Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.627/2006
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{T 0/2}
1P.627/2006 /ggs

Urteil vom 9. November 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jost
Schumacher,
Landgericht des Kantons Uri, Zivilrechtliche Abteilung, Rathausplatz 2, 6460
Altdorf,
Obergericht des Kantons Uri, Zivilrechtliche Abteilung, Rathausplatz 2, 6460
Altdorf.

Kostenverlegung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Teilentscheid des Obergerichts des
Kantons Uri, Zivilrechtliche Abteilung, vom 21. Januar 2005.
Sachverhalt:

A.
X. ________ reichte am 13. August 2004 beim Landgericht Uri (Zivilrechtliche
Abteilung) Klage gegen Y.________ wegen Verleumdung bzw. übler Nachrede ein.
Das Landgericht Uri trat mit Entscheid vom 9. November 2004 auf diese Klage
nicht ein und auferlegte die Gerichtskosten von Fr. 330.-- dem Kläger.

Dagegen erhob X.________ am 16. November 2004 Berufung beim Obergericht des
Kantons Uri. Das Obergericht beschränkte das Verfahren auf die Frage der
gesetzmässigen Zusammensetzung der richterlichen Vorinstanz und hiess mit
Teilentscheid vom 21. Januar 2005 die Berufung teilweise gut, hob den
Entscheid des Landgerichts Uri vom 9. November 2004 auf und wies die Sache an
das Landgericht Uri zurück, damit dieses in gesetzmässiger Besetzung über die
Klage entscheide. Die Gerichtskosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegte es
je hälftig den Parteien und schlug die Parteikosten wett.

B.
Mit Eingabe vom 22. Februar 2005 führte X.________ staatsrechtliche
Beschwerde gegen den obergerichtlichen Kostenentscheid. Das Bundesgericht
trat am 18. März 2005 auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein, weil der
angefochtene Rückweisungsentscheid ein Zwischenentscheid sei; die darin
getroffene Kostenregelung bewirke keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil,
sondern könne nach Ergehen des Endentscheids zusammen mit diesem oder auch
isoliert angefochten werden (Entscheid 1P.131/2005).

C.
Am 2. Juni 2005 entschied die zivilrechtliche Abteilung des Landgerichts Uri
erneut, dass auf die Ehrverletzungsklage von X.________ nicht einzutreten
sei.

Dagegen erhob Walter Stöckli Berufung beim Obergericht des Kantons Uri.
Dieses wies die Berufung am 13. Januar 2006 ab und bestätigte den
angefochtenen Entscheid. Der obergerichtliche Entscheid wurde Walter Stöckli
am 4. September 2006 zugestellt.

D.
Am 25. September 2006 erhob X.________ erneut staatsrechtliche Beschwerde mit
dem Antrag auf Aufhebung von Disp.-Ziff. 2 und 3 des obergerichtlichen
Entscheids vom 21. Januar 2005.

E.
Das Landgericht und das Obergericht Uri haben auf eine Vernehmlassung
verzichtet. Y.________ beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Wie bereits im Bundesgerichtsentscheid vom 18. März 2005 dargelegt wurde,
kann der Kostenentscheid vom 21. Januar 2005 nach Abschluss des kantonalen
Verfahrens mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte angefochten werden. Der Beschwerdeführer ist als
Kostenschuldner zur Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG). Auf die rechtzeitig
erhobene Beschwerde ist daher einzutreten.

2.
Das Obergericht begründete seinen Kostenentscheid damit, dass der Ausgang des
Verfahrens nach Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
wieder offen sei. Gemessen an den in der Berufung gestellten Anträgen habe
der Berufungskläger nur teilweise obsiegt, weshalb es sich rechtfertige, die
Gerichtskosten des Rechtsmittelverfahrens den Parteien hälftig aufzuerlegen
und die Parteikosten wettzuschlagen. Das Obergericht stützte sich auf Art.
107 Abs. 2 der Zivilprozessordnung des Kantons Uri vom 23. März 1994
(ZPO/UR), wonach die Prozesskosten verhältnismässig auferlegt werden, wenn
die Parteien teilweise unterliegen.

Der Beschwerdeführer hält dies für willkürlich (Art. 9 BV). Das Obergericht
habe den Entscheid des Landgerichts aufgehoben und die Sache an das
Landgericht zurückgewiesen, damit dieses in gesetzmässiger Besetzung über die
Klage entscheide. Es habe damit dem Antrag des Beschwerdeführers
vollumfänglich entsprochen. Mit dessen übrigen Anträgen habe sich das
Obergericht nicht mehr befassen müssen und auch nicht mehr befassen können.
Unter diesen Umständen hätte das Obergericht die Prozesskosten - zu denen
sowohl die Gerichts- als auch die Parteikosten zählen (Art. 104 Abs. 1
ZPO/UR) - entweder dem Staat (gemäss Art. 108 Abs. 4 ZPO/UR) oder allenfalls
dem Beschwerdegegner (gemäss Art. 107 Abs. 1 ZPO/UR) überbinden müssen.
Dagegen sei es absolut stossend, wenn der Beschwerdeführer für
offensichtliche Fehler der urnerischen Gerichte (hier: des Landgerichts Uri
betreffend Besetzung) aufzukommen habe, obwohl ihm in diesem Punkt von der
Rechtsmittelinstanz vollumfänglich Recht gegeben worden sei.

3.
Art. 107 ZPO/UR, auf den das Obergericht seinen Kostenentscheid stützte,
enthält das Prinzip der Kostenverlegung nach dem Unterliegerprinzip. Ein
Beschwerdeführer unterliegt grundsätzlich ganz oder teilweise, wenn er mit
seinen Anträgen nicht bzw. nicht vollständig durchdringt.

In seiner Berufungsschrift hatte der Beschwerdeführer beantragt, der
angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die Vorinstanz sei anzuweisen, auf
die Klage einzutreten; eventuell sei die Klage an die zuständige Strafbehörde
zu überweisen; subeventuell sei über den Klageantrag Nr. 2 materiell zu
entscheiden. In der Berufungsbegründung legte der Beschwerdeführer dar, dass
das Landgericht falsch besetzt gewesen sei und der angefochtene Beschluss
schon deshalb aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen sei (Berufungsschrift S. 3 Ziff. 2). Anschliessend begründete
er, weshalb das Landgericht seines Erachtens für die Ehrverletzungsklage
zuständig sei und auf die Klage eintreten müsse.

Das Obergericht beschränkte den Prozess vorläufig auf die Frage der
gesetzeskonformen Zusammensetzung des Landsgerichts Uri. Mit Teilentscheid
vom 21. Januar 2005 hielt es fest, dass die Vorinstanz nicht gesetzeskonform
besetzt gewesen sei; verfahrensrechtlich habe dies zur Folge, dass der
angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen sei, damit diese über die Sache in gesetzeskonformer Besetzung
entscheide.

Unter diesen Umständen konnte das Obergericht den weiteren Hauptantrag des
Beschwerdeführers - die Vorinstanz sei anzuweisen, auf die Klage einzutreten
- wie auch dessen Eventualanträge nicht mehr prüfen. Vielmehr musste zunächst
das Landgericht in richtiger Besetzung erneut entscheiden. Damit war - wie
das Obergericht an sich zutreffend dargelegt hat - der Ausgang des Verfahrens
wieder offen.

Dies hat jedoch nicht ein teilweises Unterliegen des Beschwerdeführers zur
Folge: Nachdem das Gericht, im Einverständnis beider Parteien, den Prozess
auf die Frage der gesetzmässigen Zusammensetzung der Vorinstanz beschränkt
und diesbezüglich einen Teilentscheid gefällt hatte, musste auch das Obsiegen
oder Unterliegen der Parteien anhand dieses beschränkten Prozessgegenstands
beurteilt werden, und nicht anhand von Anträgen, die andere, vorderhand
ausgeklammerte Rechtsfragen betrafen. Hinsichtlich der Besetzungsrüge
obsiegte der Beschwerdeführer vollständig. Insofern war es willkürlich, ihm
einen Teil der Gerichtskosten aufzuerlegen und ihm eine Parteientschädigung
zu versagen.

4.
Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen und der
angefochtene Kostenentscheid ist aufzuheben. Das Obergericht wird deshalb
erneut über die Kosten des ersten Berufungsverfahrens entscheiden müssen.

Nachdem die angefochtene Kostenverlegung im Zusammenhang mit der fehlerhaften
Besetzung des Landgerichts Uri im erstinstanzlichen Verfahren steht,
erscheint es nicht gerechtfertigt, dem privaten Beschwerdegegner Kosten
aufzuerlegen. Der Kanton Uri hat daher den Beschwerdeführer für die Kosten
des bundesgerichtlichen Verfahrens zu entschädigen (Art. 159 OG). Dagegen
sind dem Kanton keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und Disp.-Ziff. 2 und 3 des
Entscheids des Obergerichts des Kantons Uri vom 21. Januar 2005 werden
aufgehoben.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Uri hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Landgericht, Zivilrechtliche Abteilung,
und dem Obergericht des Kantons Uri, Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 9. November 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: