Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.750/2006
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{T 1/2}
1P.750/2006 /fun

Urteil vom 22. Januar 2007

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Störi.

Walter Kappeler, Beschwerdeführer,

gegen

Politische Gemeinde Bassersdorf, 8303 Bassersdorf,
vertreten durch den Gemeinderat, Karl Hügin-Platz,
8303 Bassersdorf,
Regierungsrat des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich.

Stimmrecht,

Stimmrechtsbeschwerde gegen den Beschluss
des Regierungsrats des Kantons Zürich
vom 4. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
Die Gemeindeversammlung von Bassersdorf genehmigte am 14. März 2006 u.a.
einen Kredit zur Zentrumsplanung, setzte den öffentlichen Gestaltungsplan
"Dorfplatz" fest und lehnte die Initiative Walter Kappelers "Pro
Zentrumszone" ab.

Am 30. Mai 2006 wies der Bezirksrat Bülach den Stimmrechtsrekurs Walter
Kappelers gegen die Gemeindeversammlungsbeschlüsse vom 14. März 2006 im Sinne
der Erwägungen ab.

Am 4. Oktober 2006 wies der Regierungsrat des Kantons Zürich das Begehren
Walter Kappelers um Erstreckung der fünftägigen Frist zur Anfechtung des
Bezirksratsbeschlusses ab (Dispositiv-Ziffer I). Er wies den
Stimmrechtsrekurs ab, soweit er darauf eintrat (Dispositiv-Ziffer II) und
nahm die Verfahrenskosten auf die Staatskasse (Dispositiv-Ziffer III).

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 8. November 2006 wegen Verletzung des
Stimmrechts beantragt Walter Kappeler, den regierungsrätlichen Entscheid (und
damit alle Beschlüsse der Gemeindeversammlung vom 14. März 2006) aufzuheben.
Ausserdem ersucht er um aufschiebende Wirkung und um ein kostenloses
Verfahren.

Die Gemeinde Bassersdorf beantragt in ihrer Vernehmlassung, das Gesuch um
aufschiebende Wirkung und die Beschwerde seien abzuweisen. Ausserdem seien
Walter Kappeler die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Der Regierungsrat des
Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

C.
Mit Verfügung vom 13. Dezember 2006 wies der Präsident der
I. öffentlichrechtlichen Abteilung das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Auf Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG hin beurteilt
das Bundesgericht Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der
Bürger in kantonalen Angelegenheiten. Als kantonal gelten auch Wahlen und
Abstimmungen in Gemeinden (BGE 119 Ia 167 E. 1a). Der Beschwerdeführer ist in
Bassersdorf stimmberechtigt und daher befugt, die Durchführung der Abstimmung
vom 14. März 2006 wegen Verletzung seines Stimmrechts anzufechten (BGE 121 I
357 E. 2a; 120 Ia 194 E. 1c). Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates
unterliegt keinem kantonalen Rechtsmittel (Art. 86 Abs. 1 OG). Die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die
Beschwerde einzutreten ist, sofern und soweit sie den auch für
Stimmrechtsbeschwerden geltenden (BGE 129 I 185 E. 1.6; 114 Ia 395 E. 4b)
gesetzlichen Begründungsanforderungen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38
E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c) genügt.

1.2 Das in Art. 34 Abs. 2 BV als Grundrecht verankerte Stimmrecht gibt dem
Bürger allgemein den Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt
wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und
unverfälscht zum Ausdruck bringt (BGE 125 I 441 E. 2a; 124 I 55 E. 2a; 121 I
138 E. 3).

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, der Gemeinderat habe die
Gemeindeversammlung in einem ungeeigneten, viel zu kleinen und
feuerpolizeilich unzulässig möblierten Lokal durchgeführt. Der
Versammlungsraum habe dem Besucherandrang nicht genügt, wodurch die
Meinungsbildung, die Diskussionsmöglichkeiten und die Ausübung des
Stimmrechts nicht für alle Stimmberechtigten gewährleistet gewesen seien. Der
Regierungsrat habe daher mit der Abweisung seines Rekurses das Stimmrecht
verletzt.

2.1 In seinem Rekurs an den Regierungsrat brachte der Beschwerdeführer in
Bezug auf den seiner Auffassung nach ungeeigneten Versammlungsort vor, die
unzureichenden Platzverhältnisse hätten eine sachliche Behandlung der
Geschäfte verhindert (Rekurs vom 19. Juli 2006 Ziff. 18 S. 7) und
"haufenweise teilnahmewillige Stimmberechtigte ausgeschlossen" (Rekurs vom
19. Juli 2006 Ziff. 19 S. 7).

Der Regierungsrat trat auf diese Einwände im angefochtenen Entscheid (E. 3a
S. 4) nicht ein mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe diese
Beanstandungen unter Verletzung von § 151a Abs. 2 des Gemeindegesetzes vom 6.
Juni 1926 und des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 9 BV) nicht schon an
der Versammlung selber vorgebracht.

2.2 Der Beschwerdeführer beanstandet die Auffassung des Regierungsrates,
wonach formelle Mängel einer Gemeindeversammlung umgehend zu beanstanden
sind, damit sie von dieser möglichst sofort korrigiert werden können, zu
Recht nicht. Er wendet indessen ein, um 22:40 Uhr, als die Stimmbürger
Gelegenheit erhalten hätten, formelle Einwände gegen die Versammlungs- und
Geschäftsführung zu erheben, sei er nicht mehr anwesend gewesen, da er die
Versammlung aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig habe verlassen müssen.

Der Einwand ist unbehelflich. Die Stimmberechtigten wurden nach dem Protokoll
bereits zu Beginn der Versammlung eingeladen, Ordnungsanträge gegen die
Geschäftsordnung und die Traktandenliste zu stellen; dabei hätte der
Beschwerdeführer die Versammlungsleitung darauf hinweisen können und nach
Treu und Glauben auch müssen, dass nicht alle teilnahmewilligen
Stimmberechtigten Einlass gefunden hätten und die beengten Platzverhältnisse
die Wahrnehmung der Teilnahmerechte der anwesenden Stimmbürger
beeinträchtigten. Dazu wäre der Beschwerdeführer jedenfalls in der Lage
gewesen, was sich schon daraus ergibt, dass er auf diese Aufforderung hin
einen Antrag stellte und sich auch später noch einmal zu Wort meldete. Die
Rüge, der Regierungsrat habe sein Stimmrecht verletzt, indem er seine
Einwände gegen die Durchführung der Gemeindeversammlung in einem zu kleinen
Saal wegen Verspätung nicht geprüft habe, ist unbegründet.

Aus dem Versammlungsprotokoll ergeben sich im Übrigen keinerlei Hinweise,
dass Stimmberechtigte wegen Platzmangels weggewiesen oder sonstwie in ihren
demokratischen Teilnahmrechten beeinträchtigt worden wären.

2.3 An der Sache vorbei gehen die Ausführungen des Beschwerdeführers über die
angebliche Verletzung feuerpolizeilicher Vorschriften durch die
Versammlungsleitung. Abgesehen davon, dass sie erstmals in der
staatsrechtlichen Beschwerde vorgebracht werden und damit bereits am
Novenverbot von Art. 86 Abs. 1 OG scheitern, ist nicht ersichtlich, inwiefern
durch die allfällige Verletzung feuerpolizeilicher Vorschriften das
Stimmrecht verletzt worden sein könnte. Er macht jedenfalls nicht geltend,
die Situation im Versammlungslokal sei in dieser Hinsicht derart prekär
gewesen, dass sich Stimmberechtigte aus diesem Grund von einer Teilnahme an
der Versammlung hätten abhalten lassen.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Praxisgemäss sind bei einer Stimmrechtsbeschwerde keine Kosten zu erheben,
wobei der Beschwerdeführer darauf aufmerksam zu machen ist, dass seine
Beschwerde an Trölerei grenzt und er für den Fall der Einreichung weiterer
offensichtlich unbegründeter Stimmrechtsbeschwerden mit einer Kostenauflage
rechnen muss. Davon abgesehen, wird sich die Frage stellen, ob die Praxis der
Kostenlosigkeit unter dem am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen BGG
fortgesetzt werden kann. Das vorliegende Verfahren richtet sich noch nach den
Verfahrensbestimmungen des OG.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Politischen Gemeinde Bassersdorf
und dem Regierungsrat des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2007

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: