Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.792/2006
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{T 0/2}
1P.792/2006 /fun

Urteil vom 8. Februar 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Ralph
Schiltknecht,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau,
Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht,
3. Kammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.

Strafverfahren,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,

3. Kammer, vom 20. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksamt Baden verurteilte X.________ mit Strafbefehl vom
14. September 2005 wegen grober Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90
Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 SVG und Art. 36 Abs. 5 VRV zu 500 Franken
Busse. Es hielt für erwiesen, dass er am 22. Juni 2005, um 11:45 Uhr, am
Steuer seines Personenwagens auf der Autobahn A1 in Richtung Bern fahrend,
bei Neuenhof zwei Personenwagen rechts überholte.

Auf Einsprache von X.________ hin bestätigte der Vizepräsident des
Gerichtspräsidiums 1 Baden diese Verurteilung am 31. Mai 2006.
Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Berufung von X.________ am 20.
Oktober 2006 ab.

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 1. Dezember 2006 wegen Verletzung von
Art. 9 und Art. 32 Abs. 1 BV sowie von Art. 6 Ziff. 2 EMRK beantragt
X.________, das obergerichtliche Urteil aufzuheben und ihn von Schuld und
Strafe freizusprechen.

Staatsanwaltschaft und Obergericht verzichten auf Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Beim angefochtenen Urteil des Obergerichts handelt es sich um einen
letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der
Beschwerdeführer ist durch seine strafrechtliche Verurteilung in seinen
rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist,
die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen. Auf die Beschwerde ist
daher einzutreten, sofern er gehörig begründete Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b
OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c) erhebt.

2.
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht eine Verletzung des Grundsatzes
"in dubio pro reo" in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel sowie
willkürliche Beweiswürdigung vor.

2.1 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung steht
den kantonalen Instanzen ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkür in der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen
ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen
oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich
der angefochtene Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist;
eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis
verfassungswidrig ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je
mit Hinweisen).

2.2 Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten
Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet (vgl.
dazu BGE 127 I 38 E. 2a S. 41 f.; 124 IV 86 E. 2a S. 88; 120 Ia 31 E. 2c und
d S. 36). In seiner vom Beschwerdeführer angerufenen Funktion als
Beweiswürdigungsregel besagt der Grundsatz "in dubio pro reo", dass sich der
Strafrichter nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt
überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob
sich der Sachverhalt so verwirklicht hat (vgl. BGE 127 I 38 E. 2a mit
Hinweisen).

3.
3.1 Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht auf dem Rapport und den
Aussagen von Korporal A.________ von der Kantonspolizei Aargau als Zeuge an
der bezirksgerichtlichen Hauptverhandlung vom 31. Mai 2006. Nach seiner
Darstellung war er zum fraglichen Zeitpunkt mit einem neutralen Polizeiwagen
auf einer Patrouillenfahrt auf der A1 in Fahrtrichtung Bern unterwegs, als er
bei Neuenhof feststellte, dass der vor ihm auf dem 1. Überholstreifen
fahrende Beschwerdeführer nach rechts auf die Normalspur wechselte, zwei
Personenwagen (den Audi A4 GR ... und den Mercedes E 350 AG ...) überholte
und anschliessend wieder auf den 1. Überholstreifen einbog. Korporal
A.________ stellte den Beschwerdeführer nach diesem Vorfall und eröffnete ihm
im Polizeistützpunkt Schafisheim die Verzeigung.

3.2 Das Obergericht erwägt im angefochtenen Entscheid, Korporal A.________
schildere das unerlaubte Überholmanöver detailliert und ohne Übertreibungen;
so halte er etwa ausdrücklich fest, der Beschwerdeführer habe nicht "in einem
Spurt", aber "zielstrebig" nach vorne gerichtet überholt und dabei niemanden
konkret gefährdet. Es bestünden keine Hinweise, dass der Polizeibeamte, der
sich auf einer Patrouillenfahrt befand mit dem expliziten Auftrag, den
Verkehr zu beobachten, den Beschwerdeführer zu Unrecht beschuldigt haben
könnte. Das Obergericht hat zwar beanstandet, der Rapport sei insofern
unvollständig, als Korporal A.________ nicht erwähnt habe, mit den beiden
überholten Lenkern telefonisch Kontakt aufgenommen zu haben. Auch wenn diese
zum Vorfall keine Aussagen machen konnten, hätte er dies der Vollständigkeit
halber im Rapport festhalten müssen. Dieser Fehler ändere aber nichts an der
Glaubwürdigkeit von Korporal A.________ und der Glaubhaftigkeit seiner
Darstellung.

3.3 Die Darstellung des beanstandeten Überholmanövers von Korporal A.________
ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers präzise und
widerspruchsfrei. Anhaltspunkte für eine Falschbezichtigung werden vom ihm
nicht genannt und sind auch nicht erkennbar. Dass Korporal A.________ im
Rapport unerwähnt liess, die beiden überholten Fahrer telefonisch kontaktiert
zu haben, verletzt zwar, wie das Obergericht zu Recht ausführt, die Forderung
nach einer vollständigen Rapportierung der Ermittlungshandlungen. Da die
beiden überholten Fahrer zum Vorfall nichts sagen konnten und dementsprechend
ihre Aussagen nicht zu Lasten des Beschwerdeführers verwertet wurden (und
wohl aus diesem Grund im Rapport unerwähnt blieben), ist ihm aus dieser
Unterlassung kein Nachteil erwachsen. Der Vorfall ist nicht derart
aussergewöhnlich, dass sich die beiden überholten Fahrer zwingend daran
hätten erinnern müssen, zumal sie durch das umstrittene Überholmanöver nach
der Aussage von Korporal A.________ nicht konkret gefährdet wurden. Mit dem
Umstand, dass sie ihn nicht bemerkten, lässt sich weder eine willkürliche
Beweiswürdigung noch eine Verletzung der Unschuldsvermutung begründen.

Klarerweise unbegründet ist die Rüge, das Obergericht habe willkürlich nur
diejenigen Umstände in seine Beweiswürdigung einbezogen, mit denen es die
Glaubwürdigkeit des Polizeibeamten habe konstruieren können; der
Beschwerdeführer legt denn auch nicht konkret dar, auf Grund welcher
unberücksichtigt gebliebener Umstände es zwingend zu einem anderen
Beweisergebnis hätte kommen müssen. Allein der Umstand, dass er den
Tatvorwurf von Anfang an bestritt, lässt die obergerichtliche Beweiswürdigung
jedenfalls nicht als willkürlich erscheinen.

Insgesamt bringt der Beschwerdeführer nichts vor, was die
Verfassungsmässigkeit der obergerichtlichen Beweiswürdigung in Frage stellen
könnte. Seine Vorbringen sind offensichtlich unbegründet und erschöpfen sich
in appellatorischer, in einer staatsrechtlichen Beschwerde unzulässiger
Kritik an der obergerichtlichen Beweiswürdigung.

4.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 8. Februar 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: