Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.678/2006
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{T 0/2}
1P.678/2006 /ggs

Urteil vom 24. Oktober 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,

gegen

Statthalteramt Arlesheim, Kirchgasse 5,
4144 Arlesheim,
Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft, Kanonengasse 20, 4410 Liestal.

Untersuchungshaft,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Verfahrensgerichts in
Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft vom 2. Oktober 2006.
Sachverhalt:

A.
X. ________, Staatsangehöriger von Serbien-Montenegro, wurde am 23. Juni 2006
vom Haftrichter Basel-Stadt für eine vorläufige Haftdauer von vier Wochen in
Untersuchungshaft genommen. Am 29. Juni 2006 eröffnete das
Bezirksstatthalteramt Arlesheim eine Strafuntersuchung gegen X.________. Es
wird ihm vorgeworfen, Diebstahl (Art. 139 StGB), Sachbeschädigung (Art. 144
StGB), mehrfachen Hausfriedensbruch (Art. 185 StGB), mehrfachen
bandenmässigen Raub (Art. 140 StGB) und Freiheitsberaubung (Art. 183 StGB)
begangen zu haben. Das Bezirksstatthalteramt erliess am 10. Juli 2006 einen
ersten bis zum 9. August 2006 befristeten Haftbefehl wegen Flucht-,
Kollusions- und Fortsetzungsgefahr. Mit Beschluss vom 24. Juli 2006 wies das
Verfahrensgericht in Strafsachen Basel-Landschaft die dagegen erhobene
Beschwerde ab und verlängerte auf Antrag des Bezirksstatthalteramtes die
Untersuchungshaft bis zum 4. Oktober 2006.

Mit Beschluss vom 2. Oktober 2006 verlängerte das Verfahrensgericht auf
Antrag des Bezirksstatthalteramtes die Untersuchungshaft ein weiteres Mal bis
zum 29. November 2006. Es stützte seinen Entscheid auf den besonderen
Haftgrund der Fortsetzungsgefahr.

B.
X.________ hat gegen den Beschluss des Verfahrensgerichts vom 2. Oktober 2006
staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er beantragt die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids und seine sofortige Entlassung aus der
Untersuchungshaft. Ferner ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren.

C.
Die Präsidentin des Verfahrensgerichts und das Bezirksstatthalteramt
beantragen die Beschwerdeabweisung. Der Beschwerdeführer hat repliziert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit (Art.
10 Abs. 2, Art. 31 Abs. 1 BV, Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK). Er vertritt die
Auffassung, dass keine Fortsetzungsgefahr bestehe und die Anordnung der
Untersuchungshaft deshalb unverhältnismässig sei.

1.2 Gemäss § 77 des Gesetzes des Kantons Basel-Landschaft vom 3. Juni 1999
betreffend die Strafprozessordnung (StPO/BL) ist die Verhaftung einer Person
nur zulässig, wenn sie eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt
wird, deshalb gegen sie ein Strafverfahren eröffnet worden ist und aufgrund
konkreter Indizien Flucht- (Abs. 1 lit. a) oder Kollusionsgefahr (Abs. 1 lit.
b) besteht oder aber ernsthaft zu befürchten ist, die verdächtigte Person
werde die Freiheit zur Fortsetzung der deliktischen Tätigkeit benützen,
sofern diese eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben, Freiheit oder Eigentum
anderer Personen darstellt (Abs. 1 lit. c). Die Untersuchungshaft darf nur
solange aufrecht erhalten bleiben, als einer der genannten Haftgründe besteht
(Abs. 2).

1.3 Nach der Praxis des Bundesgerichts ist bei der Anordnung von
Untersuchungshaft wegen Fortsetzungsgefahr Zurückhaltung geboten.
Präventivhaft ist nur dann verhältnismässig, wenn einerseits die
Rückfallprognose sehr ungünstig und anderseits die zu befürchtenden Delikte
von schwerer Natur sind. Die rein hypothetische Möglichkeit der Verübung
weiterer Delikte sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur geringfügige
Straftaten verübt werden, reichen nicht aus, um eine Präventivhaft zu
begründen. Wo der Haftzweck durch mildere Massnahmen erreicht werden kann,
muss von der Anordnung oder Fortdauer der Haft abgesehen und an ihrer Stelle
eine Ersatzmassnahme angeordnet werden (BGE 123 I 268 E. 2e S. 270 f., mit
Hinweisen).

1.4 Zur Begründung der Fortsetzungsgefahr verweist das Verfahrensgericht im
angefochtenen Beschluss vom 2. Oktober 2006 zunächst auf seinen ersten, am
24. Juli 2006 ergangenen Haftentscheid. Darin führte es aus, dass beim
Beschwerdeführer die erhebliche Gefahr bestehe, dass er zur Bestreitung
seines Lebensunterhalts erneut Einbruchdiebstähle oder Raubüberfälle begehen
könnte. Diese Prognose stützte das Verfahrensgericht auch auf die Vorstrafen.
So sei der Beschwerdeführer am 15. August 2005 vom Strafgerichtspräsidenten
Basel-Stadt der Sachbeschädigung und des versuchten Diebstahls schuldig
gesprochen worden. Am 19. Juni 2006 habe ihn das Bezirksstatthalteramt
Arlesheim wegen Diebstahl, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch verurteilt.
Des Weitern habe der Beschwerdeführer die Beteiligung an drei Raubüberfällen,
begangen am 30. Januar, am 5. Februar und am 10. Juni 2006, sowie die
Beteiligung an einem Einbruchdiebstahl, begangen am 24./25. Mai 2006,
eingestanden. Im angefochtenen Beschluss vom 2. Oktober 2006 berücksichtigte
das Verfahrensgericht zwar, dass der Beschwerdeführer der jüngste unter den
mitangeschuldigten Personen sei. Es erachtete dies aber angesichts der
Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits einschlägig vorbestraft sei,
bezüglich der Frage der Fortsetzungsgefahr als unerheblich. Hinzu komme, dass
der Beschwerdeführer zu einem früheren Zeitpunkt bereits einmal einen Tag
lang in Untersuchungshaft verbrachte, diese "Erfahrung" ihn aber nicht davon
abgehalten habe, erneut straffällig zu werden. Deshalb sei auch das vom
Verteidiger geltend gemachte Interesse des Beschwerdeführers, in der Schweiz
bleiben zu können und nicht des Landes verwiesen zu werden, zu relativieren.
Zur Verhältnismässigkeit der Haftdauer erwog das Verfahrensgericht, dass der
Beschwerdeführer mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe rechnen müsse und
daher im jetzigen Zeitpunkt keine Gefahr einer Überhaft bestehe. Dass der
Zweck der Untersuchungshaft mit milderen Massnahmen erreicht werden könnte,
würde der Verteidiger nicht geltend machen und sei auch nicht ersichtlich.

1.5 Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, und es ist aufgrund der Haftakten
auch nichts ersichtlich, was geeignet wäre, die Rückfallprognose als
günstiger erscheinen zu lassen. Der Beschwerdeführer hat trotz seines
jugendlichen Alters bereits mehrere Delikte begangen. Davon sind zumindest
die ihm vorgeworfenen Raubüberfälle, auf welchen als Strafe Zuchthaus bis zu
zehn Jahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten (vgl. Art. 140 Ziff. 1
StGB) und bei bandenmässigem Vorgehen Zuchthaus nicht unter zwei Jahren (vgl.
Art. 140 Ziff. 3 StGB) angedroht ist, als schwere Delikte einzustufen. Daran
würde selbst dann nichts ändern, wenn sich die Behauptung des
Beschwerdeführers, er habe sich nicht als Mittäter, sondern nur als Gehilfe
an den Raubüberfällen beteiligt, bewahrheiten sollte. Wie das
Verfahrensgericht in seiner Stellungnahme zu Recht anfügt, zeigt sich, dass
beim Beschwerdeführer die Intensität der strafbaren Handlungen und die von
ihm ausgehende Gefahr für Leib, Leben und Eigentum stetig zugenommen hat. In
Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer in zeitlich kurzen Abständen
mehrfach delinquierte, vermag auch das Argument, seine Familie und sein
Interesse am Aufenthaltsrecht in der Schweiz würden ihn von weiteren Delikten
abhalten, nicht zu tragen. Die Anordnung der Untersuchungshaft ist damit
verhältnismässig. Eine Verletzung des Grundrechts der persönlichen Freiheit
liegt nicht vor.

2.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet
und ist dementsprechend abzuweisen. Die Voraussetzungen der Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege sind wegen Aussichtslosigkeit der Begehren nicht
erfüllt (vgl. Art. 152 Abs. 1 und 2 OG), weshalb dieses Begehren ebenfalls
abzuweisen ist. Umständehalber wird auf die Erhebung von Gerichtskosten
verzichtet.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Statthalteramt Arlesheim und dem
Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 24. Oktober 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: