Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.772/2006
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{T 1/2}
1P.772/2006 /fun

Urteil vom 1. Februar 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Haag.

Martin Ruch, Beschwerdeführer,

gegen

Kantonsrat Schaffhausen, Beckenstube 11,
8200 Schaffhausen.

Änderung des Dekrets über die Organisation
des Steuerwesens (Neuorganisation des Steuerwesens) vom 13. November 2006;
kantonale Volksabstimmung vom 11. März 2007,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsrats Schaffhausen
vom 13. November 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Beschluss vom 13. November 2006 hat der Schaffhauser Kantonsrat eine
Änderung seines Dekrets über die Organisation des Steuerwesens vom 27.
November 2000 (SHR 641.110) beschlossen. Zudem hat er entschieden, diese
Dekretsänderung freiwillig der Volksabstimmung zu unterbreiten. Die
Dekretsänderung hat eine grundlegende Neuordnung der Organisation des
Steuerwesens zum Gegenstand. Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hat
die entsprechende Volksabstimmung auf den 11. März 2007 festgelegt.

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 21. November 2006 beantragt Martin Ruch
die Aufhebung der Beschlüsse des Kantonsrats vom 13. November 2006 und die
Aufhebung bzw. Nichtanwendung von Art. 122 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes vom
20. März 2000 über die direkten Steuern (StG). Er rügt im Wesentlichen eine
Verletzung seines Stimmrechts (Art. 43 BV) und des Gewaltenteilungsprinzips
sowie die Missachtung der Gemeindeautonomie (Art. 50 BV), des Willkürverbots
(Art. 9 BV) und des Gesetzesvorbehalts (Art. 50 der Verfassung des Kantons
Schaffhausen vom 17. Juni 2002, KV).

C.
Der Kantonsrat beantragt, auf die Beschwerde sei weder als
Stimmrechtsbeschwerde (Art. 85 lit. a OG) noch als staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 Abs. 1 lit. a
OG) einzutreten, eventuell seien die Beschwerden abzuweisen. In seiner
Beschwerdeergänzung vom 19. Januar 2007 hält der Beschwerdeführer sinngemäss
an seinen Anträgen und deren Begründung fest.

D.
Mit Verfügung vom 18. Dezember 2006 hat der Präsident der
I. öffentlich-rechtlichen Abteilung ein Gesuch des Beschwerdeführers um
Anordnung einer vorsorglichen Massnahme abgewiesen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (BGG, SR 173.110) in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist auf ein
Beschwerdeverfahren nur anwendbar, wenn der angefochtene Entscheid nach dem
1. Januar 2007 ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Diese Voraussetzung ist
vorliegend nicht erfüllt, weshalb die Beschwerde nach den Bestimmungen des OG
zu beurteilen ist.

2.
Gegen die umstrittene Dekretsänderung und deren Unterstellung unter die
Volksabstimmung steht kein kantonales Rechtsmittel offen. Der
Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, die Neuordnung der Organisation
des Steuerwesens hätte nach der verfassungsrechtlichen Ordnung in Form eines
Gesetzes vorgenommen werden müssen und dürfe nicht mit einer blossen
Dekretsänderung eingeführt werden. Mit der Durchführung einer Volksabstimmung
über die Dekretsänderung werde der Mangel nicht beseitigt. Zur Erhebung
solcher Beanstandungen steht grundsätzlich die staatsrechtliche Beschwerde
zur Verfügung (Art. 84 Abs. 2 OG). Mit dieser Beschwerde kann eine Verletzung
des Stimmrechts (Art. 85 lit. a OG) und verfassungsmässiger Rechte der Bürger
(Art. 84 Abs. 1 lit. a OG) gerügt werden. Der Beschwerdeführer erhebt sowohl
Stimmrechtsbeschwerde als auch Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte.

2.1 Gemäss Art. 85 lit. a OG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden
betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürgerinnen und Bürger. Mit
Stimmrechtsbeschwerde kann die Verletzung sämtlicher im Zusammenhang mit den
politischen Rechten stehenden Vorschriften beanstandet werden (BGE 123 I 97
E. 1b/aa; 120 Ia 194 E. 1b). Die Rechtsprechung betrachtet hingegen lediglich
die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte
als zulässig (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG), wenn der Beschwerdeführer -  in
Berufung auf das Prinzip der Gewaltenteilung - einer kantonalen Regierung
vorwirft, Massnahmen getroffen zu haben, welche in die Kompetenz der
Legislative fielen und welche daher dem fakultativen Referendum hätten
unterstellt werden müssen (BGE 131 I 386 E. 2.2 S. 389 mit zahlreichen
Hinweisen). Die Lösung ist nicht anders, wenn in einer Beschwerde gerügt
wird, ein kantonales Gesetz verletze den Gewaltenteilungsgrundsatz der
Kantonsverfassung. Mit einer Stimmrechtsbeschwerde kann nicht die Verletzung
jeder kantonalen Norm geltend gemacht werden mit der Begründung, eine solche
Verletzung habe indirekte Auswirkungen auf die politischen Rechte. Die
Beeinträchtigung des Stimmrechts muss sich vielmehr direkt aus dem Rechtsakt
selbst ergeben. Das ist der Fall, wenn das Gesetz Bestimmungen betreffend das
Stimmrecht enthält, oder wenn es das Parlament unterlässt, einen Rechtsakt
dem Referendum zu unterstellen, obgleich er gemäss der Verfassung einem
solchen unterstellt werden müsste, so zum Beispiel im Bereich der Ausgaben.
Wird hingegen lediglich eine indirekte Verletzung des Stimmrechts behauptet,
so kann die geltend gemachte Verfassungsverletzung nur Gegenstand der in Art.
84 Abs. 1 lit. a OG vorgesehenen Beschwerde sein (BGE 131 I 386 E. 2.2 S. 389
f. mit Hinweisen).

2.2 Vorliegend geht es um ein Dekret des Kantonsrats, das nach Art. 32 lit. i
KV freiwillig der obligatorischen Volksabstimmung unterbreitet wurde.
Insoweit ist ein direkter Zusammenhang mit den politischen Rechten der Bürger
gegeben. Die Unterstellung unter die obligatorische Volksabstimmung kann
grundsätzlich im Rahmen der Stimmrechtsbeschwerde geprüft werden. Fraglich
ist im vorliegenden Fall jedoch die Legitimation des Beschwerdeführers.

Materiell hat die angefochtene Norm, bei der es um die grundlegende
Neuordnung der Organisation des Steuerwesens geht, keinen direkten
Zusammenhang mit den kantonalen Abstimmungen oder Wahlen (vgl. BGE 123 I 41
E. 6b S. 46 mit Hinweisen). Soweit sich der Beschwerdeführer auf das
Gewaltenteilungsprinzip und weitere verfassungsmässige Rechte stützt, die
nicht direkt seine politischen Rechte betreffen, könnten die Rügen lediglich
Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde im Sinne von Art. 84 Abs. 1
lit. a OG sein. Auch soweit der Beschwerdeführer generell beanstandet, das
umstrittene Dekret verletze ihn in seinem Mitwirkungsrecht an der
Gesetzgebung, indem es die dem Kantonsrat zustehenden Kompetenzen
überschreite, kann diese Rüge nach dem Vorstehenden nicht mit
Stimmrechtsbeschwerde vorgebracht werden (vgl. BGE 123 I 41 E. 6c S. 47). Im
Übrigen stützt der Beschwerdeführer seine Argumentation auf eine Verletzung
von Verfassungsbestimmungen, welche ihrerseits ebenfalls keinen Bezug zu den
politischen Rechten haben. Sein Hauptanliegen fällt somit ausschliesslich
unter die Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84
Abs. 1 lit. a OG).

2.3 Die Begründungspflicht gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG gilt sowohl für
Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte als auch für
Stimmrechtsbeschwerden. Das Bundesgericht prüft demnach nur die
rechtsgenügend erhobenen Rügen. Ein Beschwerdeführer muss den wesentlichen
Sachverhalt darlegen, die als verletzt behaupteten Verfassungsbestimmungen
nennen und überdies dartun, inwiefern diese verletzt sein sollen (BGE 129 I
185 E. 1.6 S. 189 mit Hinweisen). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende
Beschwerde weder als Stimmrechtsbeschwerde noch als staatsrechtliche
Beschwerde im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. a OG. Der Beschwerdeführer legt
nicht dar, inwiefern eine Verletzung seines Stimmrechts vorliegen soll und
erklärt nicht, inwiefern er nach den von ihm angerufenen Verfassungsnormen in
seinen rechtlich geschützten Interessen verletzt sein soll. Seine
Ausführungen beschränken sich im Wesentlichen darauf, den Inhalt der
angerufenen Bestimmungen darzustellen und verschiedentlich pauschal
festzuhalten, dass die angefochtene Regelung dagegen verstosse.

2.4 Es ergibt sich somit, dass auf die Beschwerde weder als
Stimmrechtsbeschwerde noch als staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte eingetreten werden kann. Zur staatsrechtlichen
Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 Abs. 1 lit. a
OG) wäre der Beschwerdeführer im Übrigen ohnehin nicht legitimiert (vgl. BGE
131 I 291 E. 1.3 S. 296; 386 E. 2.4 S. 390). Er kann seine Legitimation in
dieser Hinsicht nicht einzig mit seiner Stellung als Bürger begründen.
Vielmehr muss er die in Art. 88 OG verlangten Eintretensvoraussetzungen
erfüllen. Zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte ist gemäss dieser Bestimmung nur legitimiert, wer
durch den angefochtenen Hoheitsakt in rechtlich geschützten eigenen,
individuellen Interessen betroffen ist. Diese können entweder durch
kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder aber unmittelbar durch ein
angerufenes spezielles Grundrecht geschützt sein. Dies gilt auch, wenn sich
die Beschwerde gegen einen rechtsetzenden Erlass richtet. Zur
Erlassanfechtung genügt es zwar, dass der Beschwerdeführer virtuell, d.h. mit
einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder später einmal, in seinen
Rechten betroffen ist (BGE 130 I 26 E. 1.2.1 S. 29; 130 I 82 E. 1.3 S. 85;
130 I 306 E. 1 S. 309 mit Hinweisen). Die Geltendmachung bloss tatsächlicher
Interessen oder allgemeiner öffentlicher Interessen, wie sie der
Beschwerdeführer vorbringt, reicht jedoch nicht (BGE 131 I 198 E. 2.1). So
verhält es sich auch, wenn mit der Beschwerde eine Verletzung des
Gewaltenteilungsprinzips beanstandet wird (BGE 123 I 41 E. 5b S. 43 mit
Hinweisen).

Das umstrittene Dekret regelt lediglich die Behördenorganisation im Bereich
des Steuerwesens und hat keinen Einfluss auf die Rechtsstellung des einzelnen
Bürgers. Der Beschwerdeführer behauptet dies denn auch nicht. Jedenfalls
verfolgt er keine eigenen rechtlich geschützten Interessen. Auf die
Beschwerde ist somit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht einzutreten.

3.
Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die Beschwerde weder als
Stimmrechtsbeschwerde noch als staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte eingetreten werden kann. Praxisgemäss wird keine
Gerichtsgebühr erhoben.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kantonsrat Schaffhausen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Februar 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: