Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.465/2006
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{T 0/2}
1P.465/2006 /scd

Urteil vom 14. August 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

X. ________ GmbH, Beschwerdeführerin, vertreten durch Thomas Knöpfel,

gegen

Ehepaar Y.________, Beschwerdegegner,
Politische Gemeinde Aadorf, vertreten durch den Gemeinderat, Morgentalstrasse
2, Postfach, 174,
8355 Aadorf,
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, Bahnhofstrasse
55,Postfach, 8510 Frauenfeld,
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, Postfach,
8570 Weinfelden.

Baubewilligung; Nichtbezahlung des Kostenvorschusses innerhalb der
angesetzten Frist,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 28. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Eingabe vom 17. März 2006 erhob die X.________ GmbH beim Departement für
Bau und Umwelt (DBU) des Kantons Thurgau Rekurs gegen den Entscheid der
Politischen Gemeinde Aadorf vom 22. Februar 2006. Das DBU forderte die
Rekurrentin mit Zwischenverfügung vom 28. März 2006 auf, bis 18. April 2006
einen Kostenvorschuss von Fr. 500.-- zu bezahlen. Dabei wies das DBU darauf
hin, dass die Rekurrentin bei einem Zahlungsauftrag an eine Bank oder auf
elektronischem Weg dafür zu sorgen habe und im Zweifelsfall dafür
beweispflichtig werde, dass der Kostenvorschuss rechtzeitig dem angegebenen
Konto gutgeschrieben worden sei. Bei nicht fristgerechter Gutschrift des
Kostenvorschusses werde auf den Rekurs nicht eingetreten.

B.
Der Kostenvorschuss wurde am 20. April 2006 auf dem Konto des DBU
gutgeschrieben, woraufhin das Departement die Rekurrentin mit Schreiben vom
24. April 2006 aufforderte, den Nachweis der fristgerechten Zahlung zu
erbringen. Die Rekurrentin reichte deshalb mit Schreiben vom 8. Mai 2006 die
Bestätigung der Thurgauer Kantonalbank vom 5. Mai 2006 sowie ein
Fax-Schreiben der PostFinance vom 4. Mai 2006 ein und behauptete die
Einhaltung der Frist.

C.
Mit Entscheid vom 11. Mai 2006 trat das DBU nicht auf das Rechtsmittel der
X.________ GmbH ein, da die Frist zur Zahlung des Kostenvorschusses nicht
eingehalten worden sei. Dagegen gelangte die X.________ GmbH ans
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, welches die Beschwerde mit Urteil vom
28. Juni 2006 abwies.

D.
Mit Eingabe vom 24. Juli 2006 erhebt die X.________ GmbH staatsrechtliche
Beschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des erwähnten
Urteils vom 28. Juni 2006. Das Verwaltungsgericht sei anzuweisen, auf den
Rekurs der Beschwerdeführerin vom 31. Mai 2006 einzutreten. Die
Beschwerdeführerin beruft sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben und
macht überspitzten Formalismus geltend.

Das Bundesgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich gegen einen kantonal
letztinstanzlichen Entscheid (Art. 86 Abs. 1 OG), gegen den auf Bundesebene
für die Geltendmachung der Verletzung verfassungsmässiger Rechte die
staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung steht (Art. 84 lit. a OG). Da auch
die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde
grundsätzlich einzutreten.

Soweit die Beschwerdeführerin beantragt, das Verwaltungsgericht sei
anzuweisen, auf ihre Beschwerde vom 31. Mai 2006 einzutreten, muss es sich um
ein Versehen handeln: Das Verwaltungsgericht ist sehr wohl auf ihre
Beschwerde eingetreten, hat sie aber abgewiesen. Das Interesse der
Beschwerdeführerin ist demgegenüber darauf gerichtet, dass das DBU auf ihren
Rekurs vom 17. März 2006 eintritt.

2.
Die Beschwerdeführerin bemängelt sinngemäss, dass das DBU in seiner
Kostenvorschussverfügung keinen entsprechenden Hinweis auf die Praxis bei
Zahlungsüberweisungen gemacht habe. Sie sieht darin einen Verstoss gegen Treu
und Glauben im Rechtsverkehr. Der Umstand, dass die Post am 18. April 2006 um
17.24 Uhr im Besitz des Betrags gewesen sei, sei einem Poststempel
gleichzustellen. Es sei überspitzt formalistisch, bei Postkunden auf den
Poststempel und bei Bankkunden auf das Valutadatum abzustellen. Bei einer
Einzahlung am Postschalter dauere es auch zwei Arbeitstage, bis das Geld dem
Gläubiger per Valuta auf seinem Postcheckkonto gutgeschrieben sei. Wenn dem
Einzahler am Postschalter zwei Arbeitstage für die Weiterverarbeitung seiner
Zahlung zugestanden würden, dem auf der Bank Einzahlenden indes nicht, stelle
dies eine Rechtsungleichheit dar.

2.1 Unbestritten ist, dass die Behörde einen Kostenvorschuss verlangen kann.
Wird der Vorschuss trotz Hinweis auf die Säumnisfolgen nicht geleistet, kann
das Verfahren abgeschrieben oder die beantragte Amtshandlung unterbleiben,
sofern nicht öffentliche Interessen entgegenstehen (§ 79 Abs. 2 des Gesetzes
über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Februar 1981 [VRG/TG; 170.1]; vgl.
für das bundesgerichtliche Verfahren Art. 150 Abs. 4 OG).

Nicht bestritten ist zudem, dass das DBU der Beschwerdeführerin eine
Zahlungsfrist bis zum 18. April 2006 eingeräumt hat und die
Beschwerdeführerin die Zahlung des Kostenvorschusses am 13. April 2006 bei
ihrer Bank in Auftrag gegeben hat. Die Bank hat die Zahlung am 13. April 2006
vorgenommen, woraufhin der Zahlungseingang bei PostFinance am 18. April 2006
um 17.24 Uhr verbucht worden ist.  Von PostFinance ist die Zahlung sodann am
19. April 2006 verarbeitet worden mit Valuta 20. April 2006. In ihrem
Faxschreiben an die Beschwerdeführerin weist die PostFinance am 4. Mai 2006
darauf hin,
"dass ESR-Zahlungen aus dem SIC-Kanal bei PostFinance grundsätzlich
Valuta=Buchungsdatum + 2 Arbeitstage erhalten."
2.2 Massgeblich für die Beurteilung der Frage, ob der Kostenvorschuss
rechtzeitig geleistet worden ist, ist im Verfahren auf Bundesebene Art. 21
VwVG. Danach müssen Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist der
zuständigen Behörde selbst oder zu deren Handen der Schweizerischen Post oder
einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben
werden (vgl. Art. 32 Abs. 3 OG). Der Kanton Thurgau kennt mit § 24 Abs. 3
VRG/TG eine fast gleichlautende Bestimmung: Danach muss die betreffende
Handlung zur Wahrung einer Frist vor Ablauf der Frist vorgenommen werden.
Schriftliche Eingaben müssen vor Ablauf der Frist dem Adressaten, der
schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder
konsularischen Vertretung übergeben werden. Da sich Art. 32 Abs. 3 OG und
Art. 150 Abs. 4 OG (letzterer betreffend Säumnisfolgen) wie gesehen nicht
massgeblich von den entsprechenden Normen des thurgauischen Rechts (§ 24 Abs.
3 bzw. § 79 Abs. 2 VRG/TG) unterscheiden, liegt es nahe, für die Beurteilung
der vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen von diesen Kriterien auszugehen.

2.3 Wie das Bundesgericht zur bundesrechtlichen Regelung verschiedentlich
festgehalten hat, genügt die Erteilung eines Zahlungsauftrags an eine Bank
bei dieser klaren gesetzlichen Regelung nicht (vgl. etwa BGE 114 Ib 67 E. 1
S. 68). Wird eine Bank mit der Zahlung des Vorschusses beauftragt, so gilt
die Zahlung nur dann als rechtzeitig erbracht, wenn die Bank ihrerseits im
Sinne von Art. 21 Abs. 1 VwVG rechtzeitig handelt. Allfällige Versäumnisse
der von der Partei bzw. von ihrem Vertreter eingesetzten Bank, aber auch von
deren Hilfspersonen, werden der Partei zugerechnet (BGE 114 Ib 67 E. 2 S. 69
ff.).
2.4 Erfolgt die Ausführung der Zahlung zwischen der Bank und der Post auf
elektronischem Weg (Benützung elektronischer Datenträger, elektronische
Datenübermittlung im Rahmen des EZAG), so kommen angesichts der
Besonderheiten dieser Zahlungsart und der damit verbundenen technischen
Abläufe spezielle Regeln zur Anwendung. Die Zahlung gilt nur dann als
rechtzeitig geleistet, wenn die elektronischen Daten bzw. der Datenträger
spätestens am letzten Tag der vom Bundesgericht festgesetzten Frist der Post
übergeben werden und auch das eingesetzte Fälligkeitsdatum noch innerhalb der
vom Bundesgericht festgesetzten Zahlungsfrist liegt (BGE 117 Ib 220 E. 2a
S. 222). Das Bundesgericht hat diese Kriterien seither in zahlreichen - wenn

auch meist unveröffentlichten - Urteilen unter Berücksichtigung gewisser
technischer Weiterentwicklungen der Zahlungsabläufe ausnahmslos bestätigt
(vgl. beispielsweise das den Kanton Thurgau betreffende Urteil 2A.388/2002
des Bundesgerichts vom 17. September 2002, E. 2.2, sowie die Urteile
2A.144/2003 vom 10. April 2003, E. 2.2, und 2A.152/2001 vom 2. Oktober 2001,
E. 2b; Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 225/98 vom 11.
Januar 2000, publiziert in: StR 2000 S. 353 ff., E. 2; K 23/01 vom 22. Juni
2001).

2.5 Das Bundesgericht hat mehrmals festgestellt, die Tatsache, dass die Bank
das Fälligkeitsdatum nicht frei einsetzen kann, sondern dabei durch die bei
der Post geltenden Arbeitsabläufe gebunden zu sein scheint, sei unerheblich
und reiche für eine Praxisänderung nicht aus. Die Benützer der
EZAG-Dienstleistung der Post sind nämlich über die technischen Abläufe im
Bild und müssen daher auch wissen, auf welche Art und Weise das
Fälligkeitsdatum, über dessen Bedeutung angesichts der publizierten
Rechtsprechung keine Zweifel bestehen können, eingesetzt oder allenfalls gar
nachträglich durch die Post angepasst wird (Urteile 2A.144/2003 des
Bundesgerichts vom 10. April 2003, E. 2.4.2 und 2A.111/2001 vom 10. Mai 2001
E. 2a; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 225/98 vom 11.
Januar 2000, publiziert in: StR 2000 S. 353 ff., E. 2).

2.6 Im Umstand, dass das DBU nicht ausdrücklich auf die Besonderheiten im
Falle der Zahlungsausführungen per EZAG hingewiesen hat, liegt denn gemäss
der Rechtsprechung auch keine Verfassungswidrigkeit begründet (Urteil
2A.144/2003 vom 10. April 2003 E. 2.4.2; 2A.152/2001 vom 2. Oktober 2001 E.
2e). Daran ändert nichts, dass das Bundesgericht in seinen
Formularverfügungen zur Einforderung eines Kostenvorschusses auf die
entsprechenden Besonderheiten ausdrücklich hinweist.

2.7 Stellen nun die kantonalen Behörden bei der Beurteilung der Fristwahrung
auf diese Rechtsprechung ab, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, zumal die kantonale Regelung in § 24 Abs. 3 VRG/TG mit den
bundesrechtlichen Bestimmungen (Art. 21 VwVG; Art. 32 Abs. 3 OG) fast
wörtlich übereinstimmt (BGE 118 Ia 8 E. 2c und d S. 13 f.). Überdies ist
diese Berechnungsweise der Thurgauer Behörden nicht neu, sondern beruht auf
einer längeren Praxis (TVR 2002 Nr. 9; dazu Urteil 2A.388/2002 des
Bundesgerichts vom 17. September 2002). Damit erweist sich der Vorwurf, das
Verwaltungsgericht verstosse gegen Art. 9 und Art. 29 Abs. 1 BV als
unbegründet. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, wonach kein
Fristwiederherstellungsgrund im Sinn von § 26 VRG/TG nachgewiesen worden sei,
wurde von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht bestritten.

3.
Soweit sich die Beschwerdeführerin auf Art. 48 Abs. 4 des Bundesgesetzes über
das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110)
beruft, verkennt sie, dass das BGG erst am 1. Januar 2007 in Kraft tritt und
keine Vorwirkung zeitigt. Ihre diesbezüglichen Vorbringen sind von vornherein
unbehelflich.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist demzufolge abzuweisen. Entsprechend dem
Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen sind keine
auszurichten (Art. 159 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Parteientschädigungen werden keine zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Aadorf, dem
Departement für Bau und Umwelt und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. August 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: