Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.838/2006
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{T 1/2}
1P.838/2006 /fun

Urteil vom 28. März 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Steinmann.

Kurt Lohri, Beschwerdeführer,

gegen

Regierungsrat des Kantons Luzern,
Bahnhofstrasse 15, 6002 Luzern.

Kantonale Volksabstimmung vom 26. November 2006 über den Kauf und Umbau des
Postbetriebsgebäudes beim Bahnhof Luzern für die Universität und die
Pädagogische Hochschule,

Stimmrechtsbeschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrats des Kantons
Luzern vom 21. November 2006.

Sachverhalt:

A.
In der auf den 26. November 2006 angesetzten Volksabstimmung sollte den
Stimmberechtigten des Kantons Luzern u.a. eine Vorlage betreffend Kauf und
Umbau des Postbetriebsgebäudes beim Bahnhof Luzern für die Universität und
die Pädagogische Hochschule unterbreitet werden.

B.
Am 30. Oktober 2006 reichte Kurt Lohri dem Amt für Gemeinden des Kantons
Luzern die kantonale Volksinitiative "Unit 3000 auf dem edlen Sitz
(Sedel/Sädel) in der Gemeinde Ebikon" zur Vorprüfung ein. Das Amt für
Gemeinden stellte vorerst fest, dass die Voraussetzung gemäss dem kantonalen
Stimmrechtsgesetz, wonach für Volksinitiativen ein Initiativkomitee mit drei
Stimmberechtigten erforderlich ist, zur Zeit nicht erfüllt sei.

Kurt Lohri wandte sich am 4. November 2006 an das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern und stellte das Begehren, die Abstimmung über die UNI Luzern
aufzuheben (bzw. auszusetzen). Er brachte hierfür vor, das Initiativrecht
bilde das Herzstück der Demokratie und verbiete, dass die Volksabstimmung vom
26. November 2006 in Anbetracht seiner eigenen Initiative durchgeführt werde.

Nachdem sich das Verwaltungsgericht als unzuständig erklärt hatte, reichte
Kurt Lohri sein Begehren als Stimmrechtsbeschwerde beim Justiz- und
Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern ein. Der Regierungsrat des Kantons
Luzern wies die Stimmrechtsbeschwerde mit Entscheid vom 21. November 2006 ab.
Er führte aus, dass eine Volksinitiative keine Vorwirkung entfalte und keine
aufschiebende Wirkung zur Folge habe; angesichts des Umstandes, dass die
Unterschriftensammlung noch gar nicht begonnen habe, müssten die
Stimmberechtigten über das Begehren nicht informiert werden und sei die
Volksabstimmung vom 26. November 2006 nicht zu verschieben.

Die Stimmberechtigten nahmen die Vorlage für die Universität und die
Pädagogische Hochschule am 26. November 2006 mit 86'964 Ja gegen 20'974 Nein
an.

C.
Gegen den Entscheid des Regierungsrates vom 21. November 2006 hat Kurt Lohri
beim Bundesgericht am 15. Dezember 2006 (Postaufgabe am 18. Dezember 2006)
staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG erhoben. Er beanstandet,
dass der Regierungsrat weder über seine Initiative informierte noch die
Abstimmung absetzte, und erblickt darin einen Verstoss gegen Treu und
Glauben. Er beantragt die Aufhebung der Volksabstimmung vom 26. November
2006.

Das Justiz- und Sicherheitsdepartement beantragt die Abweisung der
Beschwerde.

D.
Kurt Lohri reichte dem Amt für Gemeinden am 21. November 2006 die Ergänzungen
zum Initiativkomitee ein. Darauf setzte das Amt das Vorprüfungsverfahren fort
und unterbreitete dem Initianten am 22. November und 1. Dezember 2006
Änderungsvorschläge. Am 20. Dezember 2006 genehmigte das Amt die
Unterschriftenliste und die dazugehörenden Erläuterungen. Schliesslich wurde
die Volksinitiative im Luzerner Kantonsblatt Nr. 3 am 20. Januar 2007
publiziert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Initiativrechts, weil seine
Initiative im Vorfeld der Abstimmung vom 26. November 2006 den
Stimmberechtigten des Kantons Luzern nicht amtlich zur Kenntnis gebracht und
die Abstimmung nicht ausgesetzt wurde. Er ist als im Kanton Luzern
stimmberechtigter Bürger zur Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG
legitimiert. Sein Rechtsbegehren ist zulässig. Auf die Beschwerde ist
einzutreten.

2.
Der Regierungsrat führte im angefochtenen Entscheid zu Recht aus, dass
Initiativen grundsätzlich keine Vorwirkungen zukommen (BGE 101 Ia 354 E. 3f
S. 359; Pierre Tschannen, Stimmrecht und politische Verständigung, Basel
1995, N. 707 S. 469). Darüber hinaus wird die Auffassung vertreten, dass
Initiativen auch keinen Anspruch auf bevorzugte Behandlung in der
Geschäftsliste beanspruchen können (Tschannen, a.a.O.).

Für den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass noch gar keine
Initiative vorlag; das Vorprüfungsverfahren war noch nicht abgeschlossen, mit
der Unterschriftensammlung war ebenfalls noch nicht begonnen worden und die
Initiative war damit noch gar nicht eingereicht. Die blosse Absicht, eine
Initiative zu lancieren, vermag für sich allein keine Wirkungen zu entfalten.
Sie rechtfertigt es von vornherein nicht, eine bereits angesetzte
Volksabstimmung zu einem ähnlichen Thema zu verschieben. Sie kann auch nicht
Anlass geben, die Stimmberechtigten darüber behördlicherseits zu informieren;
die Abstimmungsfreiheit im Sinne von Art. 34 Abs. 2 BV schiene vielmehr
gefährdet, wenn ein einzelner Initiant allein aufgrund der Einleitung eines
Initiativ-Vorprüfungsverfahrens eine entsprechende behördliche Information
darüber erlangen könnte. Die Absicht, eine Volksinitiative zu lancieren, ist
Ausdruck einer individuellen politischen Haltung; eine Information darüber
stellt eine private Meinungsäusserung im Abstimmungskampf dar, die publik zu
machen einzig dem Initianten ansteht.

Bei dieser Sachlage hat der Regierungsrat weder das Initiativrecht und die
politischen Rechte des Beschwerdeführers verletzt noch gegen die Regeln von
Treu und Glauben verstossen.

3.

Demnach ist die Beschwerde abzuweisen. Praxisgemäss sind keine Kosten zu
erheben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Regierungsrat des Kantons
Luzern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. März 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: