Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.669/2006
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{T 0/2}
1P.669/2006 /ggs

Urteil vom 9. Februar 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Martin
Suenderhauf,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Mauro Lardi,
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur,
Kantonsgericht von Graubünden, Strafkammer, Poststrasse 14, 7002 Chur.

Strafverfahren; Beweiswürdigung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von
Graubünden, Strafkammer,
vom 27./28. März 2006.
Sachverhalt:

A.
Das Kantonsgericht von Graubünden sprach Y.________ mit Urteil vom 27./28.
März 2006 von den Vorwürfen frei, X.________ vergewaltigt und mehrfach
sexuell belästigt zu haben. Deren Adhäsionsklage verwies es auf den Zivilweg.

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 8. Oktober 2006 wegen Verletzung des
rechtlichen Gehörs und willkürlicher Beweiswürdigung beantragt X.________,
das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden verzichtet auf Vernehmlassung.
Das Kantonsgericht beantragt unter Verweis auf seinen Entscheid, die
staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Denselben Antrag stellt mit eingehender Begründung Y.________.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist vor dem In-Kraft-Treten des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) eingegangen,
weshalb sich das Verfahren nach den Bestimmungen des OG richtet (Art. 132
Abs. 1 BGG).

1.1 Beim angefochtenen Entscheid des Kantonsgerichts handelt es sich um einen
letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Die
Beschwerdeführerin ist Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG und hat im
kantonalen Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner adhäsionsweise
zivilrechtliche Ansprüche erhoben; sie ist damit befugt, das diesen
freisprechende Urteil des Kantonsgerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde
wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte anzufechten (Art. 8 Abs. 1 lit. c
OHG; BGE 120 Ia 101 E. 2; 128 I 218 E. 1.1). Die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die
Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1
lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), einzutreten
ist.

1.2 Die Beschwerdeführerin beantragt den Beizug der Akten des
Untersuchungsamtes Gossau in Sachen A.________. Dieses Verfahren steht
indessen mit dem vorliegenden in keinem direkten Zusammenhang. Es ist
unbestritten und durch den Bericht der Therapeuten B.________ und C.________
erhärtet, dass die Beschwerdeführerin früher sexuellen Übergriffen ausgesetzt
war und entsprechend traumatisiert ist. Das Kantonsgericht hat diesem Umstand
bei seiner Beweiswürdigung angemessen Rechnung getragen. Auf den Aktenbeizug
kann daher verzichtet werden.

2.
2.1 Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegner
Ende 2003 und Anfang 2004 im Restaurant D.________ in E.________ gearbeitet
haben, sie als Geschäftsführerin, er als Koch. Nach der Anklageschrift soll
der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin am Arbeitsort zwischen Mitte
Dezember 2003 und Mitte Januar 2004 in sexueller Absicht mehrfach an die
Brüste und zwischen die Beine gegriffen und sie gegen ihren Willen geküsst
haben. Zudem habe er sie wiederholt mündlich und telefonisch aufgefordert,
mit ihm ins Bett zu gehen. An einem Tag in der ersten Hälfte des Januars
2004, vermutlich am 5., soll er zwischen 13:30 und 14:00 Uhr beim Buffet den
Schlüssel für die über dem Restaurant liegende Wohnung der Beschwerdeführerin
an sich genommen und diese aufgefordert haben, mit ihm mitzukommen. Obwohl
sich diese gewehrt und sich am Treppengeländer festgehalten habe, sei es dem
Beschwerdegegner gelungen, sie in den oberen Stock zu bringen, in die Wohnung
zu stossen und sie dort zu vergewaltigen.

2.2 Das Kantonsgericht kommt im angefochtenen Entscheid zum Schluss, die
Aussagen der Beschwerdeführerin, auf die sich die Anklage im Wesentlichen
stütze, seien in Bezug auf den Zeitpunkt der Tat und der Reihenfolge der
geltend gemachten Geschehnisse widersprüchlich, was erhebliche Zweifel an
ihrer Richtigkeit aufkommen liesse. Weitere Beweismittel, welche diese
Widersprüche zu entkräften bzw. die belastenden Aussagen zu bekräftigen
vermöchten, fehlten, weshalb erhebliche und nicht überwindbare Zweifel an der
Schuld des Beschwerdegegners verblieben.

Die Beschwerdeführerin wirft dem Kantonsgericht eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs vor, weil es die von ihr beantragte aussageanalytische
Begutachtung ihrer Aussagen abgelehnt habe. Zudem habe es seine
Begründungspflicht verletzt und die Beweise willkürlich gewürdigt.

2.3 Nach den aus Art. 29 BV fliessenden Verfahrensgarantien sind alle Beweise
abzunehmen, die sich auf Tatsachen beziehen, die für die Entscheidung
erheblich sind (BGE 127 I 54 E. 2b; 124 I 241 E. 2). Das hindert aber den
Richter nicht, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn er in willkürfreier
Überzeugung der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangt, der
rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und er überdies in
willkürfreier antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise
annehmen kann, seine Überzeugung werde auch durch diese nicht mehr geändert
(BGE 131 I 153 E. 3; 130 II 425 E. 2.1; 122 V 157 E. 1d).

2.4 Aus dem aus Art. 29 Abs. 2 BV abgeleiteten Anspruch auf rechtliches Gehör
ergibt sich für den Richter die Pflicht, seinen Entscheid zu begründen. Er
muss wenigstens kurz die wesentlichen Überlegungen darlegen, von denen er
sich dabei hat leiten lassen, sodass der Betroffene den Entscheid in voller
Kenntnis der Sache anfechten kann. Dabei muss sich der Richter nicht mit
allen tatsächlichen Behauptungen und rechtlichen Einwänden auseinandersetzen.
Er kann sich vielmehr auf die für seinen Entscheid erheblichen Gesichtspunkte
beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b; 123 I 31 E. 2c; 122 IV 8 E. 2c; 121 I 54 E.
2c je mit Hinweisen).

2.5 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung steht
den kantonalen Instanzen ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkür in der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen
ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen
oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich
der angefochtene Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist;
eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis
verfassungswidrig ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je
mit Hinweisen).

3.
3.1 Das Kantonsgericht hat sich im angefochtenen Entscheid (E. 2 S. 8 ff.)
eingehend mit dem Antrag der Beschwerdeführerin beschäftigt, ein
aussageanalytisches Gutachten einzuholen.

3.1.1 Es ist dabei davon ausgegangen, dass die Beurteilung der
Glaubhaftigkeit von Aussagen zu den ureigensten Kernaufgaben des Richters
gehört, die er selber wahrnehmen muss und nicht an Sachverständige delegieren
darf. Auf eine Begutachtung sei nur dann zurückzugreifen, wenn besondere
Umstände vorlägen, die dem Richter eine zuverlässige Beurteilung der Aussagen
ohne zusätzliches medizinisches oder psychologisches Fachwissen erschweren
bzw. verunmöglichen könnten. Solche Umstände seien namentlich das Vorliegen
von psychischen Erkrankungen, die mit einer gestörten Wahrnehmung der
Realität einhergingen (schizophrene, schizoaffektive oder manische Zustände)
und damit deren (wahre) Wiedergabe beeinträchtigen könnten, sowie
Altersdemenz, Schwachsinn und die Einnahme von Rauschmitteln oder
Medikamenten, welche die Wahrnehmung der Wirklichkeit und/oder deren
Wiedergabe beeinträchtigen können. Auch bei Menschen mit (vorübergehenden)
geistigen Störungen erübrige sich indessen eine Begutachtung, wenn ihre
Aussagen vom Richter verstanden und bewertet werden könne. Dies sei umso eher
möglich, als bei der richterlichen Würdigung von Zeugenaussagen die
Glaubhaftigkeit der Aussagen und nicht die Glaubwürdigkeit der aussagenden
Person im Vordergrund stehe. Erwachsene Zeugen seien mithin nur ausnahmsweise
zu begutachten, wobei dem Richter bei der Frage, ob dies im konkreten
Einzelfall geboten sei, ein Ermessensspielraum zustehe.

3.1.2 Gestützt auf diese Erwägungen kommt das Kantonsgericht im angefochtenen
Entscheid zum Schluss, es sei durchaus in der Lage, die Aussagen der
Beschwerdeführerin selber zu beurteilen. Es stellt zwar die Diagnose von
B.________ und C.________ nicht in Frage, welche der Beschwerdeführerin
aufgrund einer schwierigen Kindheit und wiederholten sexuellen Übergriffen
eine schwere posttraumatische Belastungsstörung mit starker Beeinträchtigung
der zwischenmenschlichen und sozialen Beziehungsfähigkeit und dissoziativen
Prozessen bescheinigt. Krankhafte psychische Abnormitäten, wie schizophrene,
schizoaffektive oder manische Zustände, welche die Aussageehrlichkeit der
Beschwerdeführerin beeinträchtigen könnten, seien indessen nicht ersichtlich.
Sie sei damit grundsätzlich eine gesunde Person, Hinweise auf psychische
Störungen durch Medikamente oder Rauschmittel lägen nicht vor. Die
Depositionen der Beschwerdeführerin seien weder völlig vage noch
unverständlich, sondern wiesen Widersprüche in Bezug auf die zeitliche
Festlegung der einzelnen Tatvorwürfe sowie deren zeitliche Einordnung im
Gesamtablauf der Ereignisse auf. Die Frage, weshalb die Beschwerdeführerin
ihre ersten Aussagen hinsichtlich der Daten später mehrmals und zum Teil
erheblich korrigiert habe, betreffe mithin die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben
in Bezug auf diese Umstände und könne mit Blick auf den Inhalt der
widersprüchlichen Aussagen sowie deren zeitlichen und inhaltlichen Kontext
zueinander aus den entsprechenden Angaben der Beschwerdeführerin und ihren
weiteren Depositionen geklärt werden, ohne dass das Gericht dazu der
fachspezifischen Hilfe eines Sachverständigen bedürfe (angefochtener
Entscheid E. 2b S. 10 f.).
3.2 Die Beschwerdeführerin kritisiert die in E. 3.1.1 wiedergegeben
allgemeinen Überlegungen und Kriterien, von denen sich das Kantonsgericht bei
der Beurteilung der Frage leiten liess, ob ein aussagepsycholgisches
Gutachten erforderlich sei, zu Recht nicht. Sie macht indessen geltend, das
Kantonsgericht habe diese Kriterien in unzutreffender Weise sowie auf Grund
willkürlicher Annahmen auf ihren Fall angewandt und mit der Abweisung ihres
entsprechenden Beweisantrags Art. 29 Abs. 2 BV verletzt.

3.2.1 Die Beschwerdeführerin rügt die Feststellung des Kantonsgerichts,
wonach sie, was ihr Persönlichkeitsfundament anbelange, grundsätzlich eine
gesunde Person sei, als aktenwidrig und widersprüchlich, da es nicht in Frage
gestellt habe, dass sie an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung
(ICD-10 F 43.1) mit starker Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen
Beziehungsgestaltung mit dem Risiko, in eine andauernde
Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 62.0) oder in eine "borderline"-Symptomatik
(ICD-10 F 60.3) überzugehen, leide.

3.2.2 Die umstrittene Feststellung darf indessen nicht isoliert betrachtet
werden, das Kantonsgericht erklärt im vorhergehenden und im nachfolgenden
Satz, dass es mit "gesund" das Fehlen von Hinweisen auf krankhafte psychische
Abnormitäten wie schizophrene, schizoaktive oder manische Zustände oder auf
Medikamenten- oder Rauschmittelmissbrauch versteht, welche die
Aussageehrlichkeit der Beschwerdeführerin beeinträchtigen könnten. In diesem
Sinn ist die kantonsgerichtliche Feststellung nicht zu beanstanden:

Weder aus den Berichten der Therapeuten noch aus den Beschreibungen der
gestellten Diagnosen in der Internationalen Klassifikation psychischer
Störungen (Dilling/Mombour/Schmidt, 5. A., Bern 2005) ergeben sich Hinweise
dafür, dass die Fähigkeit der Beschwerdeführerin, den zeitlichen Ablauf der
Geschehnisse wiederzugeben, krankheitsbedingt beeinträchtigt gewesen wäre.
B.________ nennt in ihrem Bericht vom 25. Juli 2005 als Bestandteile der von
ihr auch als "posttraumatic stress disorder" bezeichneten Diagnose
"Amnesie/Überflutung mit Erinnerungen, dissoziative Phasen,
Depersonalisation/Derealisiation, Intrusion (flash backs), Übererregung". Die
von der Therapeutin festgestellten dissoziativen Fähigkeiten seien
Abwehrmechanismen, welche die Beschwerdeführerin bereits in der Kindheit
entwickelt habe, um bestimmte (belastende) Situationen nicht zu hören
(de-realisieren) und nicht zu spüren (de-personalisieren). Mit einer solchen
Diagnose könnte etwa nachvollziehbar begründet werden, dass das Opfer die
demütigenden Tathandlungen auf Grund von Verdrängungsmechanismen gar nicht,
mit zeitlicher Verzögerung, bloss vage oder selektiv wiedergäbe. Dies war
indessen vorliegend gerade nicht der Fall, die Beschwerdeführerin hat die
Vergewaltigung mit einem für deren Nachvollzug ausreichenden Detailreichtum
geschildert. Inwiefern sie nicht in der Lage gewesen sein sollte, den
äusseren zeitlichen Ablauf der Geschehnisse ebenso zuverlässig darzulegen wie
eine Person ohne die von ihr erlittenen psychischen Belastungen, ist unter
diesen Umständen nicht ersichtlich. Der von ihr in der staatsrechtlichen
Beschwerde vorgebrachte Einwand, gerade weil sie wegen ihrer psychischen
Vorbelastung nicht in der Lage gewesen sei, das Tatgeschehen in seiner
Bedeutung sofort zuverlässig zu erfassen und einzuordnen, habe sie versucht,
dessen Plausibilität durch (zumindest teilweise unzutreffende) genaue
zeitliche Fixierungen zu erhöhen, erscheint doch eher weit hergeholt. Der
Entscheid des Kantonsgerichts, die Aussagen der Beschwerdeführerin ohne
Beizug eines medizinischen Experten zu würdigen, ist jedenfalls vertretbar.
Die Rüge, es habe mit der Ablehnung dieses Beweismittels ihren Gehörsanspruch
verletzt, ist unbegründet.

4.
Die Aussagen der Beschwerdeführerin überzeugten das Kantonsgericht nicht,
weil sie in Bezug auf die Datierung der Geschehnisse und deren zeitliche
Einordnung in den Gesamtablauf erhebliche Widersprüche aufwiesen.

4.1 Die sexuellen Belästigungen haben nach der handschriftlichen
"Bestätigungsmitteilung" der Beschwerdeführerin, welche auf den 30. Januar
datiert ist und nach dem 19. und vor dem 30. Januar 2004 verfasst worden sein
muss (vgl. dazu die unbestrittenen Ausführungen des Kantonsgerichts E. 3a S.
12), vom 13. bis zum 19. Januar 2004 stattgefunden. Gegenüber der Polizei
sagte die Beschwerdeführerin am 11. oder 12. Februar 2004 (die Datierung des
Protokolls ist zweideutig) aus, die Belästigungen hätten bereits anfangs
Januar 2004 begonnen. An der Konfrontationseinvernahme vom 15. Juni 2005
erklärte sie dann, die Belästigungen hätten ab Mitte Dezember 2003 begonnen
und 2 - 3 Wochen gedauert. An der zweiten Konfrontationseinvernahme vom 29.
Juni 2005 fügte sie hinzu, es habe 2003 ein Nikolausabend für alle
Angestellten gegeben, und die Belästigungen hätten bereits vor diesem Anlass
begonnen.

Die Vergewaltigung hat nach einer undatierten, an die obgenannte
"Bestätigungsmitteilung" angehefteten "Zusatzbestätigung" der
Beschwerdeführerin am 12. Januar 2004 stattgefunden. Bei diesem Datum blieb
sie auch in der polizeilichen Befragung vom 11. oder 12. Februar 2004. Am 8.
April 2004 liess sie durch ihren Anwalt mitteilen, die Vergewaltigung habe am
5. Januar stattgefunden.

4.2 Für das Kantonsgericht sind diese Widersprüche gravierend und geeignet,
die Glaubhaftigkeit der Anschuldigungen zu erschüttern. Es sieht auch in der
problematischen Persönlichkeitsstruktur der traumatisierten
Beschwerdeführerin keinen Grund, der sie erklären könnte. Ein
nachvollziehbares, auf verblassende Erinnerung zurückführbares Versehen hält
es für ausgeschlossen, da die Niederschrift der Anschuldigungen wenige Tage
nach den sexuellen Übergriffen und auch die polizeiliche Einvernahme knapp 2
Wochen später zeitnah erfolgten. Die Konfrontationseinvernahmen fanden zwar
erst rund 1 1/2 Jahre nach den umstrittenen Vorfällen statt, ein Versehen
hält das Kantonsgericht jedoch für ausgeschlossen, weil die
Beschwerdeführerin am 29. Juni 2005 aussagte, sie sei sich sicher, dass die
Belästigungen ca. Mitte Dezember begonnen hätten, sie wisse noch, dass die
Angestellten einen Nikolausabend gefeiert hätten, und dass die Belästigungen
in diesem Zeitpunkt bereits begonnen hätten. Dies sind erhebliche
Widersprüche in der zeitlichen Festlegung der Tatvorwürfe, und dem
Kantonsgericht ist auch insoweit beizupflichten, dass diese umso weniger
nachvollziehbar sind, als die Belästigungen einmal vor und einmal nach
Weihnachten und Neujahr, zwei markanten Einschnitten im Kalenderjahr,
begangen worden sein sollen.

4.3 Weiter gegen die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Beschwerdeführerin
spricht nach der Auffassung des Kantonsgerichts der Umstand, dass sie die
Vergewaltigung zunächst auf den 12. Januar 2004 datierte, die Tatzeit aber
auf den 5. Januar verlegte, nachdem sie mit den polizeilichen
Ermittlungsergebnissen konfrontiert worden war, welche den 12. Januar als
Tatzeit wegen Ortsabwesenheit des Beschwerdegegners ausschlossen. Der 5.
Januar 2004 fällt indessen nach der Überzeugung des Kantonsgerichts als
Tatzeitpunkt ebenfalls ausser Betracht, da der Beschwerdegegner an diesem Tag
von 10:00 bis 13:00 und von 17:30 bis 22:00 Uhr gearbeitet habe. Er sei damit
zur von der Beschwerdeführerin angegeben Tatzeit zwischen 13:30 und 14:00 Uhr
nicht am Tatort gewesen. Zudem habe diese angegeben, es hätten sich während
der Tatzeit keine Gäste im Restaurant aufgehalten; dies lasse sich anhand der
Kassastreifen für den 5. Januar nicht bestätigen.

4.4 Die Beschwerdeführerin rügt, das Kantonsgericht habe ihren Anspruch auf
Begründung (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt und die Beweise willkürlich
gewürdigt. Es treffe nicht zu, dass sie als Tatzeit exakt die Spanne von
13:30 und 14:00 angegeben habe; sie habe an der Konfrontationseinvernahme vom
15. Juni 2005 lediglich ausgesagt, es sei um die Mittagszeit, d.h. um ca.
13:30 oder 14:00 Uhr passiert. Anlässlich der polizeilichen Einvernahme habe
sie als Tatzeitpunkt 14 Uhr angegeben. Sie habe auch nicht darauf beharrt, am
Tag der Vergewaltigung um 8 Uhr und der Beschwerdegegner um 10 Uhr mit der
Arbeit begonnen zu haben; vielmehr sei sie sich dessen an der
Konfrontationseinvernahme nicht mehr sicher gewesen. Es sei daher
willkürlich, alle Tage, an denen sie beide die Arbeit nicht zu den genannten
Zeiten begonnen hätten, als mögliche Daten, an denen die Vergewaltigung hätte
stattfinden können, auszuschliessen. Unzulässig sei auch der auf die
Arbeitszeitkontrolle gestützte Schluss des Kantonsgerichts, der
Beschwerdegegner habe sich am 5. Januar von 13:00 bis 17:30 Uhr nicht im
Restaurant aufgehalten. Nach der davon abweichenden, von der
Beschwerdeführerin als Vorgesetzter unterschriebenen Stundenkontrolle habe er
an jenem Tag von 10:00 Uhr bis 14:45 Uhr und von 17:30 bis 22:00 Uhr
gearbeitet und sei damit zur Tatzeit am Tatort gewesen; das Kantonsgericht
habe seine Begründungspflicht verletzt, weil es nicht erläutert habe, weshalb
es sich allein auf die Arbeitszeitkontrolle gestützt und die Stundenkontrolle
ausser Acht gelassen habe. Es sei zudem in Willkür verfallen, da es selber
davon ausgehe, dass zwischen 13:38 und 13:55 Uhr noch Mahlzeiten serviert
worden seien, für deren Zubereitung einzig der Beschwerdegegner in Frage
komme. Mit dem Kantonsgericht sei zwar praktisch auszuschliessen, dass es am
5. Januar zwischen 13:30 und 14:00 zur Vergewaltigung gekommen sei. Dies
gelte indessen nicht für den Zeitraum von 14:05 und 14:18 Uhr. Unter der
Annahme, dass die um 13:55 Uhr getippte Konsumation im Einklang mit der
Darstellung der Beschwerdeführerin und entgegen angeblicher Usanz in diesem
Zeitpunkt eingezogen worden sei, könne die Vergewaltigung, die nach der
Schätzung der Beschwerdeführerin rund 15 Minuten gedauert habe, ohne weiteres
zwischen 14:05 und 14:18 Uhr stattgefunden haben. Um 14:19 Uhr sei ein
einzelner Kaffee getippt worden, was mit der Darstellung der
Beschwerdeführerin vereinbar sei, nach der Tat einem Gast einen solchen
serviert zu haben. Bei der um 14:18 Uhr getippten Kassabewegung von Fr. 22.50
fehle auf dem Kassastreifen jeder Hinweis, worum es sich dabei gehandelt
habe. Es stehe daher keineswegs fest, dass es sich dabei um eine Essens- oder
Getränkekonsumation handle, es sei nicht einmal klar, ob es sich überhaupt um
eine Konsumation handle.

4.5 Einziges Beweismittel gegen den Beschwerdegegner sind die Aussagen und
Eingaben der Beschwerdeführerin: die Arbeitskollegen der Beiden haben von den
Vorfällen nichts bemerkt, und objektive Beweise für die Begründetheit der
strafrechtlichen Vorwürfe fehlen. Das Kantonsgericht ist zum Schluss
gekommen, dass diese Aussagen wegen der ihnen innewohnenden Widersprüche
nicht geeignet seien, alle vernünftigen Zweifel an der Schuld des
Beschwerdegegners auszuräumen.

Es ist unbestreitbar, dass die Aussagen der Beschwerdeführerin schwer
erklärbare, erhebliche Widersprüche in Bezug auf die Datierung und die
Reihenfolge der Übergriffe aufweisen. So erfolgten nach den beiden
zusammengehefteten handschriftlichen "Bestätigungen" der Beschwerdeführerin
die Belästigungen nach der Vergewaltigung. In der polizeilichen Befragung
verlegte sie den Anfang der Belästigungen auf Anfang Januar, somit vor die
Vergewaltigung, welche auch nach der polizeilichen Befragung am 12. Januar
stattgefunden haben soll. An der Konfrontationseinvernahme 1 1/2 Jahre später
war sich die Beschwerdeführerin sicher, dass die Belästigungen bereits vor
der Nikolausfeier 2003 begonnen hatten. Das Datum für die Vergewaltigung
verlegte die Beschwerdeführerin vom 12. Januar auf den 5. Januar, nachdem die
polizeilichen Ermittlungen den 12. Januar als mögliche Tatzeit ausgeschlossen
hatten. Solche Widersprüche sind ohne weiteres geeignet, Zweifel an den
Anschuldigungen der Beschwerdeführerin zu wecken. Auch wenn sich dafür
allenfalls in durch frühere sexuelle Übergriffe ausgelösten posttraumatischen
Entwicklungen mehr oder weniger überzeugende psychologische Erklärungen
finden liessen, so ist der Schluss des Kantonsgerichts, diese Widersprüche
beeinträchtigten die Überzeugungskraft der Anschuldigungen, nicht
willkürlich.

Nachvollziehbar ist zwar der Einwand der Beschwerdeführerin gegen die
Beweiswürdigung des Kantonsgerichts insofern, als sie kritisiert, es habe den
5. Januar als Tatzeit zu Unrecht ausgeschlossen. Es trifft zu, dass der
Beschwerdegegner nach der von der Beschwerdeführerin selber unterschriebenen
Stundenkontrolle an diesem Tag bis 14:45 und damit auch während der von ihr
angegebenen Tatzeit (13:30 - 14:00 Uhr) im Restaurant anwesend war. Dies wird
auch durch die Kassastreifen bestätigt, aus denen hervorgeht, dass nach 13
Uhr Mahlzeiten serviert wurden, für deren Zubereitung einzig der
Beschwerdegegner in Frage kommt. Insofern greift der Schluss des
Kantonsgerichts, der 5. Januar komme als Datum der Vergewaltigung nicht in
Frage, weil der Beschwerdegegner den Tatort - das Restaurant - bereits um
13:00 Uhr verlassen habe, zu kurz. Es hat diesen Schluss mit einem Verweis
auf die Arbeitszeitkontrolle und damit verfassungsrechtlich ausreichend
begründet; dass die Begründung nach dem Gesagten unzutreffend ist, ändert
daran nichts.
Im Ergebnis ist der Ausschluss des 5. Januars als möglicher Tattag
verfassungsrechtlich ohnehin nicht willkürlich. Wie die Beschwerdeführerin
selber zugesteht, kann die Tatbegehung innerhalb der von ihr angegebenen
Zeitspanne (13:30 - 14:00 Uhr) praktisch ausgeschlossen werden. Dies gilt
indessen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch für die Zeit
zwischen 14:05 und 14:18 Uhr. Geht man mit dem Kantonsgericht davon aus, dass
im Restaurant zur fraglichen Zeit den üblichen Gepflogenheiten im Gastgewerbe
entsprechend die Bestellungen direkt nach deren Aufnahme getippt und
anschliessend die Kassabons als Anweisungen für die Zubereitung der
Mahlzeiten in die Küche weitergereicht wurden, so ergibt sich daraus, dass
der Beschwerdegegner um 13:55 Uhr mit der Zubereitung von drei Mahlzeiten
beauftragt wurde. Daraus lässt sich willkürfrei schliessen, dass er in der
auf dem Kassastreifen ausgewiesenen Konsumationslücke von 14:05 bis 14:18 Uhr
beschäftigt war und jedenfalls keine Viertelstunde und damit nicht
ausreichend Zeit zur Verfügung hatte, um die Beschwerdeführerin zu
vergewaltigen. Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts
davon ausginge, dass die Konsumationen nicht sofort bei der Bestellung,
sondern erst vor dem Einkassieren getippt wurden, ergäbe sich aus dem am
14:18 getippten Betrag von Fr. 22.50, dass zuvor ein Gast gegessen oder
mehrere Gäste etwas getrunken haben müssten. Die Beschwerdeführerin bringt
zwar vor, es sei nicht klar, ob es sich bei diesem Betrag überhaupt um eine
Konsumation handle, da der Grund der Rechnungsstellung auf dem Kassastreifen,
anders als bei den anderen Einträgen, nicht vermerkt sei. Dieser Einwand ist
indessen nicht geeignet, den Schluss des Kantonsgerichts als unhaltbar
nachzuweisen, zumal auch die Beschwerdeführerin - wozu sie als damalige
Geschäftsführerin in der Lage sein müsste - keine schlüssige Erklärung
vorbringt, um was es sich bei diesem auf der Kasse des Restaurants getippten
Betrag handeln könnte, wenn nicht um eine Konsumation. Auch unter dieser
Annahme hat sich somit in den Minuten vor 14:18 Uhr zumindest ein Gast im
Restaurant aufgehalten. Da die Beschwerdeführerin nach ihrer Aussage mit dem
Beschwerdegegner allein war, als er sie die Treppe hinaufgezogen und
anschliessend in ihrer Wohnung vergewaltigt haben soll, hat das
Kantonsgericht den 5. Januar als mögliches Tatdatum auf haltbare Weise
ausgeschlossen, die Willkürrüge ist unbegründet. Offen bleiben kann unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, ob das Kantonsgericht weitere Daten
in den ersten beiden Januarwochen als mögliche Tatzeiten ohne Willkür
ausschloss, da die Beschwerdeführerin selber nur geltend machte, die
Vergewaltigung habe am 5. oder dem 12. Januar 2004 stattgefunden,
möglicherweise weil sie sich sicher war, dass die Tat an einem Montag
geschehen war.

4.6 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das Kantonsgericht aus
nachvollziehbaren Gründen an den Anschuldigungen der Beschwerdeführerin
zweifelt und damit die Verfassung nicht verletzte, indem es den
Beschwerdegegner in dubio pro reo freisprach.

5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin dessen Kosten
(Art. 156 OG). Ausserdem hat sie den Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft und dem
Kantonsgericht von Graubünden, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Februar 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: