Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.673/2006
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{T 0/2}
1P.673/2006 /fun

Urteil vom 30. Januar 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hermann Just,

gegen

1.A.________, Beschwerdegegner 1, vertreten durch Rechtsanwalt Werner Marti,
2.B.________, Beschwerdegegner 2, vertreten durch Rechtsanwalt Luzi Bardill,
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur,
Kantonsgericht von Graubünden, Beschwerdekammer, Poststrasse 14, 7002 Chur.

Strafprozess,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts von
Graubünden, Beschwerdekammer, vom 14. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ erstattete am 1. September 2005 beim Untersuchungsrichteramt
Davos gegen A.________ und B.________ Strafanzeige wegen Betrugs. Die
C.________ AG, vertreten durch X.________, hatte A.________ in den Jahren
1999 bis 2004 für verschiedene Bauvorhaben in Klosters und Davos das
Baumanagement übertragen. Dieser Auftrag bestand im Wesentlichen darin, von
einzelnen Bauunternehmen Offerten einzuholen und Werkverträge mit ihnen
abzuschliessen. In diesem Rahmen schloss A.________ mit B.________ diverse
Verträge über Spengler- und Bedachungsarbeiten ab. X.________ begründete die
Strafanzeige gegen A.________ und B.________ damit, das bei der Erstellung
verschiedener Bauvorhaben zwischen den Submissionsunterlagen, den darauf
basierenden Werkverträgen und den Unternehmensabschlussrechnungen einerseits
und den effektiv ausgeführten Bauarbeiten andererseits wesentliche
Abweichungen bestünden, welche zu gravierenden Differenzen zu Ungunsten der
jeweiligen Bauherrschaft und mittelbar zu seinen Ungunsten geführt hätten.
Deshalb habe er Verdacht auf betrügerische Machenschaften geschöpft.

Die Staatsanwaltschaft Graubünden eröffnete am 18. Oktober 2005 gegen
A.________ und B.________ eine Strafuntersuchung wegen Betrugs. Das
Untersuchungsrichteramt Chur wurde mit der Durchführung der Strafuntersuchung
beauftragt.

Bezüglich B.________ räumte X.________ im Laufe des Untersuchungsverfahrens
ein, dass im Grunde keine konkreten strafrechtlich relevanten Verdachtsgründe
vorlägen, ihm aber  Unterlagen der Bauvorhaben vorenthalten würden.
B.________ habe aber immer einwandfreie Arbeit geleistet, weshalb er ihn
nicht des Betrugs beschuldige.

Zum Verhalten von A.________ vertrat der zuständige Untersuchungsrichter die
Auffassung, dass es in dessen Kompetenz gelegen habe, mit den einzelnen
Unternehmern Pauschalverträge abzuschliessen und X.________ dieses Vorgehen
nie beanstandet habe. Auch die Bauherren seien damit einverstanden gewesen
und hätten sich nicht geschädigt gefühlt. X.________ habe offensichtlich nur
deshalb Strafanzeige erhoben, weil er gegenüber A.________ Forderungen
ausstehend habe, die von diesem bestritten werden. Diese Forderungen hätten
mit dem Gegenstand der Strafuntersuchung aber nichts zu tun. Die Vorbringen
des Anzeigeerstatters seien rein zivilrechtlicher Natur und daher nicht
geeignet, Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten von A.________
herzugeben.

Mit Verfügung vom 18. April 2006 stellte der Untersuchungsrichter die
Strafuntersuchung gegen A.________ und B.________ ein und auferlegte
X.________ die Kosten für das Verfahren und die Entschädigung der
Strafverteidiger von insgesamt Fr. 8'504.40. Diese Verfügung wurde von der
Staatsanwaltschaft genehmigt.

X. ________ erhob gegen die Einstellungsverfügung im Kostenpunkt Beschwerde,
welche die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden mit Entscheid
vom 14. Juni 2006 abwies.

B.
X.________ hat beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung des Willkürverbots erhoben. Der Beschwerdeführer beantragt, der
Entscheid des Kantonsgerichts sei aufzuheben, die Einstellungsverfügung sei
im Kostenpunkt aufzuheben, und die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr.
8'504.40 seien der Staatskasse zu belasten. Eventualiter sei die Sache an das
Kantonsgericht zur Neubeurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen
zurückzuweisen.

C.
Das Kantonsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. A.________ (Beschwerdegegner 1) beantragt ebenfalls die
Beschwerdeabweisung. Die Staatsanwaltschaft und B.________ (Beschwerdegegner
2) haben auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die angefochtenen Entscheide ergingen vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes
über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR
173.110) am 1. Januar 2007. Demzufolge richtet sich das Beschwerdeverfahren
nach dem bisherigen Recht (Art. 84 ff. OG; Art. 132 Abs. 1 BGG, e contrario).

2.
2.1 Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde ist, von hier nicht
vorliegenden Ausnahmen abgesehen, nur der letzte kantonale Entscheid (vgl.
BGE 125 I 492 E. 1a/aa S. 493 f.). Auf die Beschwerde ist daher nicht
einzutreten, soweit sie sich gegen die Einstellungsverfügung richtet.

2.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich rein kassatorischer
Natur (vgl. BGE 129 I 129 E. 1.2.1 S. 131 f.). Soweit der Beschwerdeführer
mehr verlangt als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids des
Kantonsgerichts, ist auf die Beschwerde wiederum nicht einzutreten.

2.3 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen
Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche
verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch
den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Soweit der Beschwerdeführer
sich nicht an diese Vorschrift hält, sondern sich damit begnügt, den
angefochtenen Entscheid als willkürlich auszugeben und dem Bundesgericht die
abweichende eigene Auffassung zu unterbreiten, ist auf die Beschwerde
ebenfalls nicht einzutreten (vgl. BGE 131 I 377 E. 4.3 S. 385).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV).
Er bestreitet das Vorliegen der Voraussetzungen für die Auferlegung der
Kosten- und Entschädigungsfolgen im gegen die Beschwerdegegner geführten
Strafverfahren.

3.2 Willkürlich ist ein Entscheid, wenn er offensichtlich unhaltbar ist,
insbesondere mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht,
eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in
stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 131 I 57 E. 2
S. 61, mit Hinweisen).

3.3 Die kantonalen Instanzen haben die Kostenauflage auf Art. 156 Abs. 2 des
Gesetzes des Kantons Graubünden vom 8. Juni 1958 über die Strafrechtspflege
(StPO/GR) abgestützt. Nach dieser Vorschrift kann derjenige, der
Verfahrenskosten lediglich zur Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche oder
durch vorsätzlich oder grobfahrlässig unrichtige Angaben verursacht hat, zu
deren Tragung verpflichtet werden. Gemäss dem angefochtenen Entscheid des
Kantonsgerichts steht vorliegend in Frage, ob der Beschwerdeführer
Verfahrenskosten lediglich zur Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche
verursacht hat. Das Kantonsgericht erwog, Art. 156 Abs. 2 erster Satzteil
StPO/GR sei in dem Sinne zu verstehen, dass die Verfahrenskosten unter der
Voraussetzung auferlegt werden dürfen, dass erstens der Betreffende ein
Strafverfahren zur Verfolgung - eigener oder fremder -  zivilrechtlicher
Interessen eingeleitet habe und dass zweitens bei der Verzeigung keine
gewichtigen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat gesprochen hätten.
Diese Auslegung von Art. 156 Abs. 2 StPO/GR hat der Beschwerdeführer nicht
angefochten.

3.4 Das Kantonsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer  gegenüber
den Beschwerdegegnern 1 und 2 zivilrechtliche Interessen habe, welche mit den
Bauprojekten in Davos und Klosters in Zusammenhang stünden. Bezüglich des
Beschwerdegegners 1 gehe dies aus einem vom Beschwerdeführer eingeleiteten
Amtsbefehlsverfahren zur Herausgabe von Unterlagen der Bauprojekte in Davos
und Klosters hervor. Was den Beschwerdegegner 2 betreffe, so ergebe sich aus
dem Umstand, dass der Beschwerdeführer den Vorwurf des Betrugs im Verlauf der
Untersuchung zurückgenommen und dem vormals Angeschuldigten sogar eine
einwandfreie Arbeit attestiert hatte, dass es nicht strafrechtliche, sondern
nur zivilrechtliche Gründe gewesen sein können, die den Beschwerdeführer zur
Strafanzeige bewogen hätten.

Das Kantonsgericht vertritt den Standpunkt, dass im Zeitpunkt der
Strafanzeige kein hinreichender Tatverdacht vorgelegen habe. Die gegen den
Beschwerdegegner 2 eingereichte Strafanzeige habe der Beschwerdeführer
zurückgezogen, und im Verhalten des Beschwerdegegners 1 könne nichts
festgestellt werden, was die Strafanzeige rechtfertigen würde. So habe der
Beschwerdegegner 1 sich im Amtsbefehlsverfahren darauf berufen, dass sich
einzelne Bauherren gegen die vom Beschwerdeführer angestrengte Herausgabe der
Bauunterlagen stellten. Dies sei eine nachvollziehbare Erklärung dafür, dass
der Beschwerdegegner 1 sich der Herausgabe der Unterlagen widersetzte,
weshalb nicht auf ein strafbares Verhalten hätte geschlossen werden dürfen.
Dass die Offerte und die Absprache zwischen den Beschwerdegegnern über den
Pauschalpreis nahezu identisch gewesen seien, deute für sich allein nicht auf
betrügerische Machenschaften hin. Auch der Umstand, dass mehr Arbeit und
Material in Rechnung gestellt worden seien, als der Beschwerdegegner 2
tatsächlich geleistet habe, sei nicht relevant, da es sich beim Pauschalpreis
um einen festen Preis handle, der unabhängig von den tatsächlichen
Erstellungskosten bezahlt werden müsse. Was einzelne Abweichungen im Umfang
der geschuldeten Leistungen (Konterlattung) betreffe, so hätte der
Beschwerdeführer nach Auffassung des Kantonsgerichts die massgebenden Pläne
vor der Strafanzeige einsehen können.

Das Kantonsgericht schloss, dass der Beschwerdeführer, nachdem er nicht
sämtliche Unterlagen im Amtsberichtsverfahren erhältlich machen konnte, die
Strafanzeige einzig zwecks Abklärung zivilrechtlicher Ansprüche erhoben habe.
Nach Auffassung des Kantonsgerichts hätte dafür der zivilprozessrechtliche
Weg eingeschlagen werden müssen, weshalb die Belastung des Beschwerdeführers
mit den Kosten- und Entschädigungsfolgen des Strafverfahrens nicht zu
beanstanden sei.

3.5 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass zwischen ihm resp. der
C.________ AG und den Beschwerdegegnern zivilrechtliche Forderungen zur
Diskussion standen. Ebenso wenig stellt er in Abrede, dass der
Beschwerdegegner 2 stets gute Vertragsleistungen erbrachte und daher kein
Grund bestand, ihn eines strafrechtlichen Verhaltens zu verdächtigen.
Insoweit ist die Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer habe die Strafanzeige
gegen den Beschwerdegegner 2 nur zur Verfolgung zivilrechtlicher Interessen
erhoben, einleuchtend.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Einleitung eines Strafverfahrens hätte
ihm nichts genützt, da die damit erreichte Akteneinsicht nicht so weit gehe
wie der vertragliche Anspruch auf Rechenschaft aus dem Vertrag der C.________
AG mit dem Beschwerdegegner 1. Dieses Argument geht ins Leere. Der Umfang
einer allfälligen Rechenschaftspflicht des Beschwerdegegners 1 spielt im
vorliegenden Zusammenhang keine Rolle.

Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, aufgrund der vertraglichen Pflicht
des Beschwerdegegners 1 zur Herausgabe der Bauunterlagen vermöge seine
Erklärung, die Bauherrschaft würde sich der Herausgabe widersetzen, nicht zu
tragen. Der Beschwerdeführer verkennt wiederum, dass das Kantonsgericht nicht
zu beurteilen hatte, ob eine vertragliche Pflicht des Beschwerdegegners 1 zur
Herausgabe der Bauunterlagen bestand, sondern ob Anhaltpunkte für ein
strafrechtlich relevantes Verhalten vorlagen.

Bezüglich des Vorwurfs, zwischen Werkvertrag und Abschlussrechnungen
einerseits und dem tatsächlich Geleisteten andererseits würden Abweichungen
bestehen, beschränkt sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf die
Darlegung seiner eigenen Auffassung. Er stellt nicht in Abrede, dass der
Beschwerdegegner 1 die Kompetenz hatte, mit dem Beschwerdegegner 2
Pauschalverträge abzuschliessen. Der Standpunkt des Kantonsgerichts, dass ein
vereinbarter Pauschalpreis unabhängig von den tatsächlichen Erstellungskosten
zu bezahlen ist, entspricht dem Gesetzestext (Art. 373 Abs. 3 OR) und ist
daher nicht willkürlich. Selbst wenn die Vermutung des Beschwerdeführers, der
Pauschalpreis basiere auf einem massiv übersetzten Kostenvoranschlag
zutreffen sollte, wäre zur Schadloshaltung in erster Linie der
zivilrechtliche Weg zu beschreiten und ist die Auffassung des
Kantonsgerichts, es würden allein deswegen noch keine Zeichen betrügerischer
Machenschaften vorliegen, vertretbar.

Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, entgegen dem angefochtenen
Entscheid habe der Beschwerdegegner 1 nicht alle Unterlagen auf dem Kreisamt
zur Einsicht deponiert, so dass er die vereinbarten Werkleistungen nicht habe
überprüfen können, ist unbehelflich. Wie oben gesagt legte der
Beschwerdegegner 1 eine plausible Erklärung dafür vor, weshalb er sich der
Herausgabe der Akten widersetzte. Selbst wenn die Behauptung des
Beschwerdeführers zutreffen sollte, wäre allein der Umstand, dass die Preise
einzelner Leistungen (Konterlattung) nicht hätten überprüft werden können,
nicht hinreichend, um den Standpunkt des Kantonsgerichts, es hätten keine
genügenden Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten vorgelegen, als
unvertretbar erscheinen zu lassen.

Bei den übrigen Ausführungen des Beschwerdeführers handelt es sich über weite
Strecken um appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid. Darauf ist
nicht weiter einzugehen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Indem das Kantonsgericht
die Belastung des Beschwerdeführers mit den Kosten- und Entschädigungsfolgen
des Strafverfahrens schützte, hat es das Willkürverbot jedenfalls nicht
verletzt.

4.
Nach dem Gesagten erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde als
unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss
hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG)
und dem Beschwerdegegner 1 eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen
(Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Der Beschwerdegegner 2 liess sich im vorliegenden
Verfahren nicht vernehmen, weshalb von der Zusprechung einer
Parteientschädigung abzusehen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner 1 für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Graubünden und dem Kantonsgericht von Graubünden, Beschwerdekammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Januar 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: