Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.778/2006
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{T 0/2}
1P.778/2006 /fun

Urteil vom 6. März 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Toni Thüring,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn,
Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,
Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, Amthaus I, Postfach 157, 4502
Solothurn.

Parteientschädigung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Solothurn, Strafkammer,
vom 19. Oktober 2006.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
X. ________ wurde mit Strafverfügung des Untersuchungsbeamten der
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 2. August 2006 wegen Ruhestörung
zu einer Busse von Fr. 60.-- und zur Tragung der Verfahrenskosten verurteilt.
Dagegen erhob X.________ Einsprache. Am 16. August 2006 stellte der
Untersuchungsbeamte die Strafuntersuchung mangels Beweisen ein und auferlegte
die Verfahrenskosten dem Staat Solothurn. Jedoch verneinte er mit Verfügung
vom 19. September 2006 die Ausrichtung einer Parteientschädigung. Das
Obergericht des Kantons Solothurn wies den dagegen erhobenen Rekurs mit
Urteil vom 19. Oktober 2006 ab. Zur Begründung führte es aus, der Beizug
eines Rechtsanwalts sei für die Erhebung der Einsprache nicht erforderlich
gewesen, weshalb die Entschädigungspflicht des Staates entfalle.

2.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt X.________ die Aufhebung des
Urteils des Obergerichts und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung.

Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft beantragen Beschwerdeabweisung.

3.
Das angefochtene Urteil erging am 19. Oktober 2006 und damit vor
Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005
(Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007. Demzufolge richtet
sich das Beschwerdeverfahren nach dem bisherigen Recht (Art. 84 ff. OG; Art.
132 Abs. 1 BGG, e contrario).

4.
Vorab macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
geltend, weil das Obergericht nicht begründet habe, weshalb es entgegen der
klaren Gesetzeslage die Ausrichtung einer Parteientschädigung verneinte.

Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgt die
grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Gemäss
konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts muss sich die Behörde aber nicht
mit allen Argumenten auseinander setzen, sondern kann sich auf die für den
Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102
f., mit Hinweisen). Das Obergericht hat im angefochtenen Urteil unter
Heranziehung von Rechtsprechung und Lehre einlässlich begründet, aus welchen
Gründen es die Ausrichtung einer Parteientschädigung im vorliegenden Fall als
nicht gerechtfertigt erachtete. Von einer Verletzung der Begründungspflicht
kann daher offensichtlich nicht die Rede sein.

5.
Sodann bringt der Beschwerdeführer vor, nach den §§ 36 und 37 der
Strafprozessordnung des Kantons Solothurn vom 7. Juni 1970 (StPO/SO) sei bei
Freispruch oder Verfahrenseinstellung eine Parteientschädigung auszurichten,
sofern dem Betroffenen kein prozessuales Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Die
genannten Bestimmungen würden keine Grundlage dafür bieten, in
Bagatellstrafsachen Parteientschädigungen generell zu verweigern. Zudem sei
er aufgrund seiner beruflichen und ausserberuflichen Beanspruchung gezwungen
gewesen, sich anwaltlich vertreten zu lassen. Indem das Obergericht die
Ausrichtung einer Parteientschädigung verneinte, sei es in Willkür (Art. 9
BV) verfallen.

Im Urteil 1P.134/1999 vom 25. Mai 1999 entschied das Bundesgericht in einem
den Kanton Solothurn betreffenden Fall, dass es nicht willkürlich ist, einem
Freigesprochenen in einer Bagatellsache keine Parteientschädigung
zuzusprechen, wenn der Beizug eines Verteidigers nicht als geboten erschien;
daran ändert nichts, dass die §§ 36 und 37 StPO/SO keine entsprechende
Klausel enthalten (E. 2). Es ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte, die den
Standpunkt des Obergerichts, ein Anspruch auf Parteientschädigung bestehe nur
unter der Voraussetzung, dass die Verteidigung objektiv geboten war, als
willkürlich erscheinen lassen würden.

Ob der Beizug eines Anwalts im konkreten Fall als geboten erscheint, ist eine
Ermessensfrage. Dem Obergericht stand diesbezüglich ein weiter
Ermessensspielraum zu, in den das Bundesgericht nur bei unhaltbaren Schlüssen
eingreift (BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17, mit Hinweisen). Nach Auffassung des
Obergerichts handelte es sich vorliegend um eine Bagatellstrafsache. Dies
stellt der Beschwerdeführer nicht in Frage. Allein das Argument, aufgrund der
diversen Beanspruchungen des Beschwerdeführers sei der Beizug eines Anwalts
geboten gewesen, lässt den Standpunkt des Obergerichts, mangels Komplexität
des Falles und in Anbetracht des hohen Bildungsstandes des Beschwerdeführers
sei ein Anwalt nicht erforderlich gewesen, nicht als unhaltbar erscheinen.
Die Willkürrüge ist unbegründet.

6.
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer unter Berufung auf BGE 115 IV 156 eine
Verletzung der Unschuldsvermutung (Art. 6 Ziff. 2 EMRK).

Die Unschuldsvermutung verbietet es, einem Angeschuldigten Kosten
aufzuerlegen und eine Entschädigung zu verweigern, wenn die Behörde damit zum
Ausdruck bringt, der Betroffene sei doch schuldig, obwohl er freigesprochen
oder das Strafverfahren eingestellt worden ist (BGE 120 Ia 147 E. 3b S. 155).
In der Verweigerung einer Entschädigung mit der Begründung, der Beizug eines
Anwalts sei mangels Kompliziertheit des Verfahrens nicht gerechtfertigt
gewesen, liegt indessen keine strafrechtliche Missbilligung. Nichts anderes
lässt sich aus BGE 115 IV 156 ableiten (vgl. E. 2d S. 160). Die Rüge der
Verletzung der Unschuldsvermutung geht daher ebenfalls fehl.

7.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich insgesamt als offensichtlich
unbegründet und ist abzuweisen. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. März 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: