Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.453/2006
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{T 0/2}
1P.453/2006 /ggs

Urteil vom 13. November 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiberin Schilling.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Einwohnergemeinde Adelboden, vertreten durch
den Gemeinderat, Zelgstrasse 3, Postfach 193, 3715 Adelboden,
Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des
Kantons Bern, Münstergasse 2, 3011 Bern,
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Speichergasse 12, 3011 Bern.

Nutzungsplanung; Änderung der baurechtlichen Grundordnung im Gebiet
Chuenisbärgli/Boden,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
vom 19. Juni 2006.
Sachverhalt:

A.
In der Gemeinde Adelboden wurde eine Änderung des Zonenplanes 2 "Boden" und
die Anpassung des kommunalen Baureglementes vom 14. Oktober bis 12. November
2004 öffentlich aufgelegt. Durch die Änderungen sollen planungsrechtliche
Grundlagen zur Sicherung von Pisten- und Liftanlagen am "Chuenisbärgli" sowie
der Parkplätze und Einrichtungen für das Weltcuprennen geschaffen werden.
Vorgesehen waren ursprünglich drei Zonen für öffentliche Nutzungen (ZöN),
darunter die hier umstrittene ZöN Nr. 18 "Bahn und Pisten Chuenisbärgli".
Gegen die Vorlage erhoben mehrere Personen Einsprache, so auch X.________ als
Miteigentümer des in der Landwirtschaftszone liegenden, in die ZöN Nr. 18
einbezogenen Grundstücks Adelboden Gbbl. Nr. 1166.
An der Gemeindeversammlung vom 29. November 2004 wurde die Änderung des
Zonenplans und des Baureglements unter Vornahme verschiedener Korrekturen
angenommen. Während der erneuten öffentlichen Auflage gingen keine weiteren
Einsprachen ein. Das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung genehmigte
die geänderten Pläne und Vorschriften am 2. März 2005 und wies die
Einsprachen im Wesentlichen ab. Einzelne Einsprachen, darunter jene von
X.________, merkte das Amt - soweit geeignet - als Rechtsverwahrungen vor.

B.
Gegen den Genehmigungsentscheid des Amtes für Gemeinden und Raumordnung
führte X.________ Beschwerde bei der Justiz-, Gemeinde und Kirchendirektion
des Kantons Bern. Er verlangte, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben
und die Gemeinde Adelboden angewiesen werde, die planungsrechtliche Sicherung
von Pisten und Liftanlagen auf das gesamte Gemeindegebiet auszudehnen, und
zwar unter gleichzeitiger Ausarbeitung eines einheitlichen
Entschädigungskonzepts. Zudem sei das Quellgebiet "Geissbrunni" in die
Gewässerschutzkarte aufzunehmen. Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion
wies die Beschwerde mit Entscheid vom 30. Juni 2005 ab.

X. ________ wandte sich hierauf an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern.
Im Verlaufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erklärte sich die
Einwohnergemeinde Adelboden bereit, das Reservoir und zwei Wasserfassungen
des Quellgebiets "Geissbrunni", das teils auf der Parzelle Nr. 1166 liegt,
aus dem ZöN-Perimeter zu entlassen. Mit Urteil vom 19. Juni 2006 hiess das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde teilweise gut und hob den
angefochtenen Entscheid insoweit auf, als das genannte Quellgebiet auf den
Parzellen Nrn. 1166 und 1923 dem Geltungsbereich der ZöN Nr. 18 zugewiesen
worden war. Das Verwaltungsgericht ordnete die Entlassung des fraglichen
Gebietes aus der ZöN an. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit
darauf einzutreten war.

C.
X.________ hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
staatsrechtliche Beschwerde erhoben und Antrag auf Aufhebung des
angefochtenen Urteils sowie der unterinstanzlichen Entscheide gestellt.
Die Einwohnergemeinde Adelboden, die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion
sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Bern beantragen Abweisung der
Beschwerde, soweit auf diese einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über die
Änderung eines kommunalen Nutzungsplanes. Gegen solche Entscheide ist die
staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich zulässig (Art. 34 Abs. 3 des
Bundesgesetzes über die Raumplanung [RPG, SR 700]).

1.2 Der Beschwerdeführer ist als Miteigentümer eines Grundstücks, das
grösstenteils in die Zone für öffentliche Nutzungen einbezogen worden ist,
zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (vgl. Art. 88 des Bundesgesetzes
über die Organisation der Bundesrechtspflege [OG; SR 700]).

1.3 Die staatsrechtliche Beschwerde kann nur gegen letztinstanzliche
kantonale Entscheide gerichtet werden (Art. 86 Abs. 1 OG). Soweit der
Beschwerdeführer auch die unterinstanzlichen Entscheide kritisiert und deren
Aufhebung verlangt, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

2.
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe sich
mit dem gegenüber dem Vorsteher der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion
gestellten Ausstandsbegehren nicht befasst und damit Art. 29 BV verletzt.
Dies trifft jedoch nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat sich in Erwägung 2.3
seines Urteils mit der Behauptung des Beschwerdeführers, der
Direktionsvorsteher habe sich unzulässigerweise bereits am
Einspracheverfahren persönlich beteiligt, eingehend auseinandergesetzt. Dass
es dabei auf die Behauptung, dem Eigentümer der Parzelle Nr. 700 sei im
Zusammenhang mit der Zonenplanänderung ein Sondervorteil verschafft worden,
nicht ausdrücklich eingegangen ist, stellt entgegen der Meinung des
Beschwerdeführers keine Verweigerung des rechtlichen Gehörs dar. Die
gerichtlichen Instanzen, die zur Beurteilung der Rechtmässigkeit einer
Verfügung im Rahmen des Streitgegenstandes aufgerufen sind, dürfen sich auf
die Behandlung der Vorbringen beschränken, die rechtserheblich und für den
Entscheid ausschlaggebend sind; mit Ausführungen, die ausserhalb des
Streitgegenstandes liegen oder nicht entscheiderheblich sein können, müssen
sie sich nicht befassen. Nun ist der Umstand, ob irgendein Grundeigentümer
aus dem Planänderungsverfahren einen Vorteil gezogen hat, unerheblich für die
Beurteilung der Frage, ob der Einbezug der Parzelle Nr. 1166 in die ZöN und
das gegenüber dem Beschwerdeführer durchgeführte Verfahren rechtmässig
gewesen seien. Das Verwaltungsgericht brauchte sich deshalb mit diesem
Vorbringen - wie übrigens auch mit anderen, nicht entscheiderheblichen
Ausführungen des Beschwerdeführers - nicht zu befassen.
Haltlos ist auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, das Verwaltungsgericht
sei auf das Begehren, die planungsrechtliche Sicherung von Pisten und
Liftanlagen müsse ausgedehnt bzw. auf dem ganzen Gemeindegebiet vorgenommen
werden, nicht eingegangen. Mit dieser Forderung hat sich das
Verwaltungsgericht in Erwägung E. 5.2.3 einlässlich befasst. Dass es der
Forderung nicht entsprochen hat, heisst offensichtlich nicht, dass der
Gehörsanspruch oder Bundesrecht verletzt worden wäre.

3.
In der Sache selbst macht der Beschwerdeführer erneut geltend, dass aus
Gründen der Gleichbehandlung einerseits sämtliche Skipisten und Liftanlagen
der Gemeinde Adelboden mit einer ZöN belegt werden müssten und andererseits
verschiedene weitere Grundstücke in die ZöN Nr. 18 "Bahn und Pisten
Chuenisbärgli" einzubeziehen seien.

3.1 Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid zunächst darauf
hingewiesen, dass im Rahmen von Planungsmassnahmen dem Gleichheitsprinzip nur
abgeschwächte Bedeutung zukomme. Es liege im Wesen der Planung, dass
Grundstücke ähnlicher Lage und Art bau- und zonenrechtlich verschieden
behandelt würden. Unterscheidungen und Abgrenzungen müssten sich aber durch
vernünftige planerische Gründe rechtfertigen lassen. Das sei namentlich dann
nicht der Fall, wenn die ungleiche Behandlung der betroffenen Parzellen jeder
vernünftigen Planung widerspreche oder wenn dem Vorgehen der Behörde
offensichtlich unzulässige, sachfremde Überlegungen zugrunde lägen. Das Gebot
der Rechtsgleichheit falle bei Planungsmassnahmen demnach im Wesentlichen mit
dem Willkürverbot zusammen.
Der Beschwerdeführer widerspricht diesen - zutreffenden - Ausführungen nicht,
übt indes im Zusammenhang mit der vorgenommenen Abgrenzung der ZöN Nr. 18
ausschliesslich appellatorische Kritik, die im staatsrechtlichen Verfahren
nicht zulässig ist. Insbesondere legt er in keiner Weise dar, dass die Zone
in ihrer konkreten Ausgestaltung jeder vernünftigen Planung widersprechen
würde und der Planungszweck gar nicht erreicht werden könnte. Dass auch eine
grössere Zone mit zusätzlichen Grundstücken hätte ausgeschieden werden
können, heisst noch nicht, dass die vorgenommene Abgrenzung rechtsungleich
bzw. willkürlich wäre. Willkür liegt nicht schon vor, wenn eine andere Lösung
vertretbar oder sogar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn der getroffene
(Planungs-)Entscheid sachlich schlechterdings nicht vertretbar ist oder mit
dem Gerechtigkeitsgedanken in krassem Widerspruch steht. Solches aber legt
der Beschwerdeführer wie erwähnt nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.

3.2 Zur Forderung des Beschwerdeführers um Ausdehnung der planungsrechtlichen
Massnahmen auf die Skipisten des ganzen Gemeindegebietes wird im
angefochtenen Urteil festgestellt, dass sich die Justiz-, Gemeinde- und
Kirchendirektion diesbezüglich ausführlich geäussert habe. Der
Beschwerdeführer setze sich mit dem Entscheid der Direktion nicht
substanziell auseinander. Er scheine zu verkennen, dass die ZöN Nr. 18 nicht
dem Bau, sondern der langfristigen rechtlichen Sicherstellung der Bahnanlagen
und des Pistensystems diene. Auch nach dem Bau der Bahnanlagen lasse sich
eine planungsrechtlich prioritäre Behandlung des Skigebiets "Chuenisbärgli"
aufgrund seines touristischen Werts - vor allem als Durchführungsort für ein
Weltcuprennen - sehr wohl rechtfertigen. Im Übrigen hätten die
Gemeindevertreter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum Ausdruck
gebracht, dass eine entsprechende Planung für die übrigen Skigebiete durchaus
vorgesehen sei. Auch unter diesem Gesichtswinkel lasse sich die Vorwegnahme
der Planung "Chuenisbärgli" nicht beanstanden.
Gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts bringt der Beschwerdeführer
lediglich vor, nach der Lehre müsse die Nutzungsplanung das Planungsgebiet
vollständig erfassen und habe aus einer Gesamtsicht heraus zu erfolgen; es
sei mit der Planungspflicht unvereinbar, wenn für einzelne Gebiete die
Festsetzung einer Nutzungszone aufgeschoben werde. Mit diesem Vorbringen wird
jedoch auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht dargetan, weshalb es gegen
Bundesrecht oder sogar Verfassungsrecht verstossen soll, die
(raumplanungs-)rechtliche Sicherstellung von Sportanlagen zunächst auf ein
von seiner touristischen Bedeutung her vorrangiges Gebiet zu beschränken und
dementsprechend den Zonenplan nur teilweise zu ändern. Solche gebietsweisen
Anpassungen der rechtlichen Raumordnung an aktuelle Bedürfnisse haben nichts
mit der erstmaligen Festsetzung der Nutzungsplanung und einer - grundsätzlich
verpönten - Ausklammerung einzelner Gebiete von der raumplanerischen Ordnung
zu tun. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als
unbegründet, soweit überhaupt auf sie eingetreten werden kann.

4.
Die bundesgerichtlichen Kosten sind dem Ausgang des Verfahrens gemäss dem
Beschwerdeführer zu überbinden (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung
ist der Einwohnergemeinde Adelboden schon deshalb nicht zuzusprechen, weil
sie keinen Rechtsanwalt beigezogen hat.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Einwohnergemeinde Adelboden, der
Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. November 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: