Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.693/2006
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{T 0/2}
1P.693/2006 /fun

Urteil vom 1. Februar 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

A.________, Beschwerdegegner,
Gerichtspräsidentin II Lenzburg, Metzgplatz,
5600 Lenzburg,
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau,
Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen,
Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.

Strafverfahren; amtliche Verteidigung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 22. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksamt Baden führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen
falscher Anschuldigung, Irreführung der Rechtspflege und weiterer Delikte.

Am 20. Oktober 2005 stellte Advokat Dr. A.________ das Gesuch, seinem
Mandanten X.________ sei die amtliche Verteidigung zu bewilligen, und er sei
als dessen amtlicher Anwalt einzusetzen.

Am 24. Februar 2006 erhob die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Lenzburg
Anklage und beantragte, X.________ sei mit einer unbedingte Gefängnisstrafe
von 10 Monaten und einer Busse von 600 Franken zu bestrafen.

Mit Eingabe vom 30. Juni 2006 teilte X.________ dem Bezirksgericht Lenzburg
mit, er habe heute Advokat A.________ das Mandat entzogen und ziehe damit
sein Gesuch vom 20. Oktober 2005 zurück. Mit Schreiben vom gleichen Tag
teilte Advokat A.________ dem Bezirksgericht Lenzburg mit, er habe sämtliche
Mandate von X.________ niedergelegt. Da die Voraussetzungen zur Gutheissung
des Gesuchs vom 20. Oktober 2005 zweifellos erfüllt seien, erlaube er sich
zudem, die Honorarnote für seine Bemühungen einzureichen.

Mit Verfügung vom 5. Juli 2006 erwog die Präsidentin II des Bezirksgerichts
Lenzburg, angesichts der Höhe des Strafantrages gehe es im vorliegenden
Verfahren um einen schweren Eingriff in die Rechtsstellung von X.________.
Der Fall stelle zudem erhebliche rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten,
denen der gesundheitlich angeschlagene X.________ nicht ohne weiteres
gewachsen sei. Seine Bedürftigkeit sei zudem zu bejahen, weshalb ihm die
amtliche Verteidigung ab Gesuchsdatum zu bewilligen sei. Advokat A.________
sei daher ab dem 21. Oktober 2005 als amtlicher Verteidiger zu betrachten.
Als solcher könne er weder von sich aus das Mandat niederlegen, noch von
X.________ ohne weiteres entlassen werden. Vielmehr sei diesfalls ein Gesuch
um Ablehnung des amtlichen Verteidigers zu stellen. Unter diesen Umständen
sei Advokat A.________ und X.________ Frist anzusetzen, um zur aktuellen
Eingabe der jeweils anderen Partei Stellung zu nehmen und eventuell den
Antrag auf Entlassung des amtlichen Verteidigers eingehend zu begründen.
Gestützt auf diese Erwägungen setzte die Gerichtspräsidentin II Advokat
A.________ ab dem 21. Oktober 2005 als amtlichen Verteidiger von X.________
ein und  setzte beiden eine 10-tägige Frist, um zum Antrag auf Entlassung des
amtlichen Verteidigers Stellung zu nehmen.

Die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau wies
die Beschwerde von X.________ gegen diese bezirksgerichtliche Verfügung am
22. August 2006 ab, soweit sie darauf eintrat. Sie erwog, der Antrag, die
Verfügung der Gerichtspräsidentin aufzuheben, umfasse auch die rückwirkend
verfügte Einsetzung von Advokat A.________ als amtlicher Verteidiger. Aus der
Beschwerdebegründung ergebe sich indessen, dass sich X.________ gegen die
Vertretung durch Advokat A.________ nur ab dem Zeitpunkt seiner "Kündigung"
vom 30. Juni 2006 zur Wehr setze, er mithin die vorher entstandenen
Anwaltskosten nicht selbst bezahlen möchte. Zudem sei er durch die amtliche
Verbeiständung vom 21. Oktober 2005 bis zum 30. Juni 2006 nicht beschwert,
weshalb auf die Beschwerde dagegen ohnehin nicht eingetreten werden könnte.
Es stehe nicht im Belieben von X.________, den amtlichen Anwalt nach Belieben
einzusetzen und abzusetzen, weshalb sein Antrag, das Bezirksgericht Lenzburg
habe die von ihm ausgesprochene Kündigung zu akzeptieren, abzuweisen sei. Die
Schreiben von X.________ und Advokat A.________ vom 30. Juni 2006 könnten
daher nur als Gesuche um Entlassung des amtlichen Verteidigers
entgegengenommen werden. Dies habe die Gerichtspräsidentin zu Recht getan und
den Betroffenen Frist zur Stellungnahme angesetzt. Der Wechsel des amtlichen
Verteidigers sei daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor
Obergericht, weshalb auf den Antrag, die Einsetzung von Advokat A.________
als amtlicher Verteidiger zu widerrufen, nicht einzutreten sei.

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 13. Oktober 2006 wegen Verletzung des
Willkürverbots beantragt X.________, diesen Obergerichtsentscheid aufzuheben.
Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.

Obergericht, Bezirksgericht und Staatsanwaltschaft verzichten auf
Vernehmlassung. Advokat A.________ beantragt, auf die Beschwerde nicht
einzutreten oder sie eventuell abzuweisen; dem Beschwerdeführer seien die
Verfahrenskosten aufzuerlegen und er sei zu verpflichten, ihm eine
angemessene Parteientschädigung zu bezahlen.

X. ________ weist in seiner Replik die Ausführungen von Advokat A.________
zurück.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren gegen den
Beschwerdeführer nicht ab. Es handelt sich daher um einen Zwischenentscheid
im Sinn von Art. 87 Abs. 2 OG, gegen den die  staatsrechtliche Beschwerde
zulässig ist, wenn er einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken
könnte. Dies ist nach der Rechtsprechung regelmässig bei einer Verweigerung
der unentgeltlichen Rechtspflege und amtlichen Verbeiständung der Fall (BGE
129 I 281 E. 1.1; 129 E. 1; 126 I 207 E. 2a). Es ist indessen nicht zu sehen
und wird vom Beschwerdeführer unter Verletzung seiner Begründungspflicht
(Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E.
1c) auch nicht dargetan, inwiefern er durch den angefochtenen Entscheid, der
die Einsetzung von Advokat A.________ als amtlicher Verteidiger für die
Vergangenheit - die Zeit vom 21. Oktober 2005 bis zum 30. Juni 2006 -
bestätigt und für die Fortführung des Verfahrens noch offen gelassen hat,
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil erleiden könnte.

2.
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang wird der
Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 und 159 OG).
Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches
indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 152 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgelehnt.

2.1 Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt.

2.2 Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 800.-- zu bezahlen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gerichtspräsidentin II Lenzburg sowie
der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Februar 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: