Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.543/2006
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{T 0/2}
1P.543/2006 /scd

Urteil vom 30. November 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Schilling.

X. ________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Richard
Eichenberger,

gegen

Gemeinderat Bellikon, Gemeindekanzlei, 5454 Bellikon,
Regierungsrat des Kantons Aargau, Regierungsgebäude, 5000 Aarau, vertreten
durch das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau,
Entfelderstrasse 22, 5001 Aarau,
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, Obere Vorstadt 40, 5000
Aarau.

Strassenbauprojekt,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau,

3. Kammer, vom 23. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
Im Zusammenhang mit der Erschliessung des Baugebietes "Rütimatt" soll in
Bellikon in Nähe des Schlosses ein rund 200 m langer Abschnitt der
Badenerstrasse (Kantonsstrasse K 411) ausgebaut werden. Nach den Plänen ist
die Kantonsstrasse im Bereich der Einmündung der ins Quartier "Rütimatt"
führenden Strasse zu verbreitern, damit eine Abbiegespur und eine
Verkehrsinsel geschaffen werden können. Die Strassenverbreiterung bedingt die
Abtretung eines Landstreifens ab dem Areal der Schlossgärtnerei (ca. 10 m² ab
Parzelle Nr. 733 und ca. 200 m² ab Parzelle Nr. 83).

B.
Die Bau- und Landerwerbspläne für den "Verursacherknoten 'Rütimatt'" lagen in
Bellikon vom 10. September bis 9. Oktober 2001 öffentlich auf. Während dieser
Frist erhob X.________ als Eigentümerin der für das Projekt beanspruchten
Grundstücke Einsprache. Sie verlangte, dass auf den Strassenknoten verzichtet
oder dieser ohne Inanspruchnahme ihres Landes ausgeführt werde.
Mit Beschluss vom 22. September 2004 hiess der Regierungsrat des Kantons
Aargau die Einsprache insofern gut, als sich diese gegen einen ursprünglich
ebenfalls vorgesehenen Einlenker ins Areal der Schlossgärtnerei richtete. Im
Übrigen wurde die Einsprache abgewiesen, das Projekt gutgeheissen und das
hierfür nötige Enteignungsrecht erteilt.
Gegen den Regierungsratsbeschluss vom 22. September 2004 erhob X.________
Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Nach Durchführung
eines einlässlichen Instruktionsverfahrens und Vornahme eines Augenscheins
wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde mit Urteil vom 23. Mai 2006 ab.

C.
X.________ hat gegen das Urteil des Aargauer Verwaltungsgerichtes
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Eigentumsgarantie, der
Rechtsgleichheit sowie des Willkürverbotes eingereicht.
Die Gemeinde Bellikon und das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau haben auf
Vernehmlassung verzichtet. Das kantonale Departement Bau, Verkehr und Umwelt
beantragt im Namen des Regierungsrates Abweisung der Beschwerde.

D.
Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ist
mit Präsidialverfügung vom 4. Oktober 2006 stattgegeben worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid, mit dem die
Beschwerde gegen ein kantonales Strassenbauprojekt und die hierfür
erforderliche Enteignung abgewiesen worden ist. Die Beschwerdeführerin ist
als Grundeigentümerin, die Land an den Strassenbau abzutreten hat, zur
staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. Auf die frist- und formgerecht
eingereichte Beschwerde ist einzutreten (vgl. Art. 86 Abs. 1, Art. 88-90 OG).

2.
Die Beschwerdeführerin macht in erster Linie geltend, der Ausbau der
Kantonsstrasse sei allein auf die neue Einmündung der Erschliessungsstrasse
zum Baugebiet "Rütimatt" zurückzuführen und liege daher ausschliesslich im
privaten Interesse der Bauherrschaft. Es fehle mithin an einem öffentlichen
Interesse am Projekt. Für private Interessen dürfe aber nicht enteignet
werden.
Dass der Bau einer Erschliessungsstrasse und deren Verbindung mit dem
Kantonsstrassennetz auch im privaten Interesse liegt, heisst jedoch nicht,
dass damit nicht ebenfalls öffentliche Interessen verfolgt würden. Ein
öffentliches Interesse besteht vorab schon an der ordnungsgemässen Umsetzung
der im eidgenössischen und kantonalen Raumplanungsrecht festgelegten
Grundsätze. Danach sind die Gemeinden zur genügenden und somit auch
strassenmässigen Erschliessung der Baugebiete verpflichtet, unabhängig davon,
welche private Interessen an einer solchen Erschliessung bestehen mögen und
wer die Erschliessungskosten trägt (vgl. Art. 19 des Bundesgesetzes über die
Raumplanung [RPG, SR 700], Art. 31 f. der Raumplanungsverordnung vom 28. Juni
2000 [RPV; SR 700.1] sowie § 16 f. des aargauischen Gesetzes über
Raumplanung, Umweltschutz und Bauwesen [Baugesetz, BauG]). Weiter besteht ein
klares öffentliches Interesse daran, dass bei der Planung von
Erschliessungsstrassen die Verkehrssicherheit beachtet und, falls
erforderlich, durch bauliche Massnahmen gewährleistet wird. Solche Massnahmen
liegen nicht nur im Interesse der neu Erschlossenen, sondern sämtlicher
Verkehrsteilnehmer und damit der Öffentlichkeit.

3.
Die Beschwerdeführerin bezeichnet den Eingriff in ihr Eigentum als
unverhältnismässig. Der Strassenausbau diene allein der Erschliessung der
hangseitigen Parzelle in der "Rütimatt"; es sei daher ab diesem Grundstück
das notwendige Land zur Verfügung zu stellen. Zwar sei die hangseitige
Verbreiterung der Strasse mit Mehrkosten verbunden, doch seien diese nicht
unzumutbar hoch. Die vorgesehene Landabtretung habe für die
Beschwerdeführerin zur Folge, dass auf ihrem Boden eine Tannenreihe gefällt
werden müsse, die als Sichtschutz gedient habe. Das von der Enteignung
betroffene Land sei zudem Bestandteil des Schlossareals, auf dem das
denkmalgeschützte Schloss und die Schlosskapelle stünden. Die Abtretung eines
Streifens von 210 m² des Schlossareals lasse sich mit den kantonalen und
kommunalen Denkmalschutzvorschriften, die auch den Umgebungsschutz
anstrebten, nicht vereinbaren. Im Übrigen werde der Zonenplan von Bellikon
zur Zeit revidiert und sei möglich, dass angesichts der künftigen
Erschliessungsbedürfnisse die Erstellung eines Strassenknotens am
vorgesehenen Ort unzweckmässig sei. Ein Vertreter der Gemeinde Bellikon
selbst habe die Notwendigkeit dieses Knotens in Frage gestellt.

3.1 Die Beschwerdeführerin weist erstmals vor Bundesgericht auf die
Zonenplanrevision und eine möglicherweise damit verbundene Änderung der
Erschliessungsbedürfnisse hin. Solche neuen Vorbringen sind im
staatsrechtlichen Verfahren unzulässig. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten.

3.2 Das Gebot der Verhältnismässigkeit verlangt, dass die von der Behörde
gewählten Massnahmen für das Erreichen des gesetzten Ziels geeignet,
notwendig und zumutbar sind. Der angestrebte Zweck muss in einem vernünftigen
Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln bzw. zu den zu seiner Verfolgung
notwendigen Beschränkungen stehen. Der Eingriff in Grundrechte darf in
sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht
einschneidender sein als erforderlich (vgl. etwa BGE 128 II 292 E. 5.1 S. 297
f., mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin verlangt vor allem, dass die Landabtretung hangseitig
zu erfolgen habe, und bestreitet nur nebenbei, dass der Knoten "Rütimatt"
überhaupt nötig sei. Wie den Akten zu entnehmen ist, entspricht der geplante
Strassenausbau grundsätzlich auch ihren eigenen Interessen, erleichtert er
doch die Neuerschliessung des Areals der Schlossgärtnerei, die bei einer
Umnutzung dieses Gebietes erforderlich wird. Zwar wird ein solches Vorhaben
von der Beschwerdeführerin zur Zeit nicht weiterverfolgt, doch kann eine
künftige Umnutzung nicht ausgeschlossen werden. Im Übrigen trägt der
Strassenausbau, wie bereits erwähnt, zweifellos zur Erhöhung der
Verkehrssicherheit bei und erweist sich in dieser Hinsicht als zweckmässig
und geeignet.
Was das Ausmass des Eingriffs in das Grundeigentum der Beschwerdeführerin
betrifft, ist festzuhalten, dass die Landabtretung weder das eigentliche
Schlossareal noch den unmittelbaren Schlossumschwung betrifft. Abzutreten ist
vom grossen Gebiet der Schlossgärtnerei, die dem Schlossareal benachbart ist,
lediglich ein rund 120 m langer und bis zu ca. 2,5 m breiter Landstreifen
längs der bestehenden Kantonsstrasse. Die Verminderung der weiten Fläche der
Schlossgärtnerei wird für den Betrachter kaum feststellbar sein. Allerdings
hat die Landabtretung zur Folge, dass eine Reihe von Fichten gefällt werden
müssen. Diese müssen aber auch weichen, wenn ein Umnutzungsprojekt (wieder)
ins Auge gefasst wird. Zudem kann, wie im angefochtenen Entscheid zu Recht
erwähnt wird, der Verlust dieser Bäume durch eine geeignete Ersatzpflanzung
weitgehend wettgemacht werden. Jedenfalls kann nicht gesagt werden, dass die
Landabtretung für die Beschwerdeführerin unzumutbare Ausmasse annehme. Die
Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.

4.
Die Beschwerdeführerin sieht eine rechtsungleiche Behandlung darin, dass nur
ihre Grundstücke (teil)enteignet werden und nicht beidseits der auszubauenden
Strasse Boden in Anspruch genommen wird. Diese einseitige Belastung verstosse
gleichzeitig gegen das Willkürverbot.
Bau und Ausbau von Strassen sind planerische Aufgaben des Gemeinwesens. Bei
der Erfüllung solcher Aufgaben steht den Behörden ein Spielraum des
Ermessens, insbesondere des technischen Ermessens zu, der bei der
richterlichen Überprüfung zu wahren ist. Ohnehin kann dem Gleichheitsprinzip
im Rahmen von Planungsmassnahmen nur abgeschwächte Bedeutung zukommen. Es
liegt im Wesen der Planung, dass Grundstücke ähnlicher Lage baurechtlich
verschieden behandelt und auch in unterschiedlichem Masse für
Infrastrukturanlagen beigezogen werden. Die unterschiedliche Behandlung muss
sich jedoch durch vernünftige Gründe rechtfertigen lassen. Das ist namentlich
dann nicht der Fall, wenn die ungleiche Behandlung der betroffenen Parzellen
jeder vernünftigen Planung widerspricht oder wenn dem Vorgehen der Behörde
offensichtlich unzulässige, sachfremde Überlegungen zugrunde liegen. Das
Gebot der Rechtsgleichheit fällt demnach bei Planungsmassnahmen im
Wesentlichen mit dem Willkürverbot zusammen (vgl. etwa BGE 121 I 245 E. 6e/bb
S. 249, 122 I 279 E. 5a S. 288).
Im angefochtenen Entscheid wird dargelegt, es gebe ausreichende Gründe, die
erforderliche Strassenverbreiterung nicht hangseitig vorzunehmen. Die
Verschiebung des Strassenknotens hangwärts würde auf einer Länge von ca. 30 m
erhebliche bauliche Anpassungen erfordern. Die bestehende rund 3 m hohe
Stützmauer müsste teilweise abgebrochen und eine neue, bis zu 4 m hohe Mauer
errichtet werden. Ebenso müsste der Gehweg verlegt bzw. neu erstellt werden.
Die Kosten für diese Massnahmen beliefen sich auf rund Fr. 300'000.--. Da bei
der Projektierung von Strassen auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu
berücksichtigen seien, fielen diese Mehrkosten ins Gewicht. Die
Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass eine hangseitige Verbreiterung der
Strasse grössere bauliche Anpassungen bedingen würde, macht jedoch wie
erwähnt geltend, dass die Mehrkosten angesichts der Grösse des neu
erschlossenen Baugebietes für die Bauherrschaft zumutbar seien. Wie dargelegt
wäre aber die gewählte planerische Lösung verfassungsrechtlich nur zu
beanstanden, wenn ihr offensichtlich sachfremde und damit unzulässige
Überlegungen zugrunde lägen. Das ist hier nicht der Fall. Topographische
Gegebenheiten und die Höhe der Baukosten sind sachliche Gründe, die bei der
Strassenplanung berücksichtigt werden können und diese beeinflussen dürfen.
Die Vorwürfe der Ungleichbehandlung und der Willkür erweisen sich somit als
haltlos.

5.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit auf
sie einzutreten ist.
Die bundesgerichtlichen Kosten sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend
der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
Parteientschädigungen sind nicht zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Gemeinderat Bellikon, dem
Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. November 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: