Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.826/2006
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{T 0/2}
1P.826/2006 /ggs

Urteil vom 15. Mai 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas
Fingerhuth,

gegen

Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, Weststrasse 70, Postfach 9717,
8036 Zürich,
Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, Hirschengraben 13,
Postfach, 8023 Zürich.

Einstellung des Strafverfahrens; Kosten- und Entschädigungsfolgen,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Strafkammer, vom 25. November 2006.
Sachverhalt:

A.
Gegen X.________ wurde eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf Betrug
geführt. Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich stellte das
Untersuchungsverfahren am 13. September 2005 zwar ein, auferlegte dem
Angeschuldigten aber die Verfahrenskosten im Betrag von Fr. 5'600.-- und
sprach ihm weder eine Umtriebsentschädigung noch eine Genugtuung zu.
X.________ verlangte daraufhin gerichtliche Beurteilung des Entscheids über
die Kosten- und Entschädigungsfolgen. Mit Verfügung vom 25. November 2005
auferlegte der Einzelrichter des Einzelrichteramtes für Zivil- und
Strafsachen am Bezirksgericht Zürich die Kosten der eingestellten
Strafuntersuchung im Betrag von Fr. 5'600.-- dem Angeschuldigten.

X. ________ erhob gegen die Verfügung des Einzelrichters Rekurs, welchen die
III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich mit Beschluss vom 25.
November 2006 abwies, soweit sie darauf eintrat. Zur Begründung führte die
Strafkammer aus, es sei rechtsgenüglich erstellt, dass der als
Vermögensverwalter tätige Angeschuldigte seinen Klienten Y.________ über die
Hintergründe des Erwerbs bzw. die Herkunft von Aktien nicht aufgeklärt habe.
Der Angeschuldigte sei ausdrücklich aufgefordert worden, zu diesem Vorwurf
Stellung zu nehmen. Auf die Zeugenaussage von Y.________ könne daher insoweit
ohne weiteres abgestellt werden. Die gegenteilige Version des
Angeschuldigten, er habe seinen Klienten mündlich umfassend über die Herkunft
der Aktien orientiert, sei als Schutzbehauptung nicht zu hören. Der
Vorderrichter habe einlässlich dargelegt, dass der Angeschuldigte seine
vertragliche Treue- und Sorgfaltspflicht gemäss Art. 398 Abs. 2 OR
grobfahrlässig verletzt habe, was zur Einleitung des Strafverfahrens geführt
habe, und dass dem Angeschuldigten deshalb gestützt auf § 42 des Gesetzes des
Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 betreffend den Strafprozess
(Strafprozessordnung; StPO/ZH) die Verfahrenskosten auferlegt werden dürften.

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt X.________, dass der Beschluss des
Obergerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung zurückgewiesen
wird.

C.
Die III. Strafkammer des Obergerichts sowie der leitende Staatsanwalt der
Staatsanwaltschaft III verzichten auf Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das angefochtene Urteil erging am 25. November 2006 und damit vor
Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005
(Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007. Demzufolge richtet
sich das Beschwerdeverfahren nach dem bisherigen Recht (Art. 84 ff. OG; Art.
132 Abs. 1 BGG, e contrario).

2.
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er sich zu den am 16.
März 2004 gemachten Zeugenaussagen von Y.________ über die Verletzung der
auftragsrechtlichen Treue- und Sorgfaltspflicht bei seiner Einvernahme am 18.
März 2004 äussern konnte. Hingegen macht er geltend, entgegen der ständigen
kantonalen Rechtsprechung zu § 14 StPO/ZH nicht mit dem Zeugen Y.________
konfrontiert worden zu sein, weshalb die ihn belastenden Zeugenaussagen nicht
verwertbar seien. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Anwendung der
genannten Strafprozessnorm.

3.2 Der Angeschuldigte hat das Recht, dem Belastungszeugen Fragen zu stellen
(§ 14 Abs. 1 StPO/ZH, Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK
und Art. 14 Ziff. 3 lit. e IPBPR). Gemäss § 15 StPO/ZH sind Einvernahmen von
Zeugen, Auskunftspersonen oder Sachverständigen, bei welchen die Vorschrift
von § 14 StPO/ZH nicht beachtet wurde, nichtig, soweit sie den
Angeschuldigten belasten.

Geht es indessen nicht um das Strafverfahren als solches, sondern nur um die
Nebenfolgen einer eingestellten Strafuntersuchung, haben nach der
Rechtsprechung des Zürcher Kassationsgerichts die §§ 14/15 StPO/ZH keine
unmittelbare Anwendung. Das Kassationsgericht begründet dies damit, dass
nicht ein strafrechtlich relevanter Schuldnachweis und die Ausfällung einer
Strafe zur Diskussion stehe, sondern die Abklärung einer zivilrechtlichen
Grundsätzen angenäherten Haftung für die Einleitung einer Strafuntersuchung
durch leichtfertiges oder verwerfliches Benehmen oder für die Erschwerung des
Untersuchungsverfahrens (vgl. § 42 Abs. 1 StPO/ZH). Als elementarer Grundsatz
jedes Verfahrens müsse jedoch gelten, dass man die Parteien hört und erst
entscheidet, wenn man den Sachverhalt kennt, und sei es auch nur nach dem
Prinzip der formellen Wahrheit. Der Grundsatz schliesse ein, dass den
Parteien und ihren Vertretern resp. dem Angeschuldigten und seinem
Verteidiger Gelegenheit geboten werde, grundsätzlich allen Beweiserhebungen
und Verhandlungen im Prozess beizuwohnen und bei Einvernahmen
Ergänzungsfragen zu stellen. Diese aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör
abgeleiteten Verfahrensgrundsätze müssten deshalb bei der Auferlegung der
Kosten- und Entschädigungsfolgen auf alle Fälle beachtet werden
(Zirkulationsbeschlüsse des Kassationsgerichts vom 24. März 2004 [Kass.-Nr.
AC040003] und vom 22. Dezember 2005 [Kass.-Nr. AC050025], je mit Hinweisen).

3.3 Vorliegend vertritt das Obergericht den Standpunkt, dass die
Zeugenaussagen von Y.________ bei der Prüfung der Kostenauflage verwertbar
sind, da sich der Beschwerdeführer dazu, wenn auch nicht anlässlich der
Zeugeneinvernahme, so doch vor dem Kostenentscheid äussern konnte. Unter dem
Blickwinkel des Willkürverbots (Art. 9 BV) ist dieser Standpunkt vertretbar.
Nach der oben dargestellten, vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellten
Rechtsprechung des Kassationsgerichts sind § 14/15 StPO/ZH im Rahmen der
Kostenauflage nicht unmittelbar anwendbar, sondern es muss lediglich der
Grundsatz des rechtlichen Gehörs eingehalten werden. Die dem Beschwerdeführer
eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Zeugenaussagen von
Y.________ steht in Einklang mit den Anforderungen des bundesrechtlichen
Gehörsanspruchs (Art. 29 Abs. 2 BV), wonach der Betroffene das Recht hat,
sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur
Sache zu äussern und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder
mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern (vgl. BGE 127 I
54 E. 2b S. 56, mit Hinweisen). Im Übrigen geht auch das Kassationsgericht
davon aus, dass zur Verwertbarkeit von Zeugenaussagen im Rahmen der
Kostenauflage die persönliche Teilnahme des Angeschuldigten bei der
Zeugeneinvernahme nur grundsätzlich und nicht in absolut allen Fällen
vorausgesetzt ist. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, weshalb in seinem
Fall eine Konfrontationseinvernahme unabdingbar gewesen wäre.

Nach dem Gesagten durfte das Obergericht somit aufgrund der dem
Beschwerdeführer eingeräumten Äusserungsmöglichkeit von der Verwertbarkeit
der Zeugenaussagen von Y.________ für den Kostenauflageentscheid ausgehen.
Eine willkürliche, der kantonalen Rechtsprechung krass zuwiderlaufende
Anwendung von § 14 StPO/ZH liegt nicht vor.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist
abzuweisen. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft III und dem
Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Mai 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: