Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.726/2006
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1P.726/2006 /fun

Urteil vom 6. August 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb,
Gerichtsschreiber Thönen.

X. ________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus
Neff,

gegen

Y.________,
Z.________,
Beschwerdegegner, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manfred Zemp,
Baubewilligungskommission Teufen, Dorf 9, 9053 Teufen,
Departement Bau und Umwelt des Kantons Appenzell Ausserrhoden,
Kasernenstrasse 17A, 9102 Herisau,
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, II. Abteilung, Fünfeckpalast,
Postfach 161, 9043 Trogen.

Baubewilligung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts von
Appenzell Ausserrhoden, II. Abteilung, vom 28. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ AG plant, auf den Parzellen 2450 (früher: 647) und 1818,
Steinwichslenstrasse, in Niederteufen eine Überbauung mit sechs
Mehrfamilienhäusern und drei Tiefgaragen zu errichten.

Mit Projekteingabe vom 15. März 2004 und Projektänderung vom 1. Juni 2004
ersuchte die X.________ um Bewilligung des Abbruchs eines Wohnhauses mit zwei
Garagen und um Bewilligung der beschriebenen Überbauung.

Mit Entscheid vom 10. November 2004 bewilligte die Baukommission Teufen das
Bauvorhaben unter Abweisung der Einsprachen der Nachbarn.

Mit Entscheid vom 2. Juni 2005 hiess das Departement Bau und Umwelt des
Kantons Appenzell Ausserrhoden (kurz: Departement) einen Rekurs der Nachbarn
(Y.________, Z.________ und eine weitere Person) im Sinne der Erwägungen
mehrheitlich gut und wies das Baugesuch ab.

Mit Urteil vom 28. Juni 2006 wies das Verwaltungsgericht von Appenzell
Ausserrhoden die Beschwerde der X.________ ab, nachdem es am 28. Juni 2006
einen Augenschein auf dem betreffenden Grundstück und anschliessend eine
mündliche Verhandlung im Gemeindehaus Teufen durchgeführt hatte.

B.
Mit Eingabe vom 26. Oktober 2006 führt die X.________ staatsrechtliche
Beschwerde. Sie beantragt, das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts
sei aufzuheben und es seien die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor
Verwaltungsgericht und des Rekursverfahrens vor Departement den
Beschwerdegegnern aufzuerlegen.

Mit Eingabe vom 30. Oktober 2006 reichte die X.________ weitere Kopien und
einen Empfangsschein betreffend Absendung der staatsrechtlichen Beschwerde
ein.

C.
Y.________, Z.________ und das Verwaltungsgericht beantragen in ihren
Vernehmlassungen je die Abweisung der Beschwerde. Das Departement hat auf
eine Stellungnahme verzichtet.
Die X.________ hat am 1. Februar 2007 eine Replik eingereicht und sich mit
Eingabe vom 13. März 2007 zu den Fotos des Augenscheins des
Verwaltungsgerichts geäussert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (BGG, SR
173.110) in Kraft getreten. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts
ist vor diesem Zeitpunkt ergangen, weshalb das bisherige Verfahrensrecht
anwendbar bleibt (Art. 132 Abs. 1 BGG). Massgebend sind somit die
Bestimmungen des Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG).

1.2 Das begründete Urteil des Verwaltungsgerichts wurde am 25. September 2006
versandt und der Beschwerdeführerin tags darauf zugestellt. Die
Beschwerdefrist endete am 26. Oktober 2006 (Art. 89 Abs. 1 und 2 OG). Die
gleichentags der Post übergebene staatsrechtliche Beschwerde erfolgte somit
rechtzeitig.

1.3 Die staatsrechtliche Beschwerde lässt sich aufgrund der Aktenlage
beurteilen, weshalb kein Augenschein durchzuführen ist (Art. 95 OG).

2.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Willkürverbots, indem das
Verwaltungsgericht die Erschliessung der Häuser 3 und 4 geprüft habe. Dies
sei nicht Streitgegenstand gewesen, verstosse gegen die Dispositionsmaxime
und gegen das Verbot der reformatio in peius.

2.1 Zunächst ist festzuhalten, dass das gesamte Baugesuch bereits durch das
Departement abgewiesen wurde (Departementsentscheid, Dispositiv-Ziffer 1,
zweiter Halbsatz). Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung des Baugesuchs
bestätigt, dies aber anders begründet. Es steht ausser Zweifel, dass die
Beschwerdeführerin gegen die Abweisung des Baugesuchs Beschwerde führen kann.
Es ist aber fraglich, ob sie die Tatsache, dass das Verwaltungsgericht eine
abweichende rechtliche Begründung anführte, anfechten kann. Diesbezüglich
könnte es an einem rechtlich geschützten Interesse, d.h. einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 88 OG fehlen, und auf das Vorbringen wäre
nicht einzutreten.

Die Frage kann jedoch offenbleiben, da sich die Rüge aus folgender Erwägung
unbegründet erwiese, wenn darauf einzutreten wäre.

2.2 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen
Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Nach der Praxis des Bundesgerichts
liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 131 I 467 E. 3.1; 127 I 38 E. 2a; 54 E. 2b; 60 E. 5a; 126 I 168 E. 3a,
je mit Hinweisen).

2.3 Anwendbar ist kantonales Verfahrensrecht. Die Abänderung einer
angefochtenen Verfügung zum Nachteil einer Partei ist im Gesetz vorgesehen
und gilt für das Verfahren vor der verwaltungsinternen Rekursinstanz (Art. 40
VRPG/AR) wie auch, durch Verweisung in Art. 59 VRPG/AR, für jenes der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Es handelt sich demnach um eine reformatio in
peius aufgrund gesetzlicher Vorschrift. Der zu beurteilende Fall
unterscheidet sich somit von Fällen, in denen keine gesetzliche Regelung oder
gar ein gesetzliches Verbot der reformatio in peius vorliegt.

Die Häuser 3 und 4 wurden bereits vom Departement hinsichtlich der Aesthetik
beanstandet. Sie gehören zur Überbauung, für welche das Departement das
Baugesuch abwies. Damit liegt ein hinreichender Sachzusammenhang vor, so dass
das Verwaltungsgericht die Erschliessung der beiden Häuser beurteilen durfte.
Aus den Plädoyernotizen des Vertreters der Beschwerdeführerin ergibt sich
zudem, dass sie über die drohende nachteilige Beurteilung der Erschliessung
der Häuser 3 und 4 durch das Verwaltungsgericht orientiert war und sich dazu
anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2006 geäussert hat.

Unter diesen Umständen ist es nicht willkürlich, dass das Verwaltungsgericht
die Erschliessung der Häuser 3 und 4 aufgriff und sie zum Nachteil der
Beschwerdeführerin abweichend vom Departement beurteilte.

2.4 Da sich die Beschwerdeführerin anlässlich der mündlichen Verhandlung vom
28. Juni 2006 zur Erschliessung der Häuser 3 und 4 geäussert hat, ist die
diesbezügliche Rechtsverweigerungsrüge offensichtlich unbegründet.

3.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Rechtsverweigerungsverbots
gemäss Art. 29 Abs. 1 BV. Das Verwaltungsgericht habe die Beschwerde gestützt
auf Erwägungen zur Erschliessung abgewiesen, ohne sich zur Einpassung der
Gebäude in das Orts- und Landschaftsbild zu äussern.

3.1 Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde im Wesentlichen mit der
Erwägung abgewiesen, dass eine Erschliessung der Überbauung von Osten her und
der Standort für die Tiefgarage der Häuser 3 und 4 nicht zulässig seien. Der
Quartierplan Steinwichslen (genehmigt vom Regierungsrat des Kantons Appenzell
Ausserrhoden am 27. November 1990 mit Teiländerung genehmigt am 16. Mai 2000)
sehe für Parkierungsanlagen Standorte im Süden des Grundstücks (Teilgebiet F)
vor und verlange eine Zufahrt von Süden her.

3.2 Die Rüge der Rechtsverweigerung durch Nichtbehandlung der Aesthetikfrage
beruht auf der Prämisse, das Verwaltungsgericht hätte die sich zur
Parkierungsanlage bzw. zur Erschliessung der Häuser 3 und 4 nicht äussern
dürfen. Nach dem Gesagten (E. 2 hiervor) ist es indessen nicht willkürlich,
dass das Verwaltungsgericht die Erschliessung der Überbauung gesamthaft
prüfte. Da die Erschliessung nach Ansicht des Verwaltungsgerichts gegen den
Quartierplan verstösst und daher eine wesentliche Überarbeitung des
Überbauungsprojekts nötig wird, erübrigte sich eine weitere Prüfung. Es ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das
Projekt, das ohnehin nicht umgesetzt werden kann, nicht weiter geprüft hat.

3.3 Aus dem gleichen Grund erübrigen sich Ausführungen zum Vorbringen, die
Rekursinstanz habe verkannt, dass es sich bei der Verbindung zwischen den
Tiefgaragen der Häuser 3, 4 und 5 um eine unterirdische Fussgängerverbindung
handle. Steht fest, dass das Bauprojekt wesentlich überarbeitet und
namentlich die Parkierungsanlagen geändert werden müssen, kann ohne
Verfassungsverletzung auf eine weitere Prüfung verzichtet werden.

3.4 Die Rechtsverweigerungsrügen sind unbegründet.

4.
Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich im Sinne einer Eventualbegründung
eine Verletzung des Willkürverbots, indem das Verwaltungsgericht die geplante
Erschliessung der Häuser 3 und 4 (Teilgebiet F) von Osten als planwidrig
bezeichnet habe. Der Quartierplan sei nicht derart detailliert, dass er eine
Zufahrt von Osten ausschliesse.

4.1 Das angefochtene Urteil beruht auf der Überlegung, dass die Tiefgarage
für die Häuser 3 und 4 an einem falschen Standort und die Zufahrt von einer
falschen Richtung her vorgesehen sei. Der zulässig Standort für die
Tiefgarage liege gemäss Quartierplan weiter südlich im Teilgebiet F. Die
Erschliessung habe von Süden (statt von Osten) her zu erfolgen; der Zugang
von Osten sei für einen Fussweg reserviert.

4.2 Art. 13 der Sonderbauvorschriften des Quartierplans Steinwichslen
bestimmt für Teilgebiet F, dass anstelle zusätzlicher Erschliessungsstrassen
zentrale Parkierungseinrichtungen vorzusehen sind. Auf dem Quartierplan sind
die Standorte der zentralen Parkierungsanlagen und deren Anschlussbereiche im
Süden von Teilgebiet F mit Signaturen eingezeichnet. Im Osten von Teilgebiet
F fehlen entsprechende Signaturen. Stattdessen ist im Osten, an der Grenze
der Teilgebiete F und G, ein Richtungspunkt für eine Fusswegverbindung
eingezeichnet. Demnach ist die Ansicht, die Bauten auf dem Teilgebiet F
müssten von Süden her erschlossen werden, nicht willkürlich. Die Rüge ist
unbegründet.

5.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Neuverteilung der Kosten des kantonalen
Verfahrens. Jedoch begründet sie den Antrag nicht und legt nicht dar, welches
verfassungsmässige Recht durch die kantonale Kostenverlegung verletzt sein
soll (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Wegen fehlender Begründung ist auf das
Vorbringen nicht einzutreten (BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3 f.; 125 I 492 E. 1b S.
495, mit Hinweisen).

6.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt die
Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten (Art. 156 OG). Es sind keine
Parteientschädigungen zuzusprechen, zumal die Beschwerdegegner sich im
Wesentlichen mit einem Verweis auf den angefochtenen Entscheid begnügen (Art.
159 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Baubewilligungskommission Teufen, dem
Departement Bau und Umwelt des Kantons Appenzell Ausserrhoden und dem
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, II. Abteilung, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 6. August 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: