Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.144/2006
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2A.144/2006 /vje

Urteil vom 24. Mai 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Gerichtsschreiberin Dubs.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Johann Burri,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern,
Hallwilerweg 7, 6002 Luzern,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.

Ausweisung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom

30. Januar 2006.

Sachverhalt:

A.
Der aus Bosnien-Herzegowina stammende X.________ (geb. 1977) reiste am 12.
Dezember 1991 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein und wurde am
7. Januar 1992 in die Niederlassungsbewilligung seiner Eltern einbezogen.
Seit seiner Einreise gab X.________ immer wieder zu Klagen Anlass und wurde
wiederholt bestraft:
Urteil der Jugendanwaltschaft des Kantons Luzern vom 5. April 1994 wegen
Führens eines Mofas ohne Ausweis, Nichtbeachtens eines Fahrverbots: Busse Fr.
60.--
Urteil der Jugendanwaltschaft des Kantons Luzern vom 24. Juni 1994 wegen
Entwendung: ½ Tag Arbeitsleistung
Urteil der Jugendanwaltschaft des Kantons Luzern vom 20. Juni 1995 wegen
Diebstahls: 14 Tage Einschliessung und 1 Jahr Schutzaufsicht
Urteil des Bezirksgerichts Kulm vom 21. Oktober 1997 wegen Entwendung eines
Motofahrzeuges zum Gebrauch, Lernfahrt auf einem Motorfahrzeug mit nicht
berechtigtem Begleiter, Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
innerorts, Nichtbeherrschens des Fahrzeuges, Mitführens von mehr Personen in
einem PW als bewilligt, Nichttragens von Sicherheitsgurten, pflichtwidrigen
Verhaltens bei einem Unfall: 40 Tage Gefängnis, bedingt vollziehbar,
Probezeit 3 Jahre sowie Busse von Fr. 800.--
Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Hochdorf vom 26. Januar 1998 wegen
Hausfriedensbruchs: Busse Fr. 100.--
Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Hochdorf vom 6. Februar 1998 wegen
Hausfriedensbruchs: Busse Fr. 200.--
Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Hochdorf vom 7. Mai 1998 wegen
vollendeten Diebstahlsversuchs und Sachbeschädigung: 1 Monat Gefängnis
bedingt,  Probezeit 3 Jahre
Urteil des Amtsgerichtes Hochdorf vom 20. Mai 1999 wegen fahrlässiger
Körperverletzung, begangen durch Überschreiten der signalisierten
Höchstgeschwindigkeit innerorts und Nichtanpassen der Geschwindigkeit an die
Strassenverhältnisse: 3 Wochen Gefängnis, Busse Fr. 600.--
B.Mit Verwarnung vom 22. Juli 1999 wurden X.________ schwerwiegende
fremdenpolizeiliche Massnahmen in Aussicht gestellt, falls er erneut
gerichtlich bestraft werden müsste oder sein Verhalten zu anderen
berechtigten Klagen Anlass geben sollte. Am 12. März 2003 wurde X.________
wegen mehrfachen Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahren mit einer
Busse von Fr. 200.-- bestraft.
Mit Verfügung vom 27. März 2003 wurde X.________ die Ausweisung angedroht für
den Fall, dass sein Verhalten erneut zu Klagen Anlass geben oder er erneut
straffällig werden sollte.
In der Folge musste X.________ jedoch erneut bestraft werden:
Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Luzern vom 25. Juni 2003 wegen
Nichttragens des Sicherheitsgurtes beim Führen eines Personenwagens: Busse
Fr. 200.-- (begangen vor Androhung der Ausweisung)
Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Luzern vom 5. Januar 2004 wegen
Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahren: Busse Fr. 200.--
Urteil des Amtsgerichtes Luzern-Land vom 15. Januar 2004 wegen Diebstahls,
Nichtabgeben der entzogenen Kontrollschilder und des Fahrzeugausweises: 3
Monate Gefängnis, bedingt vollziehbar, Probezeit 5 Jahre, Busse Fr. 300.--
(begangen vor Androhung der Ausweisung)
Urteil des Bezirksgerichtes des Kantons Zürich vom 5. Mai 2004 wegen
einfacher Körperverletzung, Sachbeschädigung, Unterdrückung von Urkunden,
einfacher Verkehrsverletzung: 3 Monate Gefängnis, bedingt vollziehbar,
Probezeit 5 Jahre, Busse Fr. 500.-- (begangen vor Androhung der Ausweisung)
Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Luzern vom 21. Mai 2004 wegen
Nichttragens der Sicherheitsgurten: Busse Fr. 60.--
Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Luzern vom 25. Oktober 2004 wegen
Nichtbefolgens einer Vorladung zum Verkehrsunterricht: Busse Fr. 100.--
Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Luzern vom 11. November 2004 wegen
Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahren: Busse Fr. 100.--
Zudem kam X.________ seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nach. Gemäss
Betreibungsregisterauszug des Betreibungsamtes Littau lagen am 7. Juni 2004
44 Betreibungen von insgesamt Fr. 42'495.-- und 54 Verlustscheine von Fr.
66'683.-- gegen ihn vor.

C.
Mit Verfügung vom 8. März 2005 wies das Amt für Migration des Kantons Luzern,
Abteilung Aufenthalt, X.________ auf unbestimmte Zeit aus der Schweiz aus.
Dagegen beschwerte sich X.________ erfolglos beim Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern.

D.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 13. März 2006 beantragt X.________, das
Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. Januar 2006 aufzuheben, ihn nicht aus
der Schweiz auszuweisen und ihm die Niederlassungsbewilligung "zu
verlängern". Weiter stellt er das Begehren, der Beschwerde die aufschiebende
Wirkung zu erteilen.
Das Bundesgericht hat die Akten des Verwaltungsgerichts beigezogen, jedoch
keine Vernehmlassungen eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gegen die sich auf Art. 10 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) stützende
Ausweisungsverfügung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 100
Abs. 1 lit. b Ziff. 4 e contrario; BGE 114 Ib 1 E. 1a S. 2).
Bei Aufhebung der Ausweisung gilt die Niederlassungsbewilligung, über die der
Ausländer im Zeitpunkt der fremdenpolizeilichen Massnahme verfügt hat,
weiterhin. Der Antrag, die Niederlassungsbewilligung zu erneuern, ist deshalb
überflüssig.

1.2 Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, so
ist deren Sachverhaltsfeststellung für das Bundesgericht verbindlich, sofern
diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensgarantien erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG). Damit ist
die Möglichkeit, vor Bundesgericht neue Tatsachen vorzubringen und
Beweismittel einzureichen, weitgehend eingeschränkt. Das Bundesgericht lässt
nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zu, welche die Vorinstanz von
Amtes wegen hätte berücksichtigen müssen und deren Nichtbeachtung eine
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 128 II 145 E.
1.2.1 S. 150 mit Hinweisen). Der Arbeitsvertrag vom 27. Februar 2006 sowie
der Zeitungsartikel vom 13. Februar 2006 erfüllen diese Voraussetzungen nicht
und sind daher unbeachtlich; sie wären ohnehin nicht geeignet, am Ausgang des
Verfahrens etwas zu ändern.

2.
2.1 Nach Art. 10 Abs. 1 ANAG kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er
wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde (lit. a)
oder wenn sein Verhalten im Allgemeinen und seine Handlungen darauf
schliessen lassen, dass er nicht gewillt oder nicht fähig ist, sich in die im
Gaststaat geltende Ordnung einzufügen (lit. b).

2.2 Der Beschwerdeführer ist wiederholt straffällig geworden und wurde
deshalb gerichtlich bestraft mit insgesamt rund 9 Monaten Gefängnis und mit
zahlreichen Bussen. Der Ausweisungsgrund gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
ist somit gegeben. Dass der Beschwerdeführer nach der Ausweisungsandrohung
keine Straftat, die als Verbrechen oder Vergehen zu qualifizieren wäre, mehr
begangen hat, ändert daran nichts. Der Ausweisungsgrund der gerichtlichen
Bestrafung war damals bereits erfüllt und die Ausweisung wurde ihm angedroht
nicht nur für den Fall gerichtlicher Bestrafung wegen eines erneuten
Verbrechens oder Vergehens, sondern auch für den Fall, dass sein Verhalten
sonst wie erneut zu Klagen Anlass geben sollte. Diese Voraussetzung ist
vorliegend offensichtlich erfüllt.

2.3 Was den Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG betrifft, ist
dieser gemäss Art. 16 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum
Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAV; SR
142.201) namentlich gegeben bei schweren oder wiederholten Verstössen gegen
gesetzliche Vorschriften oder behördliche Verfügungen, bei fortgesetzter
böswilliger oder liederlicher Nichterfüllung der öffentlichrechtlichen oder
privatrechtlichen Verpflichtungen sowie bei sonstiger Liederlichkeit oder
Arbeitsscheu.
Seit 1996 ist der Beschwerdeführer im Betreibungsregister registriert. Sein
Schuldenberg vergrösserte sich seither fortlaufend. Von August 1996 bis Mai
1998 bezog er Sozialhilfe von insgesamt über Fr. 12'000.--. Am 7. Juni 2004
lagen 44 Betreibungen im Gesamtbetrag von Fr. 42'495.-- vor und die
Verlustscheine waren auf einen Betrag von Fr. 66'683.99 angewachsen. Zudem
hat der Beschwerdeführer mehrmals behördliche Anordnungen ignoriert und seit
Aufnahme der Erwerbstätigkeit im Juni 2004 den Aufforderungen des
Betreibungsamtes Littau wiederum keine Folge geleistet. Mit diesem Verhalten
hat der Beschwerdeführer auch den Ausweisungsgrund nach Art. 10 Abs. 1 lit. b
ANAG erfüllt.

3.
3.1 Sind die Ausweisungsgründe von Art. 10 Abs. 1 lit. a und b ANAG erfüllt,
bleibt zu prüfen, ob die Ausweisung "angemessen", d.h. verhältnismässig
erscheint (Art. 11 Abs. 3 ANAG; vgl. BGE 125 II 521 E. 2b S. 524).

3.2 Die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte liegen zwar mehrheitlich im
Bereich der Kleinkriminalität. Die grosse Anzahl der begangenen Straftaten
zeigt jedoch die Unbelehrbarkeit des Beschwerdeführers. Weder die verhängten
Strafen, noch die fremdenpolizeiliche Verwarnung, noch die Androhung der
Ausweisung vermochten ihn zu beeindrucken und von weiteren deliktischen
Handlungen abzuhalten. Was seine finanzielle Lage anbelangt, ist er
offensichtlich nicht bereit, das Nötige zu tun, um seine
öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.
Obwohl für seinen weiteren Verbleib in der Schweiz ausdrücklich ein in jeder
Hinsicht tadelloses Verhalten verlangt wurde, besserte sich der
Beschwerdeführer nicht, was darauf schliessen lässt, dass er nicht gewillt
oder nicht fähig ist, sich in die in der Schweiz geltende Ordnung einzufügen.
Es besteht somit ein erhebliches öffentliches Interesse an der Entfernung und
Fernhaltung des Beschwerdeführers.

3.3 Der Beschwerdeführer ist vor über vierzehn Jahren als 14-jähriger in die
Schweiz eingereist. Er hat seine Kindheit und einen Teil des Jugendalters in
seinem Heimatland verbracht und ist somit nicht ein Ausländer der "zweiten
Generation". Trotz langjährigem Aufenthalt ist er weder beruflich noch sozial
in der Schweiz integriert. Er ging nur unregelmässig einer Arbeit nach und
hat erst unter dem Druck des Ausweisungsverfahrens eine Festanstellung
angenommen. Der Einwand des Beschwerdeführers, im Heimatland habe er keine
nahen Verwandten und zudem kein Beziehungsnetz, weshalb ihm dort der Aufbau
einer Existenzgrundlage nahezu verunmöglicht würde, ändert nichts. Trotz der
hier weilenden Familienangehörigen und des angeblichen Beziehungsnetzes in
der Schweiz ist es dem Beschwerdeführer in all den Jahren nämlich nicht
gelungen, sich in die hiesigen Verhältnisse zu integrieren und
wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen. Wenn der Beschwerdeführer nun die
Schweiz verlassen muss, führt dies daher auch nicht dazu, dass er eine
langjährig aufgebaute Existenz aufgeben müsste. Im Übrigen kann davon
ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer über seinen Vater, bei dem er
wohnt, mit der heimatlichen Kultur und Sprache vertraut geblieben ist. Dem
Beschwerdeführer ist unter diesen Umständen zuzumuten, in sein Heimatland
zurückzukehren.

3.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass die öffentlichen Interessen an der
Ausweisung des Beschwerdeführers dessen private Interessen am weiteren
Verbleib in der Schweiz überwiegen. Ergänzend kann auf die Ausführungen im
angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 36 Abs. 3 OG).

3.5 Der Beschwerdeführer kann auch aus dem in Art. 8 Ziff. 1 EMRK (und Art.
13 BV) verankerten Anspruch auf Achtung des Familien- und Privatlebens nichts
zu seinen Gunsten ableiten. Die Beziehungen des ledigen Beschwerdeführers zu
seinen in der Schweiz lebenden Familienangehörigen fallen, da er volljährig
und nicht in besonderer Weise von ihnen abhängig ist, nicht (mehr) in den
Schutzbereich dieser Garantie (vgl. BGE 120 Ib 257 E. 1d S. 261 f.; Urteil
2A.742/2004 vom 30. Dezember 2004 E. 2.3; vgl. Urteil des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte i.S. Slivenko c. Lettland vom 9. Oktober 2003
[Nr. 48321/99], Rz. 97).

4.
4.1 Nach dem Gesagten erweist sich die Ausweisung als rechtmässig und das
angefochtene Urteil damit als bundesrechtskonform. Die offensichtlich
unbegründete Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist im vereinfachten Verfahren
nach Art. 36a OG abzuweisen. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem
Entscheid in der Sache gegenstandslos.

4.2 Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und
Art. 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Mai 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: