Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.8/2006
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1P.8/2006 /ggs

Urteil vom 31. Januar 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Gerber.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Y.________, Untersuchungsrichterin, Beschwerdegegnerin,
Kantonsgericht des Kantons Schwyz, Präsident der 2. Rekurskammer,
Kollegiumstrasse 28, Postfach 2265, 6431 Schwyz.

Ausstand,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung
des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz, Präsident der

2. Rekurskammer, vom 16. Dezember 2005.

Sachverhalt:

A.
Das Verhöramt des Kantons Schwyz ermittelt gegen X.________ wegen des
Verdachts der Veruntreuung zum Nachteil der Stockwerkeigentümergemeinschaft
der Liegenschaft R.________gasse ... in G.________. Die Untersuchung führt
Untersuchungsrichterin Y.________. X.________ wird amtlich verteidigt durch
Rechtsanwalt S.________.

B.
Am 7. Mai 2004 stellte der amtliche Verteidiger von X.________ gegen die
Untersuchungsrichterin ein Ausstandsbegehren. Dieses Begehren wurde von der
Staatsanwaltschaft als unbegründet abgewiesen. Diesen Entscheid bestätigte
das Kantonsgericht des Kantons Schwyz. Eine dagegen gerichtete
staatsrechtliche Beschwerde von X.________ wies das Bundesgericht am 31.
Januar 2005 ab (Urteil 1P.674/2004).

C.
Am 18. April 2005 stellte X.________ erneut ein Ausstandsbegehren gegen die
Untersuchungsrichterin. Mit Schreiben vom 21. April 2005 erklärte die
Untersuchungsrichterin nach bestem Wissen und Gewissen, dass kein
Ausstandsgrund vorliege.

D.
Am 10. November 2005 wies die Staatsanwaltschaft das Ausstandsbegehren ab.
Dagegen erhob X.________ am 22. November 2005 Beschwerde an das
Kantonsgericht mit dem Hinweis, dies geschehe entgegen der Empfehlung seines
amtlichen Verteidigers. Am 16. Dezember 2005 trat der
Kantonsgerichtspräsident als Präsident der 2. Rekurskammer auf die Beschwerde
nicht ein, weil die darin vorgebrachten Gründe, soweit sie nicht ohnehin
verwirkt seien, ungeeignet seien, ein Ausstandsbegehren zu begründen.

E.
Dagegen erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht.
Er beantragt, der Beschluss des Kantonsgerichts vom 16. Dezember 2005 sei
aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht
zurückzuweisen. Zudem ersucht er um die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege und die Bestellung eines kostenlosen Rechtsbeistands.

F.
Die Untersuchungsrichterin und das Kantonsgericht beantragen ohne weitere
Begründung die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid des Kantonsgerichts ist ein kantonal
letztinstanzlicher, selbständig eröffneter Zwischenentscheid über ein
Ausstandsbegehren i.S.v. Art. 87 Abs. 1 OG. Er kann daher mit
staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden. Der Beschwerdeführer ist zur
Beschwerdeführung legitimiert.

Die staatsrechtliche Beschwerde muss die wesentlichen Tatsachen und eine
kurzgefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte
bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt
worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Das Bundesgericht untersucht nicht
von Amtes wegen, ob ein kantonaler Hoheitsakt verfassungswidrig ist, sondern
prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar erhobene und, soweit möglich,
belegte Rügen (BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3/4; 117 Ia 393 E. 1c S. 395). Der
Beschwerdeführer hat sich mit der Begründung im angefochtenen Entscheid im
Einzelnen auseinander zu setzen und zu erklären, welches geschriebene oder
ungeschriebene verfassungsmässige Individualrecht verletzt worden sein soll.
Auf bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik tritt das Bundesgericht
nicht ein (BGE 107 Ia 186 E. b; 125 I 71 E. 1c S. 76, 492 E. 1b S. 495, je
mit Hinweisen).

Im vorliegenden Fall setzt sich der Beschwerdeführer einzig mit E. 4c des
angefochtenen Entscheids ausführlicher auseinander und rügt diesbezüglich die
Verletzung von Verfassungsrechten. Nur auf diese - die Verwendung des
Leumundszeugnisses betreffenden - Rügen kann daher im Folgenden eingetreten
werden.

2.
Der Beschwerdeführer hatte der Untersuchungsrichterin vorgeworfen, ein
Leumundszeugnis unüberprüft verwendet zu haben. Darin werde er zu Unrecht
einer Straftat (Drohung gegenüber der Steuerverwaltung des Kantons Schwyz)
bezichtigt.

Das Kantonsgericht hielt diesen Vorwurf für nicht nachvollziehbar, zumal sich
aus den Akten eindeutig ergebe, dass die Untersuchungsrichterin dem
Beschwerdeführer das Leumundszeugnis bei der Einvernahme vom 22. März 2005
zum rechtlichen Gehör vorgehalten habe und er diesbezüglich die Aussage
verweigert habe. Inwiefern darin ein Ausstandsgrund läge, selbst wenn der
Verwendungsvorwurf zuträfe, sei nicht erkennbar.

2.1 Der Beschwerdeführer beruft sich in seiner staatsrechtlichen Beschwerde
auf sein Recht, die Aussage zu verweigern. Die Inanspruchnahme dieses Rechts
sei ihm vom Kantonsgericht zur Last gelegt worden. Damit werde er vor dem
Gesetz nicht gleich behandelt, wie es jedem Strafverdächtigen zustehe.

Als allgemeiner, bisher aus Art. 4 aBV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleiteter,
Grundsatz des Strafprozessrechts ist anerkannt, dass niemand gehalten ist, zu
seiner Belastung beizutragen. Der in einem Strafverfahren Beschuldigte ist
demnach nicht zur Aussage verpflichtet. Vielmehr ist er auf Grund seines
Aussageverweigerungsrechts berechtigt zu schweigen, ohne dass ihm daraus
Nachteile erwachsen dürfen (BGE 131 IV 36 E. 3.1 S. 40 f. mit Hinweis).

Im vorliegenden Fall ist jedoch kein Verstoss gegen dieses Recht ersichtlich:
Das Kantonsgericht hat das Ausstandsbegehren des Beschwerdeführers nicht
abgewiesen, weil dieser von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht
hatte. Es hat vielmehr ausgeführt, dass die Untersuchungsrichterin das vom
Beschwerdeführer als falsch beanstandete Leumundszeugnis nicht verwendet
habe, sondern es dem Beschwerdeführer lediglich zum rechtlichen Gehör
vorgehalten habe, dieser jedoch die Aussage verweigert habe. Darin konnte das
Kantonsgericht keinen Ausstandsgrund erkennen.

Auch die Untersuchungsrichterin hat den Beschwerdeführer nicht dazu
gezwungen, Aussagen zu machen: Aus dem Einvernahmeprotokoll geht vielmehr
hervor, dass sie ihn ausdrücklich auf sein Aussageverweigerungsrecht
hingewiesen hat. Auch wenn der Beschwerdeführer angekündigt hatte, von diesem
Recht Gebrauch machen zu wollen, konnte und musste die Untersuchungsrichterin
ihm Gelegenheit geben, zu einzelnen in den Akten liegenden Unterlagen
(Strafregisterauszug, Leumundsbericht der Kantonspolizei) Stellung zu nehmen.
Nachdem der Beschwerdeführer jeweils bestätigt hatte, keine Aussage machen zu
wollen, wurden ihm keine weiteren Fragen gestellt.

2.2 Auch die übrigen, in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer erhobenen
Rügen sind offensichtlich unbegründet:
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Untersuchungsrichterin habe die
Unschuldsvermutung verletzt, weil sie die Wahrheit des Leumundszeugnisses
nicht überprüft habe, bevor sie es ins Recht gelegt und damit allen Personen
zugänglich gemacht habe, die ein Akteneinsichtsrecht haben. Sie habe sich
damit der Verleumdung strafbar gemacht.

Der Beschwerdeführer verkennt, dass Leumundszeugnisse der Kantonspolizei bei
Eröffnung eines Strafverfahrens routinemässig eingeholt und zu den Akten
gelegt werden. Die Untersuchungsrichterin hat dem Beschwerdeführer
Gelegenheit gegeben, sich zum Leumundszeugnis und damit zur Richtigkeit der
darin enthaltenen Einträge zu äussern, worauf der Beschwerdeführer jedoch
verzichtete. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich und wird vom
Beschwerdeführer nicht dargelegt, weshalb die Untersuchungsrichterin von sich
aus weitere Abklärungen zur Richtigkeit des Leumundszeugnisses hätte
vornehmen bzw. dieses aus dem Recht hätte weisen müssen. Jedenfalls vermag
das Verhalten der Untersuchungsrichterin bei objektiver Betrachtungsweise
nicht den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu
begründen.

3.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet,
soweit darauf einzutreten ist.

Die Anträge des Beschwerdeführers auf unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung sind mangels Erfolgsaussichten der Beschwerde abzuweisen (Art.
152 Abs. 1 OG): Selbst wenn die Beschwerde von einem amtlich bestellten
Rechtsanwalt besser begründet worden wäre, wäre sie aussichtslos gewesen,
weil kein Ausstandsgrund ersichtlich ist. Der amtliche Verteidiger des
Beschwerdeführers im kantonalen Strafverfahren hatte denn auch davon
abgeraten, Beschwerde gegen die Ablehnung des Ausstandsgesuchs zu erheben.
Nachdem sich der Beschwerdeführer über diese Empfehlung hinweggesetzt und
Beschwerde bis vor Bundesgericht geführt hat, muss er die Kosten dieses
Vorgehens tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung werden
abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz,
Präsident der 2. Rekurskammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. Januar 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: