Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.563/2006
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{T 0/2}
1P.563/2006 /scd

Urteil vom 12. Oktober 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Nay,
Gerichtsschreiber Haag.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Generalprokurator des Kantons Bern,
Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern,
Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17,
Postfach 7475, 3001 Bern.

Strafverfahren,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss
der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 6. Juli 2006.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
X. ________ reichte am 21. September 2005 eine Strafanzeige gegen
Generalprokurator Y.________ wegen Amtsmissbrauchs etc. ein. Auf Antrag des
Untersuchungsrichters 13 des Untersuchungsrichteramts III Bern-Mittelland vom
21. Oktober 2005 beschloss der Prokurator 3 der Staatsanwaltschaft III
Bern-Mittelland am 26. Oktober 2005, auf die Anzeige nicht einzutreten. Gegen
diesen Beschluss beschwerte sich X.________ mit Rekurs vom 9. November 2005
beim Obergericht des Kantons Bern. Die Anklagekammer des Obergerichts trat
auf den Rekurs mit Beschluss vom 6. Juli 2006 nicht ein.

Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 9. September 2006 beantragt X.________
unter anderem die Aufhebung des Entscheids der Anklagekammer des Obergerichts
vom 6. Juli 2006.

2.
Der angefochtene Entscheid ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid im
Sinn von Art. 86 Abs. 1 OG, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde
grundsätzlich zur Verfügung steht (Art. 84 Abs. 2 OG). Das Bundesgericht
prüft die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von Amtes wegen und mit freier
Kognition (BGE 129 I 173 E. 1 S. 174; 128 I 46 E. 1a S. 48, je mit
Hinweisen).

2.1 Mit staatsrechtlicher Beschwerde kann grundsätzlich lediglich die
Aufhebung des letztinstanzlichen kantonalen Entscheids verlangt werden (Art.
86 Abs. 1 OG; BGE 129 I 129 E. 1.2.1 S. 131 f. mit Hinweisen). Soweit der
Beschwerdeführer die Aufhebung anderer Entscheide der Untersuchungsrichter
und des Untersuchungsrichteramts III Bern-Mittelland beantragt, kann auf die
Beschwerde nicht eingetreten werden.

2.2 Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde setzt die persönliche
Betroffenheit des Beschwerdeführers in eigenen rechtlich geschützten
Interessen voraus (Art. 88 OG).

Nach der Praxis des Bundesgerichts ist der durch eine angeblich strafbare
Handlung Geschädigte grundsätzlich nicht legitimiert, gegen die Einstellung
eines Strafverfahrens oder gegen ein freisprechendes Urteil staatsrechtliche
Beschwerde zu erheben. Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache
selbst ist der Geschädigte, der im kantonalen Verfahren Parteistellung hatte,
aber befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung von
Verfahrensrechten geltend zu machen, deren Missachtung eine formelle
Rechtsverweigerung darstellt (BGE 128 I 218 E. 1.1 S. 219 f.).

Etwas anderes gilt für das Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten
(Opferhilfegesetz, OHG, SR 312). Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. b OHG kann das
Opfer den Entscheid eines Gerichts verlangen, wenn das Verfahren eingestellt
wird. Nach Art. 2 Abs. 1 OHG ist Opfer, wer durch eine Straftat in seiner
körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar
beeinträchtigt worden ist, unabhängig davon, ob der Täter ermittelt worden
ist und ob er sich schuldhaft verhalten hat. Nach der Rechtsprechung muss die
Beeinträchtigung von einem gewissen Gewicht sein (BGE 128 I 218 E. 1.2 S. 220
f. mit Hinweisen). Amtsmissbrauch vermag die Opferstellung nur in ganz
besonderen Fällen zu begründen, in welchen das Delikt zu einer erheblichen
Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen Integrität führt (BGE 120
Ia 157 E. 2d/aa S. 162, nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts
1P.96/2005 vom 18. Juli 2005, E. 1.1.3, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall
legt der Beschwerdeführer nicht hinreichend dar, dass die für die Bejahung
der Opferstellung im Sinne des OHG erforderliche Schwere der Beeinträchtigung
erreicht wäre.

2.3 Das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren führt nicht das vorangegangene
kantonale Verfahren weiter, sondern stellt als ausserordentliches
Rechtsmittel ein selbständiges staatsrechtliches Verfahren dar, das der
Kontrolle kantonaler Hoheitsakte unter dem spezifischen Gesichtspunkt
verfassungsmässiger Rechte dient (BGE 117 Ia 393 E. 1c S. 395). Die als
verletzt erachteten verfassungsmässigen Rechte oder deren Teilgehalte sind zu
bezeichnen; überdies ist in Auseinandersetzung mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheids im Einzelnen darzustellen, worin die Verletzung der
angerufenen Verfassungsrechte bestehen soll (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und
detailliert erhobene Rügen (Rügeprinzip), welche soweit möglich zu belegen
sind. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 130 I 258 E.
1.3 S. 261 f.; 129 I 185 E. 1.6 S. 189; 127 I 38 E. 3c S. 43; 117 Ia 393 E.
1c S. 395, je mit Hinweisen).

Die vorliegende Beschwerde genügt den beschriebenen Begründungsanforderungen
nicht. So setzt sich der Beschwerdeführer nicht hinreichend mit der
Begründung des angefochtenen Entscheids auseinander und übt teilweise
appellatorische Kritik am Vorgehen der kantonalen Strafverfolgungsbehörden.
Auf die Beschwerde kann somit nicht eingetreten werden. Dies gilt auch
insoweit, als der Beschwerdeführer die Verletzung von Verfahrensrechten
geltend machen will.

3.
Es ergibt sich somit, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.
Angesichts der offensichtlichen Aussichtslosigkeit der Beschwerde kann dem
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden (Art. 152 OG).
Die bundesgerichtlichen Kosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art.
153a und 156 Abs. 1 OG).

Mit dem vorliegenden Entscheid wird das Gesuch des Beschwerdeführers um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Generalprokurator und der
Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Oktober 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: