Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.206/2006
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{T 0/2}
2A.206/2006 /leb

Beschluss vom 1. September 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Müller,
Gerichtsschreiber Matter.

A. ________,
B.________,
Beschwerdeführerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Linus Jaeggi,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Postfach, 8090 Zürich,
Bezirksgericht Zürich, Haftrichter,
Postfach, 8026 Zürich.

Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b ANAG,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die
Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter,
vom 10. März 2006.

Sachverhalt:

A.
A. ________ und B.________, beide brasilianische Staatsangehörige, wurden am
9. März 2006 wegen illegaler Ausübung einer Erwerbstätigkeit (Prostitution)
zu je 30 Tagen Gefängnis mit Bewährung verurteilt, formlos weggewiesen und in
Ausschaffungshaft genommen. Zwei Tage später erfolgte ihre Heimschaffung nach
Brasilien. Auf ein Gesuch um Haftüberprüfung hin verfügte der Haftrichter des
Bezirksgerichts Zürich, nachdem die Ausschaffung vollstreckt worden sei,
erübrige sich, über die Rechtmässigkeit der Ausschaffungshaft zu befinden.

B.
Hiergegen haben A.________ und B.________ am 14. April 2006
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragen,
die haftrichterliche Verfügung aufzuheben. Zudem sei die Unrechtmässigkeit
der Ausschaffungshaft festzustellen. Eventuell sei die Sache zur neuerlichen
Beurteilung an den Haftrichter zurückzuweisen. Im Übrigen wird um
unentgeltliche Rechtspflege ersucht.

Das kantonale Migrationsamt schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Der
Haftrichter und das Bundesamt für Migration haben auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach der Ausschaffung hat ein Ausländer grundsätzlich kein aktuelles
praktisches Interesse mehr an der Überprüfung des vorgängigen Haftentscheids
(Art. 103 lit. a OG; vgl. BGE 123 II 193 E. 6b S. 209; allgemein siehe auch
BGE 125 II 86 E. 5b S. 97 sowie ZBl 105/2004 212 E. 1.2, mit weiteren
Hinweisen). Für das Bundesgericht besteht in solchen Fällen regelmässig kein
Anlass, ausnahmsweise auf dieses Erfordernis zu verzichten. Allfällige
Schadenersatzansprüche lassen das aktuelle Interesse an der Prüfung des
Haftentscheids nach der Rechtsprechung ebenfalls nicht fortbestehen, da das
Staatshaftungsverfahren insofern hinreichenden Schutz bietet, um angebliche
Rechtsverletzungen wirksam geltend zu machen (so zur Untersuchungshaft: BGE
110 Ia 140 E. 2a S. 141 ff.; zur Ausschaffungshaft statt vieler:
unveröffentlichter Beschluss vom 22. April 1998 i.S. Shala, E. 2).

2.
2.1 Gegen diese Praxis bringen die Beschwerdeführerinnen vor, auf das
Erfordernis des aktuellen Interesse müsse ausnahmsweise dann verzichtet
werden, wenn - wie hier - die Ausschaffungshaft offensichtlich unbegründet
angeordnet, danach innert zwei Tagen vollstreckt und somit bewusst der
ausnahmslos vorgeschriebenen richterlichen Haftüberprüfung innerhalb von 96
Stunden (vgl. Art. 13c Abs. 2 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931; ANAG; SR 142.20) entzogen
werde. Der Verstoss gegen Bundesrecht wiege umso schwerer, als die
Beschwerdeführerinnen bereit gewesen wären, freiwillig auszureisen. Das habe
man ihnen aber verweigert. Rechtswidrig sei im Übrigen ihr Gepäck beim
Vollzug der Ausschaffung auf 30 Kilogramm beschränkt und ihre restliche
mitgeführte Habe vernichtet worden.

2.2 Diese Argumentation vermag indessen nicht zu überzeugen:
2.2.1 Nicht näher einzugehen ist auf diejenigen Rügen, die sich auf den
Vollzug der Ausschaffung beziehen, namentlich die Vorbringen hinsichtlich des
Gepäcks. Alleiniger Streitgegenstand ist hier die Nichtüberprüfung der
Ausschaffungshaft.

2.2.2 Fehl geht im Weiteren der Vorwurf, hier sei eine klarerweise
unbegründete Ausschaffungshaft der gesetzlich vorgeschriebenen richterlichen
Überprüfung entzogen worden.

Von einer offensichtlich rechtswidrig angeordneten Ausschaffungshaft kann
schon deshalb nicht die Rede sein, weil gemäss bundesgerichtlicher Praxis bei
straffällig gewordenen Ausländern - wie vorliegend - der Haftgrund der
Untertauchensgefahr (Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG) regelmässig anzunehmen ist
(vgl. BGE 122 II 49 E. 2a S. 50 f.; 119 Ib 193 E. 2b, je mit weiteren
Hinweisen). Zudem schied, entgegen der Behauptungen in der Beschwerdeschrift,
ein freiwilliges Verlassen der Schweiz aus, weil die Betroffenen - soweit
ersichtlich - in kein anderes Land (als Brasilien) legal hätten ausreisen
können und über keine genügenden finanziellen Mittel mehr verfügten, um in
ihre Heimat zurückzukehren, wie die Behörden überzeugend festgehalten haben.

Im Wesentlichen beruht die Argumentation der Beschwerdeführerinnen aber auf
der unzutreffenden Auffassung, dass die Rechtmässigkeit der Ausschaffungshaft
ausnahmslos überprüft werden müsse. Dagegen hat das Bundesgericht Folgendes
festgehalten: Wenn die Ausschaffung noch vor Ablauf der 96-Stunden-Frist
möglich ist, so können - ja sogar müssen - die zuständigen kantonalen
Behörden sie vollziehen, um die Haftdauer auf ein Minimum zu beschränken. Es
wäre unverhältnismässig, wenn die Behörden in allen Fällen (d.h. selbst dann,
wenn der sofortige Vollzug der Ausschaffung möglich ist), abwarten müssten,
bis der richterliche Haftprüfungsentscheid ergangen ist (vgl. Pra 2000 Nr. 46
S. 261 E. 3c mit weiterem Hinweis). Das hat hier umso mehr zu gelten, als die
Beschwerdeführerinnen einen allfälligen Rechtsverstoss der Behörden noch auf
anderem Wege geltend machen können (vgl. E. 1 oben).

3.
Nach dem Gesagten besteht somit kein Grund, vom Erfordernis des aktuellen
praktischen Interesses abzusehen. Dieses ist vorliegend dahingefallen, so
dass das Verfahren als gegenstandslos abzuschreiben ist (Art. 72 BZP in
Verbindung mit Art. 40 OG). Auf eine Kostenerhebung kann verzichtet werden,
so dass auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos wird.
Um eine unentgeltliche Verbeiständung haben die Beschwerdeführerinnen nicht
ersucht.

Demnach beschliesst das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird als gegenstandslos abgeschrieben.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieser Beschluss wird den Beschwerdeführerinnen, dem Migrationsamt des
Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. September 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: