Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.660/2006
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{T 0/2}
1P.660/2006 /fun

Urteil vom 19. Februar 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Christoph Dumartheray,

gegen

Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft,  vertreten durch die Justiz-,
Polizei- und Militärdirektion, Rathausstrasse 2, Postfach, 4410 Liestal,
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht,
Bahnhofplatz 16, Postfach 635, 4410 Liestal.

Unentgeltliche Verbeiständung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 14. Juni
2006.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ wurde vom Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil-
und Strafrecht, am 2. März 2005 der versuchten vorsätzlichen Tötung und der
versuchten schweren Körperverletzung für schuldig erklärt und mit acht Jahren
Zuchthaus bestraft. Der Verurteilte wurde gestützt auf Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1
StGB in eine Heil- oder Pflegeanstalt eingewiesen und der Strafvollzug gemäss
Art. 43 Ziff. 2 Abs. 1 StGB aufgeschoben.

Am 16. März 2005 ersuchte die Stelle Massnahmevollzug der Justiz-, Polizei-
und Militärdirektion des Kantons Basel-Landschaft das Massnahmezentrum St.
Johannsen um Prüfung, ob und wann die Aufnahme von X.________ zum
Massnahmevollzug möglich sei. Das Massnahmezentrum St. Johannsen lehnte die
Aufnahme von X.________ ab. Im Schreiben vom 28. September 2005 begründete es
seinen Entscheid damit, dass die Bereitschaft von X.________, eine Therapie
durchzuführen und seine Lebensführung zu ändern, gering sei und er die
begangenen Straftaten nach wie vor abstreite, so dass eine auf die Straftat
bezogene Therapie ohnehin nicht möglich sei.

Mit Schreiben vom 23. November 2005 lehnte das Therapiezentrum Im Schache die
Aufnahme von X.________ ebenfalls aufgrund mangelnder Therapiewilligkeit ab.

Mit Schreiben vom 25. November 2005 teilte die Stelle Massnahmevollzug dem
Kantonsgericht, Abteilung Zivil- und Strafrecht, mit, dass die stationäre
Massnahme nicht durchgeführt werden könne und ein mit einer ambulanten
Therapie verbundener Strafvollzug eher realisierbar sei. Der Beschwerdeführer
beantragte dem Kantonsgericht am 6. Januar 2006, die ausgesprochene
Freiheitsstrafe sei nach wie vor zu Gunsten einer stationären Massnahme
aufzuschieben; eventualiter sei die Freiheitsstrafe zu vollziehen und eine
ambulante Massnahme während des Strafvollzugs anzuordnen. Der Staatsanwalt
liess sich am 12. Dezember 2005 und am 12. Januar 2006 vernehmen und
wiederholte den im Strafverfahren gestellten Antrag, anstelle einer
stationären Massnahme die Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
anzuordnen.

Mit Verfügung vom 3. April 2006 hob die Stelle Massnahmevollzug den Vollzug
der stationären Massnahme wegen Undurchführbarkeit auf und ersuchte das
Kantonsgericht, einen Entscheid gemäss Art. 43 Ziff. 3 StGB (Vollzug der
Grundstrafe und/oder Anordnung einer anderen Massnahme) zu treffen. Das
Kantonsgericht gab dem Gesuch des Beschwerdeführers um Erteilung der
unentgeltliche Rechtsverbeiständung in diesem Verfahren statt.

A.b Am 3. August 2005, somit im Verlauf der therapeutischen Abklärungen,
stellte X.________, vertreten durch Advokat Christoph Dumartheray, bei der
Justiz-, Polizei- und Militärdirektion ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtsverbeiständung bis zum Eintritt in eine Therapieanstalt. Zur Begründung
führte er aus, dass sich der Antritt des stationären Massnahmevollzugs
verzögere und er nicht in der Lage sei, seine Interessen in diesem
Zusammenhang selber zu wahren. Das Gesuch wurde am 22. September 2005
abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des
Kantons Basel-Landschaft am 22. November 2005 ebenfalls ab und verweigerte
gleichzeitig die unentgeltliche Rechtspflege im Beschwerdeverfahren.

Gegen den Entscheid des Regierungsrats beschwerte sich X.________ beim
Kantonsgericht und beantragte zugleich die unentgeltliche Rechtspflege im
Gerichtsverfahren. Mit prozessleitender Verfügung vom 8. Februar 2006 wies
die Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Kantonsgerichts dieses
Gesuch wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde ab. Dagegen erhob X.________
Einsprache. Das Kantonsgericht vereinigte das Einsprache- und
Beschwerdeverfahren und wies beide Rechtsmittel mit Urteil vom 14. Juni 2006
ab. Zur Begründung der Beschwerdeabweisung führte das Gericht im Wesentlichen
aus, dass für die Abklärung der Therapiebereitschaft im Massnahmevollzug kein
Rechtsbeistand erforderlich sei. Da das Begehren des Beschwerdeführers
aussichtslos gewesen sei, habe der Regierungsrat das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren zu Recht abgewiesen. Mit derselben
Begründung bestätigte das Kantonsgericht seinen abweisenden Entscheid
bezüglich der unentgeltlichen Rechtspflege im gerichtlichen Verfahren.

B.
X.________ hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts vom 14. Juni 2006
staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er beantragt dessen Aufhebung und die
Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht. Ausserdem
ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege und unentgeltliche
Rechtsverbeiständung für das Verfahren vor Bundesgericht.

C.
Der Regierungsrat beantragt die Beschwerdeabweisung. Das Kantonsgericht hat
auf Stellungnahme verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das angefochtene Urteil erging am 14. Juni 2006 und damit vor Inkrafttreten
des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005
(Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007. Demzufolge richtet
sich das Beschwerdeverfahren nach dem bisherigen Recht (Art. 84 ff. OG; Art.
132 Abs. 1 BGG, e contrario).

2.
Nach der Rechtsprechung kann ein Entscheid, mit dem das Gesuch um Beigabe
eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes abgewiesen wurde, ohne weiteres mit
staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden (BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131,
mit Hinweisen). Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, so dass auf die
Beschwerde einzutreten ist.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf
unentgeltliche Rechtspflege und unentgeltliche Rechtsverbeiständung (Art. 29
Abs. 3 BV). Er macht geltend, die Suche nach einer geeigneten Therapieanstalt
sei für ihn von grosser Tragweite gewesen. Er sei unter dem Druck gestanden,
entweder die Straftat, für welche er aus seiner Sicht zu Unrecht verurteilt
worden sei, zu gestehen oder aber keinen Therapieplatz zu erhalten. Dies
hätte zur Folge haben können, dass dem Antrag des Staatsanwalts auf Anordnung
der Verwahrung, den dieser bereits im Strafverfahren gestellt habe,
stattgegeben wird.

3.2 Art. 29 Abs. 3 BV gewährleistet der bedürftigen Partei in einem für sie
nicht aussichtslosen Verfahren den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege,
der auch die Vertretung durch einen unentgeltlichen Rechtsbeistand umfasst,
sofern ein solcher zur gehörigen Interessenwahrung erforderlich ist. Im
vorliegenden Fall rügt der Beschwerdeführer ausschliesslich die Verletzung
dieses verfassungsrechtlichen Minimalanspruchs und macht nicht geltend, das
kantonale Recht gewähre einen darüber hinausgehenden Anspruch.

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat die bedürftige Partei
Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung, wenn ihre Interessen in
schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines
Rechtsvertreters erforderlich machen. Droht das in Frage stehende Verfahren
besonders stark in die Rechtsposition der betroffenen Person einzugreifen,
ist die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters grundsätzlich
geboten, sonst nur dann, wenn zur relativen Schwere des Falles besondere
tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der
Betroffene auf sich alleine gestellt nicht gewachsen wäre (BGE 130 I 180 E.
2.2 S. 182, mit Hinweisen). Die sachliche Notwendigkeit der Verbeiständung
wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass das in Frage stehende
Verfahren von der Offizialmaxime oder dem Untersuchungsgrundsatz beherrscht
wird. In diesem Fall ist es jedoch gerechtfertigt, an die Voraussetzungen,
unter denen eine Verbeiständung durch einen Rechtsanwalt sachlich geboten
ist, einen strengen Massstab anzulegen (BGE 125 V 32 E. 4b S. 36, mit
Hinweisen).

3.3 Die Umsetzung der im Strafurteil angeordneten stationären Massnahme
erfolgt von Amtes wegen. Nach dem Gesagten steht dies der Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtsverbeiständung grundsätzlich zwar nicht entgegen. Wie
das Kantonsgericht aber zu Recht festhielt, wurde nicht in eine grundlegende
Rechtsposition des Beschwerdeführers eingegriffen, da es bei der Suche nach
einem geeigneten Therapieplatz um den blossen Vollzug des gegen den
Beschwerdeführer ausgesprochenen Strafurteils ging. Die Notwendigkeit des
Beizugs eines Anwalts war daher nicht von vornherein zu bejahen.

Damit ist zu prüfen, ob besondere Schwierigkeiten den Beizug eines Anwalts
erforderten. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei dem Druck ausgesetzt
gewesen, einen Therapieplatz nur unter der Bedingung zu erhalten, dass er die
Straftat gestehe. Der Beschwerdeführer verkennt, dass bei der Durchführung
einer stationären Massnahme die Mitwirkung des Betroffenen unumgänglich ist.
Dass die Therapiezentren seine diesbezügliche Motivation und sein
Unrechtsbewusstsein prüften, war sachlich geboten. Allein an diesem Umstand
lassen sich keine besonderen Schwierigkeiten, die den Beizug eines Anwalts
gerechtfertigt hätten, erkennen.

Auch während den therapeutischen Abklärungen lassen sich keine rechtlichen
oder sachverhaltlichen Probleme ausmachen, die der Beschwerdeführer nicht
alleine hätte bewältigen können. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers
beschränkt sich denn auch auf die Behauptung, dass die Rechtsverbeiständung
bei der Abklärung der Motivation des Beschwerdeführers zur Durchführung der
Therapie erforderlich gewesen sei. Er zeigt indessen nicht auf, was er in
seiner Rolle als Rechtsvertreter bei diesen Abklärungen überhaupt hätte
vorbringen können. Die Behauptung, die Behörden hätten den Rechtsvertreter
des Beschwerdeführers in einem Schreiben vom 20. September 2005 zum
anwaltlichen Tätigwerden aufgefordert, ist aktenwidrig.

Der Umstand, dass bei Undurchführbarkeit der stationären Massnahme der
Staatsanwalt seinen im Strafverfahren gestellten Antrag auf Verwahrung
erneuern könnte, stellt ebenfalls keinen Grund dar, dem Beschwerdeführer im
Verfahren vor den Massnahmebehörden die unentgeltliche Verbeiständung zu
bewilligen. Nach Art. 43 Ziff. 3 StGB entscheidet der Richter, ob und
inwieweit eine aufgeschobene Strafe vollzogen resp. eine andere sichernde
Massnahme angeordnet wird. Eine anwaltliche Verbeiständung war deshalb erst
vor Kantonsgericht (Abteilung Zivil- und Strafrecht), nicht bereits zur
Abklärung der Therapiebereitschaft vor den Massnahmebehörden erforderlich. Im
Gerichtsverfahren zur Aufhebung der stationären Massnahme wurde dem
Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtsverbeiständung denn auch bewilligt.

Verfassungsrechtlich ist demzufolge nicht zu beanstanden, dass das
Kantonsgericht den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im Verfahren
vor den Massnahmebehörden verneinte. In Anbetracht der dürftigen Argumente
des Beschwerdeführers kann sein Begehren ohne weiteres als aussichtslos
eingestuft werden. Dementsprechend beging das Kantonsgericht auch keine
Verfassungsverletzung, indem es den ablehnenden Entscheid des Regierungsrats
über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und unentgeltliche
Rechtsverbeiständung schützte und das entsprechende Gesuch im gerichtlichen
Beschwerdeverfahren abwies.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist somit
abzuweisen. Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Verfahren vor
Bundesgericht. Die Voraussetzungen sind wegen offensichtlicher
Aussichtslosigkeit nicht erfüllt (vgl. Art. 152 OG). Umständehalber wird aber
auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Verfassungs- und Verwaltungsrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Februar 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Die Gerichtsschreiberin: