Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.763/2006
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{T 0/2}
1P.763/2006 /fun

Urteil vom 26. März 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Haag.

X. ________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Z.________,

gegen

Bausektion der Stadt Zürich, Lindenhofstrasse 19, Postfach, 8021 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer,
Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.

Versäumte Rechtsmittelfrist und Fristwiederherstellung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,
1. Abteilung, 1. Kammer, vom 27. September 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Beschluss vom 8. November 2005 verweigerte die Bausektion der Stadt
Zürich der X.________ AG teilweise die baurechtliche Bewilligung für die
sexgewerbliche Nutzung des Gebäudes auf dem Grundstück Kat. Nr. AU4882 an der
Dienerstrasse 2 in Zürich 4 Aussersihl. Auf einen dagegen von der X.________
AG mit Eingabe vom 29. Dezember 2005 (versandt am 5. Januar 2006) erhobenen
Rekurs trat die Baurekurskommission I des Kantons Zürich mit Entscheid vom
27. Januar 2006 nicht ein und wies gleichzeitig ein am 5. Januar 2006
gestelltes Fristwiederherstellungsgesuch ab. Die X.________ AG zog diesen
Entscheid an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich weiter, welches die
Beschwerde am 27. September 2006 abwies.

B.
Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 27. September 2006 führt
die X.________ AG mit Eingabe vom 18. November 2006 staatsrechtliche
Beschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des
verwaltungsgerichtlichen Urteils wegen einer Verletzung der Art. 8
(Gleichbehandlungsgebot), Art. 9 (Willkür sowie Treu und Glauben) und Art. 29
BV (rechtliches Gehör, faires Verfahren). Am 28. November 2006 reicht die
Beschwerdeführerin dem Bundesgericht einen Nachtrag zur staatsrechtlichen
Beschwerde vom 18. November 2006 ein.

C.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Stadt Zürich schliesst auf
Abweisung der Beschwerde. In einer weiteren Eingabe vom 10. Februar 2006 hält
die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen fest und nimmt eingehend Bezug auf
die Ausführungen, welche die Stadt Zürich in ihrer Vernehmlassung vorgebracht
hat.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (BGG, SR 173.110) in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist auf ein
Beschwerdeverfahren nur anwendbar, wenn der angefochtene Entscheid nach dem
1. Januar 2007 ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Diese Voraussetzung ist
vorliegend nicht erfüllt, weshalb die Beschwerde nach den Bestimmungen des OG
zu beurteilen ist.

2.
Gegen den angefochtenen Entscheid steht kein kantonales Rechtsmittel zur
Verfügung (Art. 86 Abs. 1 OG). Die Beschwerdeführerin bezeichnet den
angefochtenen Entscheid unter verschiedenen Gesichtspunkten als
verfassungswidrig und beruft sich diesbezüglich auf verfassungsmässige Rechte
(Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Die Beschwerdeführerin ist in ihrer
Rechtsstellung betroffen und damit legitimiert, gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts staatsrechtliche Beschwerde zu erheben (Art. 88 OG). Auf
die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist somit unter dem
Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (s. nachfolgend E. 3.5) einzutreten.

3.
3.1 Im vorliegenden Fall ist der Bauentscheid der Bausektion der Stadt Zürich
vom 8. November 2005 der Beschwerdeführerin an die Privatadresse ihres
Vertreters (Y.________-Strasse 2) erstmals am 17. November 2005 mit
Gerichtsurkunde zugestellt worden. Der Empfang dieser Sendung wurde vom
Assistenten des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin auf dem Rückschein
unterschriftlich bestätigt. Am 21. November 2005 kritisierte der Vertreter
der Beschwerdeführerin diese Art der Zustellung telefonisch bei einem
Sachbearbeiter der Bausektion. Hierauf wurde der Bauentscheid dem
Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 29. November 2005 an seine
Geschäftsadresse (Y.________-Strasse 4) zugestellt, wobei auf Seite 13 des
Bauentscheids folgender Hinweis angebracht war: "Nach Auffassung des Amts für
Baubewilligungen löst diese Zustellung an Rechtsanwalt Z.________ an die
Adresse Y.________-Strasse 4 keine neue Rekursfrist gemäss Dispositiv Ziff.
VI aus, nachdem der Entscheid an der Adresse Y.________-Strasse 2 bereits am
17. November 2005 in Empfang genommen wurde."
3.2 Mit Blick auf diesen Sachverhalt geht das Verwaltungsgericht davon aus,
die erstmalige Zustellung des fraglichen Bauentscheides am 17. November 2005
an die Privatadresse des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin sei nicht
ordnungsgemäss und damit mangelhaft erfolgt. Die Sendung sei jedoch von
seinem Assistenten abgeholt, und der Empfang sei von diesem unterschriftlich
bestätigt worden. Damit habe der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vom
Bauentscheid am 17. November 2005 Kenntnis erhalten. Von diesem Zeitpunkt an
sei er im Besitz aller wesentlichen Informationen gewesen, um ein
Rechtsmittel einreichen zu können. Durch die mangelhafte Eröffnung sei er in
keiner Weise irregeführt oder benachteiligt worden. Die Rekursfrist sei
folglich mit der Zustellung vom 17. November 2005 ausgelöst worden und habe,
weil der 17. Dezember 2005 ein Samstag gewesen sei, am 19. Dezember 2005
geendet.
Selbst wenn, so das Verwaltungsgericht weiter, erst die umstrittene
Kenntnisnahme des Entscheids im Geschäftsbereich des Vertreters der
Beschwerdeführerin am 21. November 2005, als er mit einem Mitarbeiter der
Bausektion telefoniert habe, für den Beginn der Rechtsmittelfrist als
massgeblich angesehen würde, wäre der am 5. Januar 2006 der Post übergebene
Rekurs der Beschwerdeführerin zu spät erfolgt. Die Rechtsmittelfrist wäre in
diesem Fall am 21. Dezember 2005 abgelaufen.

Für den Fristenlauf ist für das Verwaltungsgericht im Übrigen unerheblich,
dass der Bauentscheid dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 29.
November 2005 nochmals an seine Geschäftsadresse zugestellt worden sei. Diese
erneute Zustellung vermöge keine neue Rechtsmittelfrist auszulösen.
Insbesondere könne der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin aus der
Mitteilung auf der letzten Seite des am 29. November 2005 zum zweiten Mal
zugestellten Bauentscheids, wonach durch die erneute Zustellung die
Rechtsmittelfrist nicht neu zu laufen beginne, nichts für sich ableiten.
Diese spreche nach Treu und Glauben im Gegenteil dafür, dass der Vertreter
der Beschwerdeführerin nicht davon habe ausgehen dürfen, durch die zweite
Zustellung werde eine neue Frist ausgelöst. Im Übrigen sei es einzig Sache
der Rechtsmittelinstanzen, über die Prozessvoraussetzung der Einhaltung der
Rechtsmittelfrist zu befinden. Auf entsprechende Hinweise seitens der
Baubehörde komme es nicht an, es sei denn, es liege ein Anwendungsfall des
Vertrauensschutzes infolge unrichtiger behördlicher Auskunft vor, was
vorliegend nicht zutreffe.

3.3 Aus mangelhafter Eröffnung darf der Partei kein Nachteil erwachsen.
Diesem Grundsatz ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann Genüge
getan, wenn eine objektiv mangelhafte Eröffnung trotz ihres Mangels ihren
Zweck erreicht hat. Es ist nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen, ob
die betroffene Partei durch den gerügten Eröffnungsmangel tatsächlich
irregeführt und dadurch benachteiligt worden ist und ob sie im Rahmen des ihr
Zumutbaren die sich aufdrängenden Schritte unternommen hat. Es erscheint
zumutbar, dass der Verfügungsadressat, hat er einmal von der ihn betreffenden
Verfügung Kenntnis erhalten, darum besorgt ist, den Inhalt der Verfügung und
deren Begründung zu erfahren, um über die Ergreifung eines Rechtsmittels zu
entscheiden. Er darf nach dem Grundsatz von Treu und Glauben den Zeitpunkt
des Beginns des Fristenlaufs nicht beliebig hinauszögern, wenn er einmal von
der ihn betreffenden Verfügung Kenntnis erhalten hat (BGE 122 V 189 E. 2 S.
194; 102 Ib 91 E. 4 S. 95; Urteil des Bundesgerichts 1A.256/1993 vom 31.
Dezember 1993, in: ZBl 95/1994 S. 529 E. 2a, je mit Hinweisen).

3.4 Die Anwendung dieser Grundsätze durch das Verwaltungsgericht erscheint in
Bezug auf den vorliegenden Sachverhalt als zutreffend und ist unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Was die
Beschwerdeführerin dagegen einwendet, vermag nicht zu überzeugen. Ihr
Vertreter war seit dem 17. November 2005 im Besitz des Bauentscheids vom 8.
November 2005. Es ist unverständlich, dass er sich nicht umgehend über den
Inhalt des ihm mit Gerichtsurkunde zugestellten Entscheids informiert hat.
Daran ändert unter den vorliegenden Umständen nichts, dass diese erstmalige
Zustellung des Bauentscheids an seine Privat- statt an seine Geschäftsadresse
erfolgte. Spätestens mit der zweiten Zustellung an seine Geschäftsadresse
wusste der Vertreter der Beschwerdeführerin, dass die Rekursfrist am 19.
Dezember 2005 ablaufen würde. Dies geht deutlich aus dem auf S. 13 des
Bauentscheids anlässlich der zweiten Zustellung angebrachten Hinweis der
Bausektion der Stadt Zürich hervor. Dass der Bauentscheid vom 8. November
2005 hinsichtlich des Zustellvermerks und des genannten Hinweises bei dieser
zweiten Zustellung gegenüber der ersten verändert bzw. ergänzt worden ist,
vermag an der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Entscheids nichts zu
ändern. Diese beiden Verdeutlichungen betreffen den Inhalt des Entscheides
nicht, sondern wurden lediglich für die Beschwerdeführerin erkennbar zu ihren
Gunsten vorgenommen in der Absicht, Klarheit zu schaffen.

3.5 Die Beschwerdeführerin wiederholt in ihren Ausführungen vor Bundesgericht
in erheblichem Ausmass, was sie schon vor Verwaltungsgericht vorgebracht hat
und verbindet ihre Darlegungen weitgehend mit prozessual unzulässiger
appellatorischer Kritik an den Ausführungen im angefochtenen Entscheid.
Insoweit ist gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG auf die Beschwerde nicht
einzutreten (vgl. BGE 131 I 291 E. 1.5 S. 297; 377 E. 4.3 S. 385, je mit
Hinweisen). Inwiefern ihr das Verwaltungsgericht das rechtliche Gehör
verweigert haben soll, ist nicht ersichtlich. Auf diesen Gesichtspunkt wird
hinsichtlich der Frage der Wiederherstellung der Rekursfrist in den
nachfolgenden Erwägungen noch näher eingegangen.

4.
4.1 In E. 3 des angefochtenen Entscheids nimmt das Verwaltungsgericht
ausführlich Stellung zum Eventualantrag der Beschwerdeführerin, ihr sei die
versäumte Rekursfrist wiederherzustellen: Gemäss § 12 Abs. 2 des kantonalen
Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG) könne eine versäumte
gesetzliche Frist wieder hergestellt werden, wenn dem Säumigen keine grobe
Nachlässigkeit zur Last falle und er innert zehn Tagen nach dem Wegfall des
Grundes, der die Einhaltung der Frist verhindert habe, ein Gesuch um
Wiederherstellung einreiche. Dabei obliege es der säumigen Partei, sowohl die
Gründe im Wiederherstellungsgesuch vollständig und genau darzustellen als
auch darzulegen, dass die Gesuchsfrist von 10 Tagen eingehalten worden sei.
Für den Beginn des Fristenlaufs sei entscheidend, dass die säumige Partei auf
Grund der ihr bekannten Umstände habe wissen oder jedenfalls damit rechnen
müssen, eine Frist versäumt zu haben und es ihr objektiv möglich und
subjektiv zumutbar sei, tätig zu werden. Das Gesuch um Fristwiederherstellung
könne nach Ablauf der für die Einreichung gesetzten First nicht mehr ergänzt
werden. Die säumige Partei müsse sich das Verhalten eines beauftragten
Vertreters anrechnen lassen, wobei insbesondere an
Fristwiederherstellungsbegehren von Anwälten erhöhte Anforderungen zu stellen
seien. Die Beschwerdeführerin mache in Bezug auf die am 19. bzw. spätestens
21. Dezember 2005 abgelaufene Rechtsmittelfrist keinen
Wiederherstellungsgrund geltend, weshalb die Beschwerde, soweit sie das
Fristwiederherstellungsgesuch betreffe, schon aus diesem Grund abzuweisen
sei. Derartige Gründe, die im Übrigen beim Anwalt der Beschwerdeführerin
vorhanden sein müssten, seien nicht ersichtlich. Da ferner die Zustellung vom
29. November 2005 für den Fristenlauf nicht massgeblich gewesen sei, erübrige
es sich, die Begründetheit der Firstwiederherstellung für diesen Zeitpunkt zu
prüfen.

4.2 Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, das Verwaltungsgericht habe sich mit
ihrem Eventualstandpunkt betreffend den Fristenlauf ab 29. November in
verfassungswidriger Weise nicht auseinandergesetzt, erscheint nicht
gerechtfertigt. Bei dieser Rüge geht die Beschwerdeführerin davon aus, die
Rekursfrist sei erst durch die Zustellung des Bauentscheids an die
Geschäftsadresse ihres Vertreters ausgelöst worden. Das Verwaltungsgericht
hat klar festgehalten, dass diese Annahme der Beschwerdeführerin nicht
zutrifft. Es hat deshalb in verfassungsrechtlich zulässiger Weise darauf
verzichtet, die Problematik der Fristwiederherstellung mit Blick auf das
Zustelldatum des 29. November 2005 zu prüfen. Auch hinsichtlich der
Festlegung des massgeblichen Zustelldatums (17. November 2005) hat sich das
Verwaltungsgericht klar geäussert. Von einer Verletzung des rechtlichen
Gehörs kann deshalb auch insoweit keine Rede sein. Die Kritik, die
Ausführungen im angefochtenen Entscheid seien zu rudimentär, ist
unzutreffend. Sie genügen im Gegenteil den Anforderungen an eine hinreichende
Begründung.

5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass das angefochtene Urteil des
Verwaltungsgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die
staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann.

Entsprechend dem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens sind die
Gerichtskosten der Beschwerdeführerin zu überbinden (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten
wird.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Bausektion der Stadt Zürich
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. März 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: