Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.156/2006
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{T 0/2}
2A.156/2006 /bie

Urteil vom 20. Oktober 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart,
Ersatzrichter Locher,
Gerichtsschreiber Fux.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Gemeinde A.________,
Kantonale Steuerverwaltung Graubünden, Steinbruchstrasse 18/20, 7001 Chur,
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden,
3. Kammer, Obere Plessurstrasse 1, 7001 Chur.

Kantons,- Gemeinde- und Bundessteuer 2003,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 5. Januar 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geboren 1945) ist als Publizist und Gebrauchsgrafiker
freiberuflich tätig. Im Jahr 2003 konnte er kein positives Ergebnis erzielen.
Seine Ehefrau arbeitet als Nachtschwester in einem Spital. Die Eheleute
X.________ leben in einer eigenen Liegenschaft an der C.________-strasse in
B.________.
Für die Steuerperiode 2003 wurde X.________ am 22. April 2004 entsprechend
seiner Steuererklärung eingeschätzt auf ein Einkommen von Fr. 39'000.--
(Vermögen 0) für die Kantons- und Gemeindesteuern sowie auf ein Einkommen von
Fr. 50'400.-- für die direkte Bundessteuer.

Eine Einsprache betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern wurde, nachdem
eine nunmehr von beiden Ehegatten unterzeichnete Steuererklärung nachgereicht
und X.________ am 20. September 2004 persönlich angehört worden war, am
1. Oktober 2004 insofern gutgeheissen, als die Steuerschulden von
Fr. 29'000.-- aus dem Schuldenverzeichnis gestrichen wurden; im Übrigen wurde
sie abgewiesen.

Auf die Einsprache betreffend die direkte Bundessteuer trat die
Steuerverwaltung mit Entscheid vom 12. Oktober 2004 nicht ein.

B.
Rekurse und Beschwerde gegen die Einspracheentscheide wurden vom
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden am 5. Januar 2006 abgewiesen;
ebenso das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung.

C.
X.________ hat am 18. März 2006 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht erhoben. Er beantragt sinngemäss, das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 5. Januar 2006 sei aufzuheben
und das steuerbare Einkommen sei unter Berücksichtigung von Verlusten aus
selbständiger Erwerbstätigkeit festzusetzen. Im Weiteren ficht der
Beschwerdeführer zwei andere Urteile des Verwaltungsgerichts an, in denen
dieses über den Erlass der Gemeindesteuern 1986-2003, der Kantonssteuern
1986-2000 sowie der direkten Bundessteuern 1997-2000 entschieden hatte.

D.
Die Gemeinde A.________, die Steuerverwaltung und das Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragen, die
Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

E.
Der Beschwerdeführer hat um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung
ersucht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, welches
Rechtsmittel zulässig und in welchem Umfang darauf einzutreten ist (BGE 132 I
140 E. 1.1 S. 142; 131 II 58 E. 1 S. 60, je mit Hinweisen).

I.  Direkte Bundessteuer

2.
2.1 Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
ist, soweit die direkte Bundessteuer betreffend, ein auf Steuerrecht des
Bundes gestütztes, letztinstanzliches kantonales Urteil, das mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann
(Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG und Art. 98 lit. g OG sowie
Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte
Bundessteuer, DBG; SR 642.11). Als betroffene steuerpflichtige Person ist der
Beschwerdeführer aufgrund von Art. 103 lit. a OG zur Anfechtung des
vorinstanzlichen Entscheids legitimiert. Auf seine form- und fristgerecht
eingereichte Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.

Nicht eingetreten werden kann auf die Beschwerde jedoch insoweit, als
gleichzeitig ein Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
betreffend Erlass der direkten Bundessteuern 1997-2000 angefochten wird: Zum
einen bildet diese Frage gar nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheids
und ist damit nicht Anfechtungsobjekt; zum andern ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen über Erlass oder Stundung
geschuldeter Abgaben unzulässig (Art. 99 Abs. 1 lit. g OG).

2.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann der Beschwerdeführer die
Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch
des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts rügen (Art. 104 lit. a und lit. b OG). Hat ?
wie hier ?  als Vorinstanz eine richterliche Behörde entschieden, ist das
Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, wenn der
Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder unter
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ermittelt worden ist (Art. 105
Abs. 2 OG).

Das Bundesgericht wendet im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren das
Bundesrecht von Amtes wegen an, ohne an die Begründung der Parteibegehren
gebunden zu sein (Art. 114 Abs. 1 OG); es kann deshalb die Beschwerde auch
aus andern als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE
132 II 47 E. 1.3 S. 50, mit Hinweisen).

3.
Die kantonale Steuerverwaltung trat mit Entscheid vom 12. Oktober 2004 auf
die Einsprache betreffend die direkte Bundessteuer 2003 nicht ein, weil die
Streichung der Schulden aus dem Schuldenverzeichnis keinen Einfluss auf die
direkte Bundessteuer habe. Mit dem angefochtenen Urteil wird dieser
Nichteintretensentscheid geschützt. Das ist bundesrechtlich nicht zu
beanstanden:
Aufgrund der persönlichen Anhörung des Beschwerdeführers vom 20. September
2004 wusste die Steuerverwaltung zwar, dass es ihm unter anderem um die
Anrechnung angeblicher Geschäftsverluste ging. Nachdem dieses (nur mündlich
unterbreitete) Begehren offenbar mehr beiläufig vorgebracht und zudem
überhaupt nicht belegt wurde, liess es sich rechtfertigen, nur die beiden
Hauptbegehren (die Steuerschulden im Schuldenverzeichnis zu streichen und die
Steuererklärung von beiden Ehegatten zu unterschreiben) als relevant zu
erachten und ein weitergehendes Rechtsschutzinteresse zu verneinen.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend die direkte Bundessteuer erweist
sich somit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann.
II. Kantons- und Gemeindesteuern

4.
Das angefochtene Urteil betrifft auch die Einschätzung für die Kantons- und
Gemeindesteuern 2003 und damit eine im zweiten Titel des
Steuerharmonisierungsgesetzes geregelte Materie (Bundesgesetz vom
14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone
und Gemeinden, StHG; SR 642.14). Gegen einen solchen Entscheid kann gemäss
Art. 73 StHG Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht geführt
werden. Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde des gemäss
Art. 73 Abs. 2 StGH legitimierten Beschwerdeführers ist grundsätzlich
einzutreten. Allerdings kann das Bundesgericht bei Gutheissung des
Rechtsmittels den angefochtenen Entscheid bloss aufheben und die Sache zur
neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückweisen. Darüber hinausgehende
Anträge sind unzulässig (vgl. Art. 73 Abs. 3 StHG; BGE 131 II 1 E. 2.3 S. 5,
mit Hinweisen).

Über den Erlass der Gemeindesteuern 1986-2003 und der Kantonssteuern
1986-2000 wurde im angefochtenen Urteil nicht entschieden, weshalb diese
Frage zum Vornherein nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sein
kann. Insoweit ist auf die Eingabe des Beschwerdeführers nicht einzutreten,
ohne dass geprüft werden müsste, mit welchem Rechtsmittel sie dem
Bundesgericht allenfalls hätte vorgelegt werden können (vgl. für die direkte
Bundessteuer oben E. 2.1).

5.
5.1 Der Einkommenssteuer unterliegen nach bündnerischem Steuerrecht alle
wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte, insbesondere solche aus
unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit (Art. 16 Abs. 1, Art. 17
und 18 des Steuergesetzes für den Kanton Graubünden vom 8. Juni 1986;
StG/GR). Von den gesamten steuerbaren Einkünften sind gewisse Aufwendungen
und allgemeine Abzüge abziehbar. Selbständigerwerbende können die geschäfts-
oder berufsmässig begründeten Kosten abziehen, unter anderem die
eingetretenen und verbuchten Verluste (Art. 32 Abs. 1 lit. d StG/GR). Diese
Regelungen stimmen insbesondere mit Art. 7 Abs. 1 bzw. Art. 10 Abs. 1 lit. c
StHG überein.

Natürliche Personen mit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit müssen
der Steuererklärung die unterzeichneten Jahresrechnungen (Bilanz,
Erfolgsrechnung und Anhang) der Steuerperiode oder, wenn eine kaufmännische
Buchführung fehlt, Aufstellungen über Aktiven und Passiven, Einnahmen und
Ausgaben sowie Privatentnahmen und -einlagen beilegen (Art. 127 Abs. 3
StG/GR; vgl. Art. 42 Abs. 3 StHG). Dabei gilt in Lehre und Rechtsprechung der
allgemein anerkannte Grundsatz, dass die Steuerbehörde die Beweislast für die
steuerbegründenden Tatsachen trägt, während den Steuerpflichtigen die
Beweislast für Tatsachen trifft, welche die Steuerschuld mindern oder
aufheben (Ernst Blumenstein/Peter Locher, System des schweizerischen
Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 416, mit Hinweisen; statt vieler:
Urteil 2A.561/2005 vom 22. Februar 2006, E. 2.3).
5.2 Der Beschwerdeführer hat für die Steuerperiode 2003 eine ursprünglich nur
von ihm, später eine von beiden Ehegatten unterschriebene Steuererklärung
eingereicht. Aufgrund der deklarierten Einkünfte wurden die Eheleute für die
Kantons- und Gemeindesteuern 2003 veranlagt, und diese Einschätzung wurde im
Rechtsmittelverfahren bestätigt. In der Steuererklärung wird nur ein
Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit der Ehefrau und kein
Erwerbseinkommen des Ehemannes deklariert; anderseits werden auch keine
Verluste aus selbständiger Erwerbstätigkeit geltend gemacht. Zwar wies der
Beschwerdeführer bereits anlässlich seiner mündlichen Anhörung vom
20. September 2004 auf finanzielle Schwierigkeiten im Zusammenhang mit seiner
freiberuflichen Tätigkeit hin und wiederholt dies in seinen Rechtsschriften.
Allerdings brachte er bislang überhaupt keine sachdienlichen Unterlagen bei,
welche die Verlustsituation belegen. Bei dieser Sachlage bestand für die
Veranlagungsbehörde bzw. die Vorinstanz richtigerweise keine Veranlassung,
irgendwelche ? bloss behauptete ? Verluste zu berücksichtigen (vgl. ASA 73,
656 E. 4 S. 662 f.).

Damit erweisen sich auch die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der
Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV (Anspruch auf rechtliches Gehör) und Art.
127 Abs. 2 BV (Recht auf Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit bzw. auf Steuerbefreiung des Existenzminimums) als
unbegründet. Im Übrigen liegt dem vorinstanzlichen Urteil entgegen der
Behauptung des Beschwerdeführers keine Ermessens-, sondern die auf seiner
Selbstdeklaration beruhende Einschätzung zugrunde.

Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern
ist dem Gesagten zufolge ebenfalls unbegründet und deshalb abzuweisen, soweit
darauf eingetreten wird.

6. III. Unentgeltliche Rechtspflege

7.
7.1 Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, ihm sei im Verfahren vor
Verwaltungsgericht die unentgeltliche Prozessführung zu Unrecht verweigert
worden. Er beruft sich insbesondere auf Art. 25 Abs. 1 des kantonalen
Verwaltungsgerichtsgesetzes (Gesetz vom 9. April 1967 über die
Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Graubünden; VGG/GR); zudem wiederholt er
an dieser Stelle verschiedene Verfassungsrügen.

7.2 Nach Art. 25 Abs. 1 VGG/GR kann der Gerichtspräsident "Personen, die
neben dem notwendigen Lebensunterhalt für sich und die Ihren für die
Verfahrenskosten nicht aufkommen können, die unentgeltliche Prozessführung
bewilligen, wenn ihr Rechtsstreit nicht offenbar mutwillig oder grundlos
ist".

7.3 Die Vorinstanz erwog, dem Beschwerdeführer fehle es "an der zur Gewährung
der unentgeltlichen Prozessführung notwendigen Bedürftigkeit" (im Sinn von
Art. 25 Abs. 1 VGG). Sie verweist dafür auf die beiden von ihr beurteilten
Fälle betreffend Steuererlass, wo die Vermögensverhältnisse des
Beschwerdeführers detailliert untersucht worden seien. Zwar ist mit diesem
blossen Verweis auf das Ergebnis in andern Verfahren die Ablehnung des
Gesuchs um unentgeltliche Prozessführung hinsichtlich der Bedürftigkeit nicht
überprüfbar. Indessen wäre es am Beschwerdeführer gewesen, belegt
nachzuweisen, dass die Feststellung der Vorinstanz offensichtlich falsch und
damit die Begründung im angefochtenen Entscheid geradezu unhaltbar sei
(vgl. zum Willkürbegriff: BGE 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f., mit Hinweisen). Im
Übrigen hätte das Gesuch auch wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren
abgelehnt werden müssen, weshalb der vorinstanzliche Entscheid auch unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten im Ergebnis nicht zu beanstanden ist
(vgl. Art. 29 Abs. 3 BV). Damit erweisen sich die in diesem Zusammenhang
erhobenen Verfassungsrügen ebenfalls als unbegründet (Verletzung von Art. 29
Abs. 2 und Art. 127 Abs. 2 BV).
IV. Kosten und Entschädigung

8.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 153 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ist wegen
Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens abzulehnen (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG).
Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers wird bei der Festsetzung der
Gerichtsgebühr Rechnung getragen (vgl. Art. 153a OG). Eine
Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend die direkte Bundessteuer wird
abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend die Kantons- und Gemeindesteuer
wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
3.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.2 Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Steuerverwaltung des Kantons
Graubünden, der Gemeinde A.________, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung (Hauptabteilung Direkte
Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Oktober 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: