Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.570/2006
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{T 0/2}
1P.570/2006 /scd

Urteil vom 10. Oktober 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiberin Gerber.

X. ________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Philipp
Dobler,

gegen

Orange Communications SA, Beschwerdegegnerin,
Gemeinderat Altendorf, Dorfplatz 3, 8852 Altendorf,
Regierungsrat des Kantons Schwyz, Bahnhofstrasse 9, Postfach 1260, 6431
Schwyz,
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, Kollegiumstrasse 28,
Postfach 2266, 6431 Schwyz.

Baubewilligung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz, Kammer III, vom 28. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
Die Orange Communications SA beabsichtigt, auf Parzelle KTN 287 in der
Industriezone der Gemeinde Altendorf eine Mobilfunkanlage zu erstellen. Gegen
das Bauvorhaben gingen verschiedene Einsprachen ein. Am 10. Januar 2003
schützte der Gemeinderat Altendorf die Einsprachen teilweise, soweit die
Verletzung des Grenzabstands und die Überschreitung der maximal zulässigen
Emissionen gerügt wurden, und verweigerte die Baubewilligung.

B.
Gegen den gemeinderätlichen Bauabschlag erhob die Orange Communications SA
Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Schwyz. Dieser hiess die Beschwerde
am 26. August 2003 gut, hob den Beschluss des Gemeinderats auf und wies die
Sache zur Erteilung der nachgesuchten Bewilligung an die Vorinstanz zurück.

C.
Gegen den regierungsrätlichen Entscheid erhoben mehrere Einsprecher, darunter
auch die X.________ AG, Beschwerde an das Verwaltungsgericht Schwyz. Dieses
hiess die Beschwerden am 18. Februar 2004 teilweise gut, weil eine
abschliessende Einordnungsbeurteilung durch den Gemeinderat fehle. Es änderte
den regierungsrätlichen Entscheid deshalb insoweit ab, als die Sache im Sinne
der Erwägungen zur Neubeurteilung an den Gemeinderat Altendorf zurückgewiesen
werde. Hinsichtlich aller übrigen Rügen wies es die Beschwerde ab. Dieser
Entscheid wurde nicht angefochten.

D.
Mit Beschluss vom 20. September 2004 schützte der Gemeinderat die Einsprachen
hinsichtlich des Einordnungsgebots; in den übrigen Punkten schrieb er sie als
durch die Entscheide des Regierungsrates und des Verwaltungsgerichts erledigt
ab. Er verweigerte die Baubewilligung für die Antennenanlage wegen Verletzung
des Einordnungsgebotes gemäss Art. 5 des kommunalen Baureglements.

E.
Dagegen erhob die Orange Communications SA wiederum Beschwerde beim
Regierungsrat. Dieser überwies die Beschwerde zur Beurteilung an das
Verwaltungsgericht. Dieses führte einen Augenschein mit Parteiverhandlung
durch. Am 24. März 2005 hiess es die Beschwerde gut, hob den
gemeinderätlichen Beschluss vom 20. November 2004 auf und hielt die
Vorinstanz im Sinne der Erwägungen zur Erteilung der Baubewilligung an.

F.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid vom 24. März 2005 erhob u.a. die
X.________ AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde
ans Bundesgericht. Am 26. August 2005 trat das Bundesgericht auf die
Beschwerden nicht ein (Entscheid 1A.110/2005 und 1A.112/2005 und 1P.268/2005
und 1P.280/2005). Es ging davon aus, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
bereits gegen den ersten verwaltungsgerichtlichen Entscheid vom 18. Februar
2004 hätte erhoben werden müssen, in dem das Verwaltungsgericht über alle
bundesrechtlichen Rügen der Beschwerdeführer entschieden habe. Dagegen könne
die staatsrechtliche Beschwerde - mangels Vorliegens eines nicht
wiedergutzumachenden Nachteils i.S.v. Art. 87 Abs. 2 OG - nur gegen den
kantonal letztinstanzlichen Endentscheid geführt werden, mit dem das
Baubewilligungsverfahren abgeschlossen werde.

G.
Am 20. März 2006 erteilte der Gemeinderat Altendorf der Orange Communications
SA die Bewilligung für die Mobilfunkanlage mit verschiedenen Auflagen.

Dagegen führte die X.________ AG Beschwerde an den Regierungsrat. Dieser
überwies die Beschwerde zum Entscheid an das Verwaltungsgericht, das die
Beschwerde am 28. Juni 2006 im Sinne der Erwägungen abwies, soweit darauf
einzutreten sei.

H.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat die X.________ AG
staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht erhoben. Sie rügt die
Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV), der Wirtschaftsfreiheit (Art.
27 BV), des Willkürverbots (Art. 9 BV) sowie des rechtlichen Gehörs (Art. 29
Abs. 2 BV) und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die
Verweigerung der Baubewilligung.

I.
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten angefordert, aber keine
Vernehmlassungen eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid. Dagegen steht
die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von verfassungsmässigen
Rechten nur offen, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch
Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde
gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Zu prüfen ist deshalb, ob die geltend
gemachten Rügen im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben
wären.

1.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig gegen Verfügungen, die
sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen
(Art. 5 VwVG i.V.m. Art. 98 OG). Sodann unterliegen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch gemischtrechtliche Verfügungen sowie auf
kantonalem Recht beruhende Anordnungen, die einen hinreichend engen
Sachzusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu
beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweisen. Nur soweit dem
angefochtenen Entscheid selbständiges kantonales Recht ohne den genannten
Sachzusammenhang zum Bundesverwaltungsrecht zugrunde liegt, steht die
staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (BGE 123 II 359 E. 1a/aa S. 361).

1.1.1 Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihren verfassungsmässigen Rechten
(Wirtschaftsfreiheit, Eigentumsgarantie, Willkürverbot, Anspruch auf
rechtliches Gehör) verletzt, weil das Verwaltungsgericht nicht genügend
geprüft habe, ob beim Betrieb der streitigen Mobilfunkanlage die technischen
Anlagen der Garage (elektronische Werkzeuge, Prüfstände usw.) und die dort
befindlichen Fahrzeuge Schaden nehmen könnten. Die Beschwerdeführerin stützt
sich auf ein Schreiben der Daimler Chrysler AG vom 1. September 2000, wonach
die Funktion der Türentriegelung aufgrund von Hochfrequenzstörungen ausfallen
könne. Bei derartigen Frequenzstörungen müssten die Fahrzeuge neu
programmiert werden, was einen erheblichen Arbeitsaufwand verursache.

Die Beschwerdeführerin befürchtet somit elektromagnetische Störungen ihres
Garagenbetriebs durch Einwirkungen der Mobilfunkanlage, d.h. sie stellt die
elektromagnetische Verträglichkeit der Mobilfunkanlage in Frage.

1.1.2 Diese Fragestellung ist Gegenstand der Verordnung vom 9. April 1997
über die elektromagnetische Verträglichkeit (VEMV; SR 734.5). Art. 3 VEMV
bestimmt, dass Geräte bei bestimmungsgemässem und möglichst auch bei
voraussehbarem unsachgemässem Betrieb oder Gebrauch sowie in voraussehbaren
Störfällen andere Geräte elektromagnetisch nicht stören dürfen (Abs. 1) und
ihrerseits eine angemessene Festigkeit gegen elektromagnetische Störungen
aufweisen müssen (Abs. 2). Art. 4 VEMV verweist auf die grundlegenden
Anforderungen der elektromagnetischen Verträglichkeit nach Art. 4 der
EG-Richtlinie 89/336 vom 3. Mai 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit
(EMV-Richtlinie) in Verbindung mit ihrem Anhang III.

Für Fernmeldeanlagen bestimmt Art. 6 der Verordnung vom 14. Juni 2002 über
Fernmeldeanlagen (FAV; SR 784.101.2), dass diese nur angeboten oder in
Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie die grundlegenden Anforderungen
erfüllen, die in Artikel 7 bezeichnet sind. Dazu gehören gemäss Art. 7 Abs. 1
lit. b FAV die Anforderungen im Bereich des Schutzes betreffend die
elektromagnetische Verträglichkeit nach Artikel 4 und Anhang III
EMV-Richtlinie. Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) bezeichnet technische
Normen, bei deren Einhaltung vermutet wird, dass auch die grundlegenden
Anforderungen gemäss Art. 7 FAV erfüllt sind (Art. 31 Abs. 2 lit. a des
Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 [FMG; SR 784.10]). Das BAKOM ist für den
Vollzug im Bereich elektromagnetische Verträglichkeit zuständig, d.h. es
kontrolliert, ob die einschlägigen Bestimmungen eingehalten werden und ordnet
die erforderlichen Massnahmen an (Art. 33 FMG i.V.m. Art. 22 ff. FAV).

1.1.3 Danach sind die Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit
bundesrechtlich geregelt. Insofern ist die Rüge, die elektromagnetische
Verträglichkeit einer Anlage sei zu Unrecht bejaht oder nicht geprüft worden,
im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben. In diesem
Verfahren sind auch alle mit dieser Frage des Bundesverwaltungsrechts
zusammenhängenden verfassungsrechtlichen Rügen geltend zu machen. Dazu
gehören sowohl die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie und der
Wirtschaftsfreiheit durch die Störwirkung der Mobilfunkantennen als auch die
Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichteinholung eines
Gutachtens zu den möglichen Störwirkungen der Antennen.

Sind die geltend gemachten Rügen somit im Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben, erweist sich die staatsrechtliche
Beschwerde als unzulässig.

1.2 Zu prüfen ist, ob die staatsrechtliche Beschwerde als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegen genommen werden kann. Dies setzt
voraus, dass alle Sachurteilsvoraussetzungen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorliegen.

Fraglich ist im vorliegenden Fall, ob die elektromagnetische
Unverträglichkeit der Mobilfunkantenne nicht bereits mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den ersten Entscheid des
Verwaltungsgerichts vom 18. Februar 2004 hätte geltend gemacht werden müssen.

1.2.1 Wie bereits im Urteil vom 26. August 2005 dargelegt wurde (E. 2), wird
ein Rückweisungsentscheid der kantonal letzten Instanz, der bereits einen
Grundsatzentscheid in der Sache enthält, prozessual einem Endentscheid
gleichgestellt, d.h. er kann selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht angefochten werden (BGE 129 II 286 E. 4.2 S. 291 mit
Hinweisen).

1.2.2 Das Verwaltungsgericht Schwyz behandelte die Rüge der
Beschwerdeführerin, die Mobilfunkantenne werde ihren Garagenbetrieb stören
und deshalb die Eigentumsgarantie und die Wirtschaftsfreiheit verletzen, in
seinem ersten Rückweisungsentscheid vom 18. Februar 2004. Es erachtete die
Befürchtungen der Beschwerdeführerin als unbegründet und hielt keine
zusätzliche Begutachtung für erforderlich (E. 6 S. 11 f.). Es verneinte auch
eine Verletzung kantonalen Immissionsschutzrechts (E. 7 S. 12 ff.): Es ging
davon aus, dass die zuständigen Bundesbehörden der Störungsproblematik im
Rahmen der Konzessionsaufsicht angemessene Beachtung schenkten, wobei diese
Aufsicht nicht nur einseitig auf die Mobilfunkbetreiber, sondern gesamthaft
auf alle von Gerätschaften ausgehenden Störungspotentiale im
elektromagnetischen Bereich ausgerichtet sein sollte. Im Störungsfall könne
der massgebliche vorschriftswidrig handelnde Störer eruiert und zu
entsprechenden Massnahmen angehalten werden (E. 7.5 S. 13/14).

Das Verwaltungsgericht wies die Sache an die Gemeinde zurück, damit diese die
Einordnung der Antennenanlage in das Orts- und Landschaftsbild prüfe; im
Übrigen, hinsichtlich aller anderen Rügen, wies es die  Beschwerde ab. Zu den
abgewiesenen Rügen gehörten nicht nur alle Fragen des Immissionsschutzes nach
der NISV, sondern, wie die vorher zitierten Erwägungen zeigen, auch die Rügen
im Zusammenhang mit elektromagnetischen Störwirkungen der Mobilfunkanlage auf
den Garagenbetrieb der Beschwerdeführerin.

Im vorliegend angefochtenen Entscheid vom 28. Juni 2006 trat das
Verwaltungsgericht auf die Rügen der Beschwerdeführerin zur Störung ihres
Garagenbetriebs nicht ein (E. 3.1) und verwies diesbezüglich auf die
Erwägungen 6 und 7 ihres Entscheids vom 18. Februar 2004 (E. 3.2).
1.2.3 Nach dem Gesagten ist der erste Rückweisungsentscheid des
Verwaltungsgerichts vom 18. Februar 2004 als Grundsatzentscheid über alle
bundesrechtlichen Aspekte, einschliesslich der elektromagnetischen
Verträglichkeit der Antennenanlage, zu qualifizieren. Die Beschwerdeführerin
hätte deshalb diesen Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Bundesgericht anfechten können, worauf das Verwaltungsgericht in seiner
Rechtsmittelbelehrung auch hingewiesen hatte. Nachdem sie darauf verzichtet
hat, ist dieser Entscheid verbindlich geworden und kann nicht mehr in Frage
gestellt werden (so schon Urteil vom 26. August 2005 E. 2.2).
1.3 Damit kann die staatsrechtliche Beschwerde nicht als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegengenommen werden.

2.
Nach dem Gesagten kann auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten
werden; diese kann auch nicht als Verwaltungsgerichtsbeschwerde
entgegengenommen werden.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die
Gerichtsgebühr und hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Altendorf, dem Regierungsrat
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 10. Oktober 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: