Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.175/2006
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2A.175/2006 /leb

Urteil vom 11. Mai 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Müller,
Gerichtsschreiber Feller.

X. ________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Bern,
Münstergasse 3, 3011 Bern,
Steuerrekurskommission des Kantons Bern,
Postfach 54, 3097 Liebefeld.

direkte Bundessteuer 1999/2000,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission
des Kantons Bern vom 14. Februar 2006.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Steuerrekurskommission des Kantons Bern wies am 14. Februar 2006
einen Rekurs bzw. eine Beschwerde von X.________ betreffend Kantonssteuer und
direkte Bundessteuer pro 1999/2000 ab. Mit Schreiben vom 21. März
(Postaufgabe 23. März, Eingang beim Bundesgericht 24. März) 2006 stellte
X.________ dem Bundesgericht einen "Antrag auf unentgeltliche Prozessführung
und vorgängige Prüfung auf Aussicht des Verfahrens in der Sache", welches der
Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung am 24. März 2006 unter
anderem dahingehend beantwortete, dass das Bundesgericht nicht zum Voraus,
vor der Beschwerdeerhebung beurteile, ob die Voraussetzungen der
unentgeltlichen Rechtspflege erfüllt seien, und für den Fall, dass Beschwerde
(betreffend die direkte Bundessteuer) erhoben und um unentgeltliche
Rechtspflege ersucht würde, einstweilen auf einen Kostenvorschuss verzichtet
und über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Endentscheid
befunden würde. Die eingereichten Beilagen wurden der Beschwerdeführerin
zurückgesandt. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern überwies dem
Bundesgericht mit Verfügung vom 24. März 2006 ein Doppel eines bei ihm (im
Hinblick auf eine Beschwerde betreffend die kantonale Steuer) eingereichten
Antrags auf unentgeltliche Prozessführung mitsamt Beilagen welcher mit dem
vorgängig erwähnten, beim Bundesgericht eingegangenen Antrag vom 21./23. März
2006 identisch ist.

Am 28. März 2006 ging beim Bundesgericht die vom 21. März 2006 datierte
Beschwerdeschrift von X.________ ein; die Sendung war am 27. März 2006 zur
Post gegeben worden. Im vom 23. März 2006 datierten Begleitschreiben, worin
sie erneut um unentgeltliche Rechtspflege ersuchte, wies die
Beschwerdeführerin darauf hin, dass sie aufgrund eines Gesprächs mit einer
Kammerschreiberin des Verwaltungsgerichts davon ausgegangen sei, dass zuerst
der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und die Erfolgsaussichten des
Verfahrens anhand des anzufechtenden Entscheids abgeklärt werden müssten,
bevor der Rekurs bzw. die Beschwerde eingereicht werden könne. Am 28. März
2006, nach Kenntnisnahme des Schreibens des Abteilungspräsidenten vom 24.
März 2006, reichte die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht nochmals ein vom
27. März 2006 datiertes Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, eine weitere
Ausfertigung der Beschwerdeschrift, ein Doppel des Begleitschreibens vom 23.
März 2006 sowie die zurückgeschickten Beilagen ein.

1.2 Mit Verfügung vom 29. März 2006 setzte der Präsident der II.
öffentlichrechtlichen Abteilung dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern Frist
bis zum 24. April 2006, um sich zum Schreiben der Beschwerdeführerin vom 23.
März 2006 bzw. zu den dort erwähnten Auskünften einer seiner
Kammerschreiberinnen bezüglich Modalitäten der Einreichung einer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege beim
Bundesgericht zu äussern. Die Antwort des Verwaltungsgerichts vom 4. April
2006 wurde der Beschwerdeführerin sowie der Steuerverwaltung und der
Steuerrekurskommission des Kantons Bern zu allfälliger Stellungnahme
zugestellt. Die Beschwerdeführerin hat sich mit Schreiben vom 21. April
(Postaufgabe 23. April) 2006 geäussert; sie ersucht um Wiederherstellung der
Beschwerdefrist. Die Steuerverwaltung beantragt Abweisung des
Fristwiederherstellungsgesuchs. Die Steuerrekurskommission hat auf eine
Stellungnahme verzichtet.

2.
2.1 Der Entscheid der Steuerrekurskommission vom 14. Februar 2006 ist der
Beschwerdeführerin am 22. Februar 2006 eröffnet worden. Die Beschwerdefrist
von 30 Tagen gemäss Art. 146 DBG bzw. 106 Abs. 1 OG ist somit am 24. März
2006 abgelaufen. Die Beschwerdeschrift trägt zwar das Datum 21. März 2006,
wurde aber erstmals am 27. März 2006 zuhanden des Bundesgerichts zur Post
gegeben. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit verspätet erhoben
worden. Es kann darauf bloss dann dennoch eingetreten werden, wenn ein
Fristwiederherstellungsgrund vorliegt.

2.2 Gemäss Art. 35 Abs. 1 OG kann Wiederherstellung gegen die Folgen der
Versäumung einer Frist nur dann erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder
sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist,
innert der Frist zu handeln, und binnen zehn Tagen nach Wegfall des
Hindernisses unter Angabe desselben die Wiederherstellung verlangt und die
versäumte Rechtshandlung nachholt.

2.2.1 Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdefrist nach ihrer Darstellung
darum verpasst, weil sie davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeschrift
erst dann eingereicht werden müsse, wenn über die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege entschieden worden sei. Dass es sich anders
verhält, wurde ihr allenfalls erst nach Kenntnisnahme des Schreibens des
Abteilungspräsidenten vom 24. März 2006 bewusst, in keinem Fall aber vor dem
21. März 2006, als sie das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege verfasste.
Ausdrücklich hat sie erstmals am 21./23. April 2006 um Fristwiederherstellung
ersucht, sinngemäss aber bereits mit ihrem am 27. März 2006 zur Post
gegebenen Schreiben vom 23. März 2006, in welchem sie auf Gespräche mit einer
Kammerschreiberin des Verwaltungsgerichts hinweist. Das Gesuch ist, gleich
wie die Beschwerdeschrift, innert der Frist von 10 Tagen gemäss Art. 35 Abs.
1 OG eingereicht und damit rechtzeitig gestellt worden.

2.2.2 Voraussetzung für die Gewährung der Fristwiederherstellung ist ein
"unverschuldetes Hindernis", d.h. die Unmöglichkeit rechtzeitigen Handelns.
Die Wiederherstellung ist nur bei klarer Schuldlosigkeit des Gesuchstellers
bzw. seines Vertreters zu gewähren (Urteil 1P.123/ 2005 vom 14. Juni 2005 E.
1.3 mit zahlreichen Hinweisen). Typischer Anwendungsfall ist ein
Krankheitszustand, der jegliches auf die Fristwahrung gerichtete Handeln wie
etwa den Beizug eines (Ersatz-) Vertreters verunmöglicht (vgl. BGE 119 II 86;
112 V 255). Blosse Unkenntnis von Rechtsregeln (insbesondere
verfahrensrechtlicher Natur) bzw. ein Irrtum über deren Tragweite kann
grundsätzlich keinen Anlass zur Fristwiederherstellung geben, es sei denn,
der Irrtum sei durch eine behördliche Auskunft hervorgerufen worden
(Jean-François Poudret/ Suzette Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale
d'organisation judiciaire, vol. 1, Bern 1990, N. 2.7b Ziff. 10 zu Art. 35, S.
250).

Der Entscheid der Steuerrekurskommission ist der Beschwerdeführerin mit einer
Rechtsmittelbelehrung eröffnet worden. Diese lautete wie folgt: "Gegen den
Entscheid betreffend die direkte Bundessteuer kann innert 30 Tagen seit
Eröffnung beim Schweizerischen Bundesgericht .... Beschwerde erhoben werden.
Die Beschwerdeschrift ist in 4-facher Ausfertigung einzureichen. ... Die
Rechtsmittelfrist ist eingehalten, wenn die Beschwerdeschrift am letzten Tag
der Frist einer schweizerischen Poststelle übergeben wird. ... (Die
Rechtsschriften) haben insbesondere die Rechtsbegehren sowie eine Begründung
zu enthalten (... Art. 108 OG)." Daraus ergibt sich unmissverständlich, dass
zur Fristwahrung die Einreichung der Beschwerdeschrift mit Antrag und
Begründung erforderlich ist. Diesbezüglich war vernünftigerweise kein Irrtum
möglich.

Die Beschwerdeführerin will hingegen durch die insgesamt drei
Telefongespräche, die sie mit zwei Kammerschreiberinnen des
Verwaltungsgerichts führte, den Eindruck erhalten haben, sie könne bzw. müsse
sich vorerst gar mit der Einreichung eines Gesuchs um unentgeltliche
Rechtspflege begnügen. Sämtliche Auskünfte bezogen sich allein auf die
Beschwerdeeinreichung beim Verwaltungsgericht selber. Schon darum ist
fraglich, ob die Beschwerdeführerin sich darauf berufen könnte, um eine
Fristwiederherstellung für das bundesgerichtliche Verfahren zu beantragen.
Angesichts des in der Stellungnahme des Verwaltungsgerichts vom 4. April 2006
wiedergegebenen Inhalts der drei Gespräche, wozu die Beschwerdeführerin
nichts Abweichendes geltend macht, muss aber ohnehin festgehalten werden,
dass sie nie dazu angehalten wurde, vorerst bloss ein Armenrechtsgesuch
einzureichen. Vielmehr erklärte ihr Kammerschreiberin Y.________ unter
anderem, dass sich die Aussichtslosigkeit des Verfahrens nach den Vorbringen
in der Beschwerde beurteilt, was im Übrigen für einen Laien nachvollziehbar
sein dürfte. Insgesamt lässt sich jedenfalls nicht sagen, dass die Telefonate
geeignet waren, die Beschwerdeführerin von der Vorgehensweise abzuhalten, wie
sie durch die detaillierte Rechtsmittelbelehrung vorgezeichnet war. Die
Fristversäumnis beruht auf einem blossen Irrtum über verfahrensrechtliche
Regeln, der nicht durch behördliches Verhalten hervorgerufen worden ist. Es
liegt kein unverschuldetes Hindernis im Sinne von Art. 35 Abs. 1 OG vor.

2.3 Das Fristwiederherstellungsgesuch ist abzuweisen, und auf die ohne
zureichenden Grund verspätet eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist,
im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG), nicht einzutreten.

2.4 Dem für das bundesgerichtliche Verfahren gestellten Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann wegen offensichtlicher Unzulässigkeit und
damit Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht entsprochen werden (Art. 152
OG).

Die bundesgerichtlichen Kosten sind der Beschwerdeführerin als unterliegender
Partei aufzuerlegen (Art. 156 OG); bei der Bemessung der Gerichtsgebühr (Art.
153 Abs. 1 OG) kann ihren finanziellen Verhältnissen Rechnung getragen werden
(Art. 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Das Fristwiederherstellungsgesuch wird abgewiesen.

2.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

4.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

5.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Steuerverwaltung und der
Steuerrekurskommission des Kantons Bern, der Eidgenössischen Steuerverwaltung
sowie zur Kenntnisnahme dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Mai 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: