Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.223/2006
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{T 0/2}
2A.223/2006 /vje

Urteil vom 10. Juli 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Müller,
Gerichtsschreiber Feller.

Interprofession du Gruyère (IPG),
La Maison du Gruyère, 1663 Pringy,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Patrik Gruber, Postfach 652, 1701 Freiburg,

gegen

1.X.________,
2.Y.________,
3.Milchverwertungsgenossenschaft A.________ und Umgebung, Beschwerdegegner,
alle vertreten durch Fürsprecher Dr. Andreas Jost,
Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern, 3011 Bern,
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Speichergasse 12, 3011 Bern.

Vorsorgliche Massnahmen (Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung für
Gruyèrekäse),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern
vom 30. März 2006.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Auf Gesuch der Interprofession du Gruyère trug das Bundesamt für
Landwirtschaft mit Verfügung vom 6. Juli 2001 die Bezeichnung "Gruyère" als
geschützte Ursprungsbezeichnung im Register gemäss Art. 13 der Verordnung vom
28. Mai 1997 über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und geographischen
Angaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete
landwirtschaftliche Erzeugnisse (GUB/GGA-Verordnung; SR 910.12) ein. Die
Interkantonale Zertifizierungsstelle (Organisme intercantonal de
certification, OIC) erteilte X.________ und Y.________, welche Inhaber der
Käserei A.________ sind, am 2. Mai 2002 das Zulassungszertifikat für Gruyère,
befristet bis zum 30. April 2004. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass
die Interprofession du Gruyère ihnen, unter Aufsicht der
Zertifizierungsstelle, Kaseinmarken als Identitätsmarken abgab, die auf den
zertifizierten Käsen angebracht werden.

1.2 X.________ und Y.________ sowie die Milchverwertungsgenossenschaft
A.________ und Umgebung stellten am 16. Juli 2004 beim Kantonalen
Laboratorium Bern den Antrag, es sei festzustellen, dass sie für den in der
Käserei A.________ aus den täglich einmal eingelieferten Milchen
hergestellten Gruyèrekäse die Bezeichnung "Gruyère AOC" oder "Gruyère" bzw.
"Greyerzer" verwenden dürfen. Das Kantonale Laboratorium verfügte am 7.
Dezember 2004, dass die Käserei bis Ende Juli 2005 im Besitz des Zertifikats
der zuständigen Zertifizierungsstelle zur Verwendung der eingetragenen
Ursprungsbezeichnung sein müsse und dass ab Ende Juli 2005 nur noch Gruyère
abgegeben werden dürfe, der die Voraussetzungen von Art. 18 und 40 des
Pflichtenheftes für Greyerzerherstellung erfülle; erforderlich ist danach
insbesondere, dass die Milchen zweimal pro Tag eingeliefert werden. Es
bestätigte seine Verfügung mit Einspracheentscheid vom 4. Januar 2005. Die
Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern wies die gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde am 24. November 2005 ab, soweit sie
darauf eintrat. X.________ und Y.________ sowie die
Milchverwertungsgenossenschaft A.________ und Umgebung gelangten am
27. Dezember 2005 mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern.
In der Sache stellten sie den Antrag auf Aufhebung des Direktionsentscheids
sowie das Begehren auf Gutheissung des vorstehend wiedergegebenen, beim
Kantonalen Laboratorium eingereichten Feststellungsbegehrens. Zugleich
ersuchten sie um Erlass einer gegen die Interprofession du Gruyère
gerichteten vorsorglichen Massnahme des Inhalts, diese sei zu verpflichten,
unverzüglich und während der Dauer des vor dem Verwaltungsgericht hängigen
Beschwerdeverfahrens weitere Identitätsmarken (Kaseinmarken) an die Inhaber
der Käserei A.________ abzugeben, auch wenn sämtliche Genossenschafter die
Milchen täglich einmal einlieferten.

1.3 Die Präsidentin der verwaltungsrechtlichen Abteilung des
Verwaltungsgerichts entsprach dem Gesuch um vorsorgliche Massnahmen am 29.
Dezember 2005 superprovisorisch. In der Folge wurde der Interprofession du
Gruyère Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Diese schloss auf Abweisung
des Gesuchs; im Übrigen verzichtete sie auf eine Beteiligung am
Beschwerdeverfahren in der Sache selbst. Mit Verfügung vom 30. März 2006
hiess der Instruktionsrichter der verwaltungsrechtlichen Abteilung des
Verwaltungsgerichts das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen gut und
verpflichtete die Interprofession du Gruyère, für die Dauer des
Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht weiterhin Identitätsmarken
(Kaseinmarken) an X.________ und Y.________ abzugeben, auch wenn sämtliche
Genossenschafter die Milchen täglich einmal einliefern (Dispositiv Ziff. 1).
Die Kosten des Gesuchsverfahrens um vorsorgliche Massnahme vor dem
Verwaltungsgericht, bestimmt auf eine Pauschalgebühr von Fr. 1'000.--,
auferlegte er der Interprofession du Gruyère (Dispositiv Ziff. 2), welche er
zudem zum Ersatz der auf Fr. 1'500.-- festgesetzten Parteikosten von
X.________ und Y.________ sowie der Milchverwertungsgenossenschaft A.________
und Umgebung verpflichtete (Dispositiv Ziff. 3). Weiter wurde bestimmt, dass
die Interprofession du Gruyère am Beschwerdeverfahren vor dem
Verwaltungsgericht weder als Partei noch als Beigeladene beteiligt werde
(Dispositiv Ziff. 4). Schliesslich wurde der Interprofession du Gruyère Frist
angesetzt, um dem Verwaltungsgericht Fragen insbesondere zu bestimmten
Aspekten des Pflichtenhefts "Gruyère" zu beantworten (Dispositiv Ziff. 5).

1.4 Mit unter Berücksichtigung des Fristenstillstandes über Ostern (Art. 34
Abs. 1 lit. a OG) rechtzeitig innert der 10-tägigen Beschwerdefrist gemäss
Art. 106 Abs. 1 OG erhobenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 24. April 2006
beantragt die Interprofession du Gruyère dem Bundesgericht, die
Zwischenverfügung vom 30. März 2006 aufzuheben und das Gesuch um Erlass einer
vorsorglichen Massnahme (im vorinstanzlichen Verfahren) abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht, welches die Akten eingereicht hat, beantragt
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. X.________ und Y.________ sowie
die Milchverwertungsgenossenschaft A.________ und Umgebung beantragen, auf
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten, eventuell sie
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.

1.5 Mit dem vorliegenden Urteil wird das am 12. Mai 2006 gestellte Gesuch um
aufschiebende Wirkung, welches mit Verfügung vom 16. Mai 2006
superprovisorisch abgewiesen worden ist, gegenstandslos.

2.
2.1 Gemäss Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Der
Hauptantrag der Beschwerdeführerin lautet auf Aufhebung der angefochtenen
Zwischenverfügung. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass sich die
Beschwerde bloss gegen Dispositiv Ziff. 1 sowie gegen Dispositiv Ziff. 2 und
3 richtet.

2.2 Mit Dispositiv Ziff. 1 wird die Beschwerdeführerin verpflichtet,
vorübergehend, d.h. während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens, weiterhin Kaseinmarken an die Beschwerdeführer 1 und 2 abzugeben.
Die Rechtsfolge, solche Identitätsmarken abgeben zu müssen, ergäbe sich bei
Gutheissung der vor dem Verwaltungsgericht hängigen Beschwerde in der Sache
selber. Das Verwaltungsgericht hat indessen entschieden, die
Beschwerdeführerin am bei ihm hängigen Beschwerdeverfahren unter keinem Titel
zu beteiligen. Diese erhebt hinsichtlich der entsprechenden Dispositiv Ziff.
4 keine Rügen. Dies stimmt überein mit der von ihr vor Verwaltungsgericht
abgegebenen Erklärung, am Hauptverfahren nicht teilnehmen zu wollen, da sie
selber keine Entscheidkompetenzen habe, sondern nur Ausführungsorgan der
interkantonalen Zertifizierungsstelle sei. Es fehlt ihr mithin nach ihrer
eigenen Einschätzung an einem Rechtsschutzinteresse bezüglich der
Feststellung, die Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung für in der
Käserei A.________ hergestellten Käse sei rechtmässig (oder rechtswidrig).
Sie rügt nun vor Bundesgericht, mit der angefochtenen vorsorglichen Massnahme
ermögliche das Verwaltungsgericht die Produktion von Gruyère, der nicht den
Produktions- und Qualitätskriterien für die Verwendung der
Ursprungsbezeichnung entspreche. Es bleibt unerfindlich, inwiefern sie ein
Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung dieser zeitlich bloss begrenzt
wirksamen Massnahme haben könnte, wenn sie nach eigenem Bekunden kein
Interesse am Verfahren hat, das im Ergebnis unter anderem definitiv eine
Verpflichtung zur Abgabe der fraglichen Marken zeitigen kann.
Zur Anfechtung von Dispositiv Ziff. 1 der angefochtenen Verfügung ist die
Beschwerdeführerin somit nicht legitimiert.

2.3 Beschwert ist die Beschwerdeführerin durch die Kostenauflage bzw. durch
die Verpflichtung, den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung zu
bezahlen. Insofern ist sie - da sie nicht nur den Kostenpunkt anficht (vgl.
BGE 122 II 274 E. 1b/bb S. 278) - grundsätzlich zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert. Ob diesbezüglich die weiteren
Eintretensvoraussetzungen zur Anfechtung von Zwischenverfügungen (wie das
Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils; vgl. Art. 97 OG in
Verbindung mit Art. 5 und 45 VwVG) erfüllt sind, kann offen bleiben, weil die
Beschwerde in diesem Punkt offensichtlich unbegründet ist.
Die Beschwerdeführerin ist am vorinstanzlichen Hauptverfahren nicht
beteiligt. Nun wurde ihr Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, und sie
hat sich dem Gesuch ausdrücklich widersetzt, obwohl sie gleichzeitig ihr
Desinteresse am Hauptverfahren erklärte. Es liegt auf der Hand, dass gerade
die fragliche Stellungnahme das Verwaltungsgericht zu einer umfassenderen
Interessenabwägung veranlasst hat, welche zu Ungunsten der Beschwerdeführerin
ausfiel. Inwiefern die Anwendung von Art. 108 Abs. 1 und 3 des bernischen
Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG), wonach die
unterliegende Partei zur Bezahlung der Verfahrenskosten und einer
Parteientschädigung verpflichtet werden kann, bzw. eine darauf gestützte
separate Kostenregelung für das Gesuchsverfahren im Grundsatz gegen
Bundes(verfassungs)recht verstossen könnte, ist nicht erkennbar. Die
Interessenabwägung im Gesuchsverfahren fiel zu Ungunsten der
Beschwerdeführerin aus, die insoweit unterlegen ist. Nachdem sie gestützt auf
ihre Prozesserklärung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde bezüglich der
Rechtmässigkeit der vorsorglichen Massnahme nicht legitimiert ist, fällt
ausser Betracht, allein im Hinblick auf die Anfechtung dieser Kostenregelung
umfassend zu prüfen, wie es sich damit verhält. Vorliegend steht jedenfalls
fest, dass die getroffene Massnahme im Rahmen dessen bleibt, was im
Hauptverfahren als Ergebnis möglich wäre; die Auffassung der
Beschwerdeführerin, die Anordung des Verwaltungsgerichts sei inhaltlich
unzulässig, trifft schon darum nicht zu. Im Übrigen verkennt die
Beschwerdeführerin, welchen eingeschränkten Prüfungsmassstab die über
vorsorgliche Massnahmen befindende Behörde anzuwenden hat und wie es sich mit
der Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung von Entscheiden über
vorsorgliche Massnahmen verhält (vgl. BGE 130 II 149 E. 2.2 S. 155). Die
Erwägungen der Vorinstanz zu ihrer Interessenabwägung geben jedenfalls keinen
Anlass, die Beschwerdeführerin nicht im weiten Sinne als unterliegende Partei
im Gesuchsverfahren zu betrachten; sie durfte willkürfrei kosten- und
entschädigungspflichtig erklärt werden.

Schliesslich lässt sich angesichts des im Gesuchsverfahren entstandenen
Aufwands weder die Höhe der Pauschalgebühr noch diejenige der
Parteientschädigung beanstanden.

2.4 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist, soweit die Beschwerdeführerin dazu
legitimiert ist und darauf eingetreten werden kann, offensichtlich
unbegründet und abzuweisen.

2.5 Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten
der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und
153a OG). Zudem hat sie den Beschwerdegegnern für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die drei Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 2'000.-- prozessual zu
entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, sowie der Gesundheits- und Fürsorgedirektion
des Kantons Bern und dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Juli 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: