Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.740/2006
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{T 0/2}
1P.740/2006 /fun

Urteil vom 28. Februar 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Toni Bienz, Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Fünfeckpalast,
Postfach 161,
9043 Trogen, Beschwerdegegner,
Baukommission Schwellbrunn, Dorf 50,
9103 Schwellbrunn,
Departement Bau und Umwelt des Kantons Appenzell A. Rh., Kasernenstrasse 17A,
9102 Herisau,
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden,
II. Abteilung, Fünfeckpalast, Postfach 161, 9043 Trogen.

Ausstand,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss
des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden,
II. Abteilung, vom 26. September 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ reichte am 7. September 2006 in einer Bausache eine Beschwerde
beim Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden ein.

Am 11. September 2006 stellte er ein Ausstandsbegehren gegen den
Verwaltungsgerichtsschreiber Toni Bienz. Zur Begründung führte er an, dieser
habe in einem anderen Verfahren (Proz. Nr. 03-07-II) vor Verwaltungsgericht
im Wissen um seinen bevorstehenden Auslandaufenthalt ein Urteilsdispositiv
mutwillig zurückgehalten und verspätet verschickt, sodass er es vor seiner
Abreise nicht mehr erhalten habe. Anschliessend habe der
Verwaltungsgerichtsschreiber das Urteil mit einem verleumderischen
Begleitbrief seiner betagten Mutter zugestellt, welche seither schockiert und
nur noch schwer ansprechbar sei.

Das Verwaltungsgericht wies das Ausstandsbegehren am 26. September 2006 ab.

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 3. November 2006 wegen Willkür beantragt
X.________, diesen Entscheid aufzuheben und seinem Ausstandsbegehren
stattzugeben. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.

Das Departement Bau und Umwelt des Kantons Appenzell Ausserrhoden verzichtet
auf Vernehmlassung. Der Verwaltungsgerichtsschreiber weist die gegen ihn
erhobenen Vorwürfe zurück und verweist auf den angefochtenen Entscheid. Das
Verwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung.

Der Beschwerdeführer teilt mit, er habe inzwischen gegen den
Verwaltungsgerichtsschreiber Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung
eingereicht und repliziert auf dessen Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das angefochtene Urteil erging vor dem Inkrafttreten des
Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110). Deshalb richtet sich dieses
Verfahren noch nach den Bestimmungen des OG (vgl. Art. 132 BGG).

1.2 Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts über die Abweisung des
Ausstandsbegehrens schliesst das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht ab,
sondern lässt im Gegenteil dessen Fortführung zu. Es handelt sich um einen
Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 Abs. 1 OG, gegen den die
staatsrechtliche Beschwerde zulässig ist. Der Beschwerdeführer ist nach Art.
88 OG befugt, sich gegen die Abweisung seiner Befangenheitsrüge zur Wehr zu
setzen. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, sodass auf die
Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1
lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), einzutreten
ist. Soweit im Folgenden auf Rügen nicht eingegangen wird, genügen sie diesen
Begründungsanforderungen nicht oder setzen sich nicht mit dem angefochtenen
Entscheid auseinander, sondern legen allgemein dar, weshalb
Verwaltungsgerichtsschreiber Toni Bienz befangen sein soll.

2.
Nach der in Art. 30 Abs. 1 BV und in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Garantie
des verfassungsmässigen Richters hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine
Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Gericht
ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver
Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und
die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die Garantie
verletzt (BGE 126 I 68 E. 3a mit Hinweisen). Verfahrens- oder andere
Rechtsfehler, die einem Richter oder Gerichtsschreiber unterlaufen, können
nach der Rechtsprechung den Anschein der Befangenheit allerdings nur
begründen, wenn sie wiederholt begangen wurden oder so schwer wiegen, dass
sie Amtspflichtverletzungen darstellen (BGE 116 Ia 14 E. 5; 135 E. 3a).
Ablehnungsgründe sind nach Treu und Glauben ohne Verzug geltend zu machen
(BGE 124 I 121 E. 2; 119 Ia 221 E. 5a; 118 Ia 282 E. 3a).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer begründete vor Verwaltungsgericht sein
Ausstandsbegehren wie folgt:

Er habe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Proz. Nr. 03-07-II an der
Verhandlung vom 30. April 2003 dem Präsidenten mitgeteilt, er sei ab dem 5.
Mai bis Anfang September 2003 abwesend. Er habe weiter erklärt, eine
Zustellung an seine Mutter falle ausser Betracht, da diese sehr betagt und in
Verwaltungssachen unbeholfen sei. Der Verwaltungsgerichtspräsident habe dies
ausdrücklich gebilligt, und man sei übereingekommen, ihm das
Urteilsdispositiv am 1. Mai und das begründete Urteil anfangs September an
seine Adresse zuzustellen. Der Verwaltungsgerichtsschreiber habe sich leider
nicht an diese Abmachung gehalten und das Dispositiv mutwillig erst am
Freitag, dem 2. Mai 2003 verschickt, im Wissen darum, dass die Post an
Samstagen seit Jahren keine Einschreiben mehr zustelle. Aus niedrigen
Beweggründen habe der Verwaltungsgerichtsschreiber das von ihm selber zu
vertretene Scheitern der Zustellung zum Anlass genommen, seiner betagten
Mutter das Dispositiv mit einem verleumderischen Begleitbrief zuzustellen und
darin zu behaupten, er hätte es unterlassen, das am 2. Mai und damit zu spät
verschickte Einschreiben abzuholen. Ausserdem habe der
Verwaltungsgerichtsschreiber darin gedroht, er werde das begründete Urteil
durch kostenpflichtige Publikation eröffnen, falls er dem Gericht nicht eine
Zustelladresse bekannt gäbe. Diese Drohung sei haltlos, da dem Gericht seine
Adresse bestens bekannt sei.

3.2 Das Verwaltungsgericht hat dazu erwogen, es treffe zu, dass dem
Beschwerdeführer an der Verhandlung vom 30. April 2003 auf seinen Antrag hin
in Aussicht gestellt worden sei, ihm das begründete Urteil nicht vor dem 1.
September 2003 zuzustellen. Aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich entgegen
der Behauptung des Beschwerdeführers, dass er erklärt habe, dass er bis zur
Zustellung des Dispositivs noch in Schwellbrunn sei. Es treffe auch nicht zu,
dass ihm an der Verhandlung zugesichert worden sei, das Dispositiv werde am
1. Mai 2003 verschickt, und über eine Ersatzzustellung an seine Mutter sei
nicht gesprochen worden.

Das Dispositiv sei, dem üblichen Zeitablauf entsprechend, am 2. Mai 2003
verschickt worden. Dem Beschwerdeführer wäre es ohne weiteres möglich
gewesen, sich am Samstag, dem 3. Mai 2003, bei der Post nach dem
Einschreiben, von dem er gewusst habe, dass es unterwegs war, zu erkundigen.
Nachdem das Dispositiv von der Post retourniert worden sei mit der
Mitteilung, der Empfänger sei für ca. 4 Monate ins Ausland verreist, habe der
Verwaltungsgerichtsschreiber es gleichentags der Mutter des Beschwerdeführers
zugestellt. In einem Begleitbrief habe er ihr mitgeteilt, ihr Sohn hätte es
unterlassen, das Einschreiben mit dem Dispositiv auf der Post abzuholen,
obwohl er mit der Zustellung habe rechnen müssen, und sie gebeten, diesen
über den Inhalt des Dispositivs und das Begleitschreiben in Kenntnis zu
setzen. Seine Abreise vermöge nichts daran zu ändern, dass ihm das begründete
Urteil am 1. September 2003 zugestellt werde. Sollte eine Zustellung
dannzumal wieder scheitern, würde das Urteil durch eine kostenpflichtige
Publikation eröffnet. Darauf könnte nur verzichtet werden, falls der
Beschwerdeführer dem Gericht bis zum 29. August 2003 ein Zustelldomizil oder
eine Vertretung in der Schweiz bekannt gegeben habe.

Dieser Verfahrensablauf zeige, dass der Verwaltungsgerichtsschreiber das
Dispositiv keineswegs mutwillig zurückbehalten habe. Die Ersatzzustellung an
die Mutter sei erfolgt, weil der Beschwerdeführer, der die hiesigen Gerichte
oft beschäftigt habe, mit seinen häufigen An- und Abmeldungen schon früher
für Verwirrung gesorgt habe. Aus anderen Verfahren sei bekannt, dass er dabei
jeweils die Adresse seiner Mutter als Zustelldomizil angegeben habe. Es könne
keine Rede davon sein, dass der Verwaltungsgerichtsschreiber der Mutter des
Beschwerdeführers aus niedrigen Beweggründen einen verleumderischen Brief
geschrieben habe. Vielmehr sei es korrekt gewesen, dieser in einem
Begleitschreiben zu erklären, warum ihr das Dispositiv zugestellt wurde.
Diese habe denn auch Verständnis für das Vorgehen gezeigt. Es bestünden für
den objektiven Betrachter keine Hinweise auf eine Befangenheit des
Verwaltungsgerichtsschreibers. Dieser hege denn auch keine Ressentiments
gegen den Beschwerdeführer. Selbst wenn im Übrigen der damalige
Verfahrensverlauf zu einer gewissen Irritation zwischen dem Beschwerdeführer
und dem Verwaltungsgerichtsschreiber geführt haben sollte, was allerdings
keineswegs erstellt sei, so könne nicht davon ausgegangen werden, dass
letzterer wegen einer solchen Bagatelle nach über drei Jahren noch gegen den
Beschwerdeführer voreingenommen wäre.

4.
4.1 Nach dem Protokoll der Verhandlung vom 30. April 2003, welches als
handschriftliches Original und in maschinenschriftlicher Abschrift vorliegt,
stellte der Gerichtspräsident fest, der Beschwerdeführer sei bis zum Versand
des Urteilsdispositivs noch "da" und sagte diesem zu, dieses sofort, das
begründete Urteil nach Ablauf von vier Monaten zuzustellen. Über ein
allfälliges Zustelldomizil wurde nach dem Protokoll nicht ausdrücklich
gesprochen, der Beschwerdeführer hat indessen ausgeführt, seine Mutter wohne
in der Y.________-Strasse, sei über 80 Jahre alt und könne auf Post nicht
reagieren.

4.2 Der Beschwerdeführer stellt den Ablauf der Verhandlung vom 30. April 2003
in verschiedenen, im vorliegenden Zusammenhang wesentlichen Punkten anders
dar, als dies im Protokoll des Gerichtsschreibers festgehalten ist. In der
staatsrechtlichen Beschwerde behauptet er dazu, das Protokoll sei falsch,
soweit es seiner Darstellung widerspreche. Er hätte indessen durch
Einsichtnahme in die Akten bereits vor der Stellung des Ausstandsbegehrens
leicht erkennen können, dass sich seine Erinnerung an den Verlauf dieser über
drei Jahre zurückliegenden Verhandlung mit dessen protokollarischer
Darstellung in wesentlichen Punkten nicht deckt. Seine erstmals in der
staatsrechtlichen Beschwerde erhobenen Einwände gegen das Protokoll, dessen
Berichtigung er nie verlangte, scheitern somit am Novenverbot (Art. 86 Abs. 1
OG).

4.3 Nach dem Protokoll der Verhandlung vom 30. April 2003 hat der
Beschwerdeführer angegeben, er sei bis zur Zustellung des Dispositivs noch
unter seiner Adresse erreichbar, und der Gerichtspräsident sagte ihm zu,
dieses sofort zu verschicken; dass der Beschwerdeführer bereits am 5. Mai
2003 abreisen würde, hat er dabei nicht bekannt gegeben. Das Dispositiv wurde
dann am 2. Tag nach der Verhandlung verschickt, wie es nach unbestrittener
Darstellung des Verwaltungsgerichts seinem üblichen Geschäftsgang entspricht.
Damit hat das Gericht seine Zusage erfüllt, der prozesserfahrene
Beschwerdeführer musste damit rechnen, dass der Postversand innerhalb von
zwei Tagen durchaus noch als "sofortige" Zustellung gelten würde. Es ist
jedenfalls nicht ersichtlich, inwiefern der Verwaltungsgerichtsschreiber
durch den Versand des Dispositivs am 2. Mai 2003 seine Amtspflichten verletzt
haben könnte. Der Beschwerdeführer hätte sich zudem, nachdem das Dispositiv
nicht seinen Erwartungen entsprechend am Freitag, dem 1. Mai, bei ihm
eingegangen war, gleichentags beim Gericht oder am Samstag bei der Post nach
dessen Verbleib erkundigen können.

4.4 Mit dieser erfolglosen Zustellung hätte es das Verwaltungsgericht an sich
ohne weiteres bewenden lassen können, da der Beschwerdeführer auslandabwesend
war, ohne ausdrücklich ein Zustelldomizil bekannt gegeben zu haben. Ein
Nachteil wäre dem Beschwerdeführer daraus nicht erwachsen, da die
fristauslösende Zustellung des begründeten Urteils auf den 1. September 2003
vereinbart worden war. Mit seinem Versuch, dem Beschwerdeführer das
Dispositiv durch eine Zustellung an seine Mutter doch noch zur Kenntnis zu
bringen, ist der Verwaltungsgerichtsschreiber dem Beschwerdeführer
entgegengekommen; dieses Vorgehen beweist somit keineswegs, dass er dem
Beschwerdeführer feindlich gesinnt war oder gar aus niederen Beweggründen
gehandelt haben könnte; dafür bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Der
Zustellversuch war zudem vertretbar, da der Beschwerdeführer nach der
unwiderlegten Darstellung des Verwaltungsgerichts seine Mutter in früheren
Verfahren als Zustelldomizil verzeigt hatte und er an der Verhandlung vom 30.
April 2003 einzig ausführte, seine Mutter sei nicht mehr in der Lage, auf
Post zu reagieren. Dies stand der nicht fristauslösenden Zustellung des
Urteilsdispositivs nicht im Wege. Dass der Verwaltungsgerichtsschreiber in
einem Begleitbrief den Grund der Zustellung erläuterte und auf die
gesetzlichen Folgen hinwies, die ein Scheitern der für den 1. September 2003
vorgesehenen Zustellung des begründeten Urteils haben würde, ist ebenfalls
vertretbar und stellt auf jeden Fall keine grobe Pflichtwidrigkeit dar,
welche ihn befangen erscheinen lassen könnte. Das Verwaltungsgericht konnte
somit das Ausstandsbegehren gegen den Verwaltungsgerichtsschreiber ohne
Verfassungsverletzung abweisen.

4.5 Dass der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit gegen den
Verwaltungsgerichtsschreiber Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung
eingereicht hat, ist von vornherein nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit
des vorher ergangenen angefochtenen Entscheids nachzuweisen; darauf ist nicht
einzutreten.

5.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156 OG). Er hat
zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches indessen
abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

2.2 Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Baukommission Schwellbrunn sowie dem
Departement Bau und Umwelt des Kantons Appenzell A. Rh. und dem
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, II. Abteilung, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 28. Februar 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: