Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.219/2006
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{T 0/2}
2A.219/2006 /leb

Urteil vom 12. September 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

X. ________,
Beschwerdeführerin,
handelnd durch Y.________, dieser vertreten
durch Rechtsanwalt Eduard M. Barcikowski,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zürich,
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, 2. Kammer,
Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.

Familiennachzug,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich
vom 1. März 2006.

Sachverhalt:

A.
Der aus dem ehemaligen Serbien-Montenegro stammende Y.________(geb. 1968)
heiratete 1989 in seiner Heimat eine Landsfrau, mit der er die Tochter
X.________ (geb. 1990) gezeugt hat. In jenen Jahren arbeitete er jeweils als
Saisonnier in der Schweiz. 1992 erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung. Seine
Ehe wurde am 29. April 1993 geschieden und das Sorgerecht für die Tochter
X.________ auf deren Mutter übertragen. X.________ wuchs bei der Mutter und
der Grossmutter mütterlicherseits in Serbien auf. Am 19. April 2005 teilte
das Gemeindegericht in Novi Pazar das Sorgerecht für X.________ neu dem Vater
zu.

Seit 2001 besitzt Y.________ das schweizerische Bürgerrecht. Er ist seit Juli
1994 wieder verheiratet und hat mit seiner zweiten Ehefrau zwei Söhne (geb.
1995 und 2001). Auch die Mutter von X.________ hat in Serbien wieder eine
Familie.

B.
Mit Verfügung vom 23. Juni 2005 wies die Direktion für Soziales und
Sicherheit des Kantons Zürich (Migrationsamt) das Gesuch von Y.________ vom
11. Mai 2005 um Familiennachzug seiner Tochter X.________ ab. Zur Begründung
führte das Amt im Wesentlichen aus, Y.________, der seit mindestens 13 Jahren
getrennt von seiner Tochter lebe, könne keine vorrangige Beziehung zu ihr
nachweisen. Er lege auch keine stichhaltigen Gründe dar, welche eine
Veränderung der bisherigen Betreuungsverhältnisse gebieten würden.

Ein gegen diese Verfügung erhobener Rekurs beim Regierungsrat des Kantons
Zürich blieb erfolglos, und am 1. März 2006 wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich die gegen den regierungsrätlichen Beschluss vom 9. November
2005 erhobene Beschwerde ebenfalls ab.

C.
X.________ führt mit Eingabe vom 21. April 2006 Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich vom 1. März 2006 aufzuheben und den Familiennachzug zu
bewilligen.

Die Staatskanzlei des Kantons Zürich beantragt - für den Regierungsrat -
Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schliesst
auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt
für Migration stellt denselben Antrag.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei
ausgeschlossen gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf
die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des
Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der
gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem
Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Damit besteht
kein Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung, es sei denn, der Ausländer
oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich hierfür auf eine
Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen (BGE 130 II 281
E. 2.1 S. 284; 128 II 145 E. 1.1.1 S. 148 mit Hinweisen).

1.2 Ledige ausländische Kinder unter 18 Jahren von Schweizer Bürgern haben
gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Analogie zu Art. 17 Abs. 2
ANAG Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammen
wohnen (BGE 118 lb 153; 129 I 249 E. 1.2 S. 252).

Die Beschwerdeführerin ist Tochter eines Schweizer Bürgers. Dieser hat am 11.
Mai 2005 um Familiennachzug ersucht. Die Beschwerdeführerin war zu diesem -
im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 ANAG massgeblichen - Zeitpunkt (BGE 129 II 11 E.
2 S. 13 mit Hinweis) 15 1/2 Jahre alt. Damit hat sie einen grundsätzlichen
Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist daher zulässig, und die Beschwerdeführerin ist hierzu legitimiert
(Art. 103 lit. a OG).

Da die Beschwerdeführerin auch heute noch nicht 18 Jahre alt ist, kann sie
sich im Übrigen auch auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK (Schutz des Familienlebens)
berufen, wofür nach der Rechtsprechung auf die im Zeitpunkt des
bundesgerichtlichen Entscheides gegebene Rechts- und Sachlage abzustellen ist
(BGE 129 II 11 E. 2 S. 13, 120 lb 257 E. 1f S. 262).

1.3 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die
unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat - wie hier - eine
richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an die
Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid gebunden (Art. 105 Abs. 2
OG).

1.4 Das Bundesgericht wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
das Bundesrecht von Amtes wegen an; es ist gemäss Art. 114 Abs. 1 OG an die
von den Parteien vorgebrachten Begründungen nicht gebunden und kann die
Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder
abweisen (BGE 128 II 145 E. 1.2.2 S. 150 f.; 127 II 264 E. 1b S. 268 mit
Hinweisen).

2.
2.1 Die in der Rechtsprechung zu Art. 7 und 17 ANAG entwickelten
Voraussetzungen für den nachträglichen Nachzug von Kindern sind
unterschiedlich, je nachdem ob es sich um die Vereinigung mit den gemeinsamen
Eltern oder aber mit einem getrennt lebenden Elternteil handelt. Im ersten
Fall bedarf es, unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauches, keiner besonderen
Rechtfertigung dafür, dass das Nachzugsrecht erst nachträglich geltend
gemacht wird; im zweiten Fall dagegen wird ein nachträglicher Familiennachzug
nur bewilligt, wenn besondere familiäre Gründe bzw. eine Änderung der
Betreuungssituation dies gebieten (BGE 130 II 1 E. 2.2 S. 4; 129 II 11 E. 3.1
S. 14 f.; 126 II 329 E. 2a und 3b S. 330/332).

2.2 Das Verwaltungsgericht hat vorliegend auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung zu Art.17 Abs. 2 Satz 3 ANAG und Art. 8 EMRK bei getrennten
Elternteilen Bezug genommen. Es stellte fest, dass der Vater seine Tochter
freiwillig verlassen habe, dass zu ihr keine vorrangige familiäre Beziehung
bestehe und dass keine Notwendigkeit für den Nachzug der Tochter aus ihrer
gewohnten in eine völlig fremde Umgebung gegeben sei. Zwar leide die
Grossmutter erwiesenermassen an starkem Bluthochdruck und an einer leichten
Herzschwäche. Trotz dieser Krankheit könne indessen von einer altersgerechten
Betreuung der Tochter ausgegangen werden, da das Verhältnis zu ihrer Mutter -
welche im gleichen Ort wohne - intakt sei. Da die Erziehung der Tochter auch
bisher von Mutter und Grossmutter gemeinsam wahrgenommen worden sei, vermöge
es auch keine wesentliche Rolle zu spielen, dass die Mutter inzwischen
hauptsächlich mit der Betreuung der beiden Halbgeschwister von X.________
beschäftigt sei.

2.3 Die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts zur
Anwendung und Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG bzw. von Art. 8 EMRK
sind nicht zu beanstanden. Für eine Änderung der bisherigen Verhältnisse
bestehen keine überwiegenden familiären Interessen. Die Beschwerdeführerin
hat, von Ferienaufenthalten abgesehen, nie mit ihrem Vater zusammen gelebt;
sie hat ihre sozialen Wurzeln in Serbien, spricht die dortige Sprache und
kann - im Wesentlichen - im Familienverband bleiben, in dem sie aufgewachsen
ist.

Nach dem Gesagten sind vorliegend die nach der Rechtsprechung erforderlichen
Voraussetzungen für den Familiennachzug nicht erfüllt.

3.
Die Beschwerdeführerin behauptet zwar nicht, dass sie aus dem Abkommen vom
21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und
der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681; in Kraft
getreten am 1. Juni 2002) einen Anspruch auf Familiennachzug ableiten könne;
sie stösst sich - mit Blick auf ihren Vater als Schweizer Bürger - aber an
der Inländerdiskriminierung (Schlechterstellung von Inländern gegenüber
EG-Ausländern), die dadurch entstehen kann, dass das Freizügigkeitsabkommen
nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Anwendung findet und sich aus
Drittstaaten stammende Familienangehörige von Schweizern deshalb im Inland
grundsätzlich nicht auf dieses Abkommen berufen können (vgl. dazu BGE 129 II
249 E. 4 S. 258 f.).

Der Hinweis auf die zu vermeidende Inländerdiskriminierung ist, von der
Bindung der rechtsanwendenden Behörden an das ANAG abgesehen (BGE 129 II 249
E. 5 S. 261 f.), hier schon deshalb unbehelflich, weil die nachzuziehende
Tochter in keinem anderen Vertragsstaat des Freizügigkeitsabkommens ein
Aufenthaltsrecht erworben hat und daher auch der Angehörige eines EU-Staates
aus dem genannten Abkommen keine weitergehenden Rechte ableiten könnte als
der Vater der Beschwerdeführerin als Schweizer Bürger (vgl. BGE 130 Il 1 E.
3.6 S. 9 ff., 137 E. 4.3 S. 147 f.).

4.
Nach dem Gesagten ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet
abzuweisen.

Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a
OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regierungsrat und dem
Verwaltungsgericht (2. Abteilung, 2. Kammer) des Kantons Zürich sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. September 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: