber
systematisch seine Einkommens- und Vermögenssituation verschleiert (vgl. ASA
66 479 E. 2), bzw. wenn er Bankkonten mit beträchtlichen Vermögenswerten in
seinen Steuererklärungen nicht deklariert (vgl. StE 2004 B 99.1 Nr. 11 E. 2).
Bei der Beurteilung der Steuergefährdung kommt der leichten Verwertbarkeit
und Verschiebbarkeit des vorhandenen Vermögens erhebliche Bedeutung zu (vgl.
StR 2004 40 E. 4.1).
2.2 Ob der von der Steuerverwaltung anfänglich in den Vordergrund gerückte
Sicherstellungsgrund des fehlenden schweizerischen Wohnsitzes hier gegeben
ist, kann dahingestellt bleiben. Ebenfalls nicht weiter zu prüfen ist, ob die
Abreise der Beschwerdeführer im Dezember 2005 erfolgte, um nach der Eröffnung
des Strafverfahrens einer Verhaftung zu entgehen. Auf jeden Fall haben die
Behörden eine Steuergefährdung rechtsgenüglich dargetan. Aus dem Bericht vom
19. Dezember 2005 geht hervor, dass die dem Beschwerdeführer ausbezahlten
Kommissionen von 4% diesem persönlich zukamen und daraus entgegen dessen
Darstellung nicht weitere Unkosten bzw. Unterkommissionen bezahlt werden
mussten. Somit hatte die Steuerverwaltung genügenden Grund zur Annahme, dass
der Beschwerdeführer sein Einkommen über längere Zeit unkorrekt deklariert
haben könnte. Dieser Verdacht hat sich inzwischen bestätigt, sind doch im
Laufe der Untersuchung verschiedene Bankkonten zum Vorschein gekommen, deren
Existenz der Beschwerdeführer den Steuerbehörden verheimlicht hatte und von
denen noch im Sommer 2006 bedeutende Beträge bar bezogen worden sind. Diese
nachträglichen Erkenntnisse sind vom Beschwerdeführer eingestanden worden.
Sie lassen seine Bestreitungen bzw. seine eigene Sachdarstellung (namentlich
in Bezug auf die Provisionen) generell als unglaubhaft erscheinen und dürfen
nach der Praxis im vorliegenden Verfahren mitberücksichtigt werden (vgl.
E. 1.3 oben).

Gesamthaft haben die Steuerbehörden hinreichend glaubhaft gemacht, dass der
Beschwerdeführer jahrelang und systematisch einen beträchtlichen Teil seiner
Einkünfte nicht deklariert und umfangreiche Vermögenswerte auf verschiedenen
Bankkonten verheimlicht hat. Für eine Gefährdung der Steuerforderung sprechen
weiter die unübersichtlichen Aufenthaltsverhältnisse und die unter den
gegebenen Umständen nicht völlig von der Hand zu weisende Fluchtgefahr.
Angesichts seiner internationalen Beziehungen würde es dem Beschwerdeführer
nicht schwerfallen, sein Vermögen aus der Schweiz abzuziehen. Daran ändert
auch nichts, dass er hier über unbewegliches Eigentum verfügt; jedenfalls
sind keine besonders schwer verwertbaren Gegenstände vorhanden (vgl. StE 2006
B 99.1 Nr. 12 E. 2.2.2 u. unveröffentlichtes Bundesgerichtsurteil 2A.170/1999
vom 8. November 1999 i.S. Z. E. 5c/bb).

2.3 Das Bundesgericht überprüft den sicherzustellenden Betrag nur
provisorisch und vorfrageweise. Die näheren Abklärungen und die Festsetzung
der Abgabe sind dem Veranlagungsverfahren vorbehalten (vgl. StE 2004 B 99.1
Nr. 11 E. 4; ASA 67 722 E. 3b; 66 479 E. 2, mit weiteren Hinweisen). Im
Rahmen der hier vorzunehmenden "Primafacie-Prüfung" der tatsächlichen
Verhältnisse ist die von der Veranlagungsbehörde vorgenommene Berechnung der
mutmasslichen Steuerschuld (inkl. Nachsteuern und Bussen) hinreichend
glaubhaft gemacht. Dagegen wird nichts vorgebracht, was diese Berechnung als
offensichtlich unzutreffend bzw. übertrieben erscheinen lassen würde.

2.4 Was die Beschwerdeführer sonst noch gegen Bestand und Umfang der
Steuergefährdung einwenden, vermag am Ergebnis nichts zu ändern:

Namentlich handelte die Steuerverwaltung nicht wider Treu und Glauben. Wohl
hat der Beschwerdeführer die von ihm verlangte Erklärung, seine hiesige
Liegenschaft nicht zu belasten und die bei einer bestimmten Schweizer Bank
hinterlegten Kapitalien bestehen zu lassen, abgegeben. Die Steuerverwaltung
hatte ihm jedoch nie zugesichert, im Falle der Abgabe dieser Erklärung auf
eine Sicherstellung zu verzichten.

Ebenso wenig lässt sich daraus ableiten, dass die Steuerverwaltung vorerst
ein auf die Bestimmungen des SchKG gestütztes Arrestbegehren gestellt hatte,
das sie in der Folge wieder zurückzog. Entscheidend ist allein, ob die
Voraussetzungen für eine Sicherstellungsverfügung im Sinne von Art. 169 DBG
(die gemäss Art. 170 DBG als Arrestbefehl gilt) gegeben waren. Andererseits
bildet der Vollzug des Arrestes nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
(vgl. RDAT 1998 II 20t 343 E. 2). Somit ist nicht hier zu prüfen, ob - wie
die Beschwerdeführer behaupten - all ihre Vermögenswerte blockiert und ihnen
nicht einmal die zum Leben erforderlichen minimalen finanziellen Mittel
belassen worden seien.

Schliesslich kann der Beschwerdeführer sich nicht auf das gegenüber seinem
Arbeitgeber ergangene "Ruling" der Eidgenössischen Steuerverwaltung berufen.
Der Umstand, dass die streitigen Provisionen auf Seiten des Arbeitsgebers
keine geldwerten Leistungen darstellen und damit nicht der Verrechnungssteuer
unterliegen, besagt noch nicht, dass sie beim Empfänger kein Einkommen
bilden. Im Übrigen wurde das Ruling sistiert, nachdem die Eidgenössische
Steuerverwaltung vom Hinterziehungsverfahren Kenntnis erhalten hatte.

3.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist
abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer
solidarisch kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 u. 7 OG in Verbindung mit Art.
153 und 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 10'000.-- wird den Beschwerdeführern unter
Solidarhaft auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern und der Kantonalen Verwaltung für
die direkte Bundessteuer des Kantons Freiburg sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Januar 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: