Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.808/2006
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{T 0/2}
1P.808/2006 /fun

Urteil vom 4. Januar 2007

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Thönen.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Strafgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt, Schützenmattstrasse 20,
4003 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

Verweigerung des vorläufigen Strafvollzugs,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 2. November 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geb. 1966) befindet sich seit dem 12. Oktober 2005 wegen des
Verdachts der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz
in Untersuchungshaft.

Die Strafgerichtspräsidentin von Basel-Stadt wies am 8. September 2006 ein
Gesuch von X.________ vom 28. August 2006 um Versetzung in den vorläufigen
Strafvollzug ab.

Mit Urteil vom 2. November 2006 wies das Appellationsgericht die Beschwerde
gegen die Verfügung der Strafgerichtspräsidentin ab. X.________ war im
kantonalen Verfahren durch Advokat Robert Kunz  vertreten.

B.
Gegen das Urteil des Appellationsgerichts führt X.________ mit Eingabe vom 5.
Dezember 2006 staatsrechtliche Beschwerde. Am 12. Dezember 2006 reicht er auf
Aufforderung das angefochtene Urteil ein. Am 18. Dezember 2006 ersucht er um
unentgeltliche Rechtspflege.

Die Strafgerichtspräsidentin und das Appellationsgericht verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonal
letztinstanzlichen Entscheid (Art. 86 Abs. 1 OG) über die Verweigerung der
Versetzung in den vorläufigen Strafvollzug nach kantonalem Strafprozessrecht
(§ 75 StPO/BS).

1.2 Der Beschwerdeführer wiederholt im Wesentlichen seine Vorbringen aus dem
kantonalen Verfahren. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde ein, soweit
die Ausführungen sinngemäss als Verfassungsrügen verstanden werden können
(Art. 84 Abs. 1 lit. a und Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Im Übrigen ist auf die
Beschwerde nicht einzutreten.

2.
Nach dem angefochtenen Urteil kann der vorläufige Strafvollzug nicht
bewilligt werden, weil dort eine "weniger einschränkende Beaufsichtigung"
herrsche (Telefon, Briefe, Besuche, Urlaub) und weil aufgrund der Umstände
eine "verdichtete Gefahr" bestehe, dass der Beschwerdeführer in Kontakt mit
den anderen Mitbeschuldigten und Zeugen treten könnte, um sie im Hinblick auf
die Gerichtsverhandlung zu beeinflussen. Das Strafgericht müsse die
entscheidenden Beweise unmittelbar in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung
erheben, d.h. namentlich Zeugen und Auskunftspersonen befragen
(Unmittelbarkeitsprinzip). Im Hinblick darauf gelte es Einflussnahmen zu
verhindern. Der Beschwerdeführer werde verdächtigt, als Mitglied eines
europaweiten Drogenhändlerrings Heroin und Kokain im mehrfachen Kilobereich,
grosse Mengen Marihuana und mehrere tausend Extasy-Pillen beschafft und
eingeführt zu haben, Mittelsmann zwischen Holland und der Schweiz gewesen zu
sein und gegenüber den hiesigen Drogenverkäufern eine führende Rolle
eingenommen zu haben. Gegen ihn werde auch in den Niederlanden ein
Strafverfahren wegen Drogenhandels geführt. Da er von weiteren Beteiligten in
erheblichem Masse über die eigenen Zugeständnisse hinaus belastet werde, habe
er im Hinblick auf die Schwere der Anklage ein evidentes Interesse daran, das
Beweisergebnis zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Überdies habe die
Untersuchungsbehörde an ihn gerichtete Briefpost zurückbehalten müssen, weil
darin über das laufende Verfahren und Verhaftungen in Holland berichtet
worden sei.

3.
Der Beschwerdeführer rügt, es sei zu Unrecht Kollusionsgefahr angenommen
worden. Aus seinem bisherigen Verhalten ergäben sich dafür keine konkreten
Anhaltspunkte.

3.1 Das Bundesgericht hat in einem Berner Fall betreffend einen verweigerten
vorzeitigen Strafantritt (Urteil 1P.724/2003 vom 16. Dezember 2003)
entschieden, Kollusionsgefahr könne unter bestimmten Umständen auch dann
angenommen werden, wenn der Untersuchungsgefangene bisher keine Anstalten
getroffen bzw. keine Gelegenheit zu Kollusionshandlungen hatte. Die Aussagen
eines Mitangeschuldigten bildeten den Hauptbelastungsbeweis gegen den
Betroffenen, der wegen Verdachts qualifizierter Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz gefangen gehalten wurde. Für die Annahme der
Kollusionsgefahr reichte aus, dass der Untersuchungsgefangene ein eminentes
Interesse an einer Kontaktaufnahme mit dem Mitangeschuldigten hatte. Gemäss
diesem Urteil ist es gerichtsnotorisch, dass in Verfahren gegen
Drogenhändlerbanden immer wieder versucht wird, Belastungszeugen
einzuschüchtern oder sonstwie zu beeinflussen, um sie zu einer Rücknahme
ihrer Belastungen zu bringen. Unter solchen Umständen kann Kollusionsgefahr
angenommen werden.

3.2 Der Beschwerdeführer steht im Verdacht, einem internationalen Drogenring
anzugehören und mit Drogen gehandelt zu haben. Er ist angeklagt wegen
qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Im Falle einer
Verurteilung droht dem Beschwerdeführer eine empfindliche Strafe. Er wird von
weiteren Beteiligten in erheblichem Mass belastet. Die Hauptverhandlung ist
gemäss Mitteilung des Strafgerichts auf 15. bis 19. Januar 2007 festgesetzt.
Es sind dort gemäss dem Unmittelbarkeitsprinzip Personen einzuvernehmen, die
den Beschwerdeführer belasten könnten. Für die Wahrheitsfindung ist es von
grosser Bedeutung, dass sich die Mitangeklagten vor der Hauptverhandlung
nicht absprechen können.

Diese Umstände reichen nach der Rechtsprechung als konkrete Hinweise für
Kollusionsgefahr aus. Dass dem Beschwerdeführer keine bereits begangenen
Kollusionshandlungen vorgeworfen werden, vermag an der Einschätzung der
Gefahrenlage nichts zu ändern. Das Vorbringen ist unbegründet.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, der Beschleunigungsgrundsatz sei
verletzt. Gemäss dem Appellationsgericht ist die Haftdauer von heute rund 15
Monaten angesichts der drohenden Strafe verhältnismässig. Der Gang des
Strafverfahrens bewege sich in einem üblichen und vertretbaren Rahmen,
weshalb das Beschleunigungsgebot nicht verletzt sei. Diese Ansicht ist nicht
verfassungswidrig und das Vorbringen ist unbegründet.

4.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe vier Kinder und es sei nicht
korrekt, ihn von diesen zu isolieren. Nach Ansicht des Appellationsgerichts
ist der überwachte briefliche Verkehr mit den Kindern bereits in
Untersuchungshaft möglich; der vorläufige Strafvollzug lasse keine wesentlich
kindgerechteren Kontakte zu. Der Beschwerdeführer rügt diesbezüglich keine
Verfassungsverletzung; seine Beschwerde ist insoweit - gemessen an den
gesetzlichen Anforderungen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) - ungenügend begründet,
weshalb darauf nicht einzutreten ist.

4.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Unterbringung in der
Untersuchungshaft sei äusserst hart und belastend; die
Strafgerichtspräsidentin lehne vorurteilshaft alles ab, was er beantrage, und
Gesichtspunkte, die für ihn sprächen, würden nicht zur Kenntnis genommen.

Das Vorbringen geht fehl. Erweist sich die Verweigerung des vorläufigen
Strafantritts als zulässig, so dauern die Untersuchungshaft und die damit
verbundenen Einschränkungen fort. Soweit sie den Verfahrensgegenstand
betreffen, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die allgemeinen
und pauschalen Behauptungen eine Verfassungsverletzung begründeten. Auf die
Vorbringen ist nicht einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Da die Beschwerde aussichtslos ist, kann das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege nicht bewilligt werden (Art. 152 Abs. 2 OG). In Sinne einer
Ausnahme wird aber davon abgesehen, eine Gerichtsgebühr zu erheben (Art. 154
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Strafgerichtspräsidentin und dem
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Januar 2007

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: