Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.409/2006
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{T 0/2}
1P.409/2006 /scd

Urteil vom 14. August 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Valentin Pfammatter,

gegen

Untersuchungsrichteramt Oberwallis,
Kantonsstrasse 6, 3930 Visp,
Strafkammer des Kantonsgerichtes des Kantons
Wallis, Justizgebäude, 1950 Sitten 2.

Strafverfahren; Einsprachefrist,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil der Strafkammer des
Kantonsgerichtes des Kantons Wallis vom 31. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
Aufgrund einer Strafanzeige der Kantonspolizei eröffnete das
Untersuchungsrichteramt Oberwallis am 7. Oktober 2004 von Amtes wegen eine
Strafuntersuchung gegen X.________ wegen Diebstahls, sowie auf Antrag eines
geschädigten Ehepaars hin wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs.
Gleichzeitig erliess der Untersuchungsrichter einen Haftbefehl gegen den
Beschuldigten. X.________ wurde noch gleichentags verhaftet. Die Haft wurde
ihm im Rahmen der richterlichen Einvernahme vom 8. Oktober 2004 formell
eröffnet. Anlässlich dieser Einvernahme gab der Beschuldigte den ihm zur Last
gelegten Einbruchdiebstahl zu.

B.
Mit Strafbefehl vom 8. Oktober 2004 befand der Untersuchungsrichter
X.________ des Diebstahls, der Sachbeschädigung sowie des Hausfriedensbruchs
für schuldig. Der Betroffene wurde zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat
verurteilt, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs. X.________
bestätigte auf Seite fünf des Strafbefehls, diesen am 8. Oktober 2004
empfangen zu haben und auf die Einlegung einer Einsprache ausdrücklich zu
verzichten.

C.
Am 5. November 2004 focht X.________ den Strafbefehl jedoch an. Gleichzeitig
ersuchte er um Gewährung des unentgeltlichen Rechtsbeistands. Die
Untersuchungsrichterin gab der Einsprache mit Entscheid vom 7. Juli 2005
keine Folge. Sie befand, der Strafbefehl sei aufgrund der Verzichtserklärung
des Einsprechers in Rechtskraft erwachsen und könne nicht mehr angefochten
werden. Auf die Erhebung von Kosten und Gebühren wurde verzichtet.

Gegen diese Verfügung gelangte X.________ an die Strafkammer des Walliser
Kantonsgerichts. Er machte geltend, die Verzichtserklärung sei einzig
aufgrund der durch die Untersuchungshaft entstandene Drucksituation und in
Unkenntnis der Sachlage erfolgt. Er habe somit nicht gültig auf sein
Anfechtungsrecht verzichtet. Das Kantonsgericht hiess die Beschwerde mit
Urteil vom 15. Dezember 2005 bezüglich der Nichtbehandlung des Gesuchs um
Gewährung des unentgeltlichen Rechtsbeistands gut und wies sie zur
Weiterbehandlung im Sinne der Erwägungen an das Untersuchungsrichteramt
zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.

D.
Dagegen gelangte X.________ am 30. Januar 2006 mit staatsrechtlicher
Beschwerde ans Bundesgericht. Dieses hob das Urteil des Kantonsgerichtes mit
Entscheid 1P.59/2006 vom 3. April 2006 wegen Verletzung des rechtlichen
Gehörs auf. Grund dafür war, dass die Stellungnahme der
Untersuchungsrichterin vom 26. Juli 2005 im Verfahren vor dem Kantonsgericht
dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht worden war.

E.
Das Kantonsgericht stellte X.________ daraufhin das fragliche Schreiben der
Untersuchungsrichterin zu und gab ihm Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
In seiner Eingabe vom 21. April 2006 hielt er an seinen Rechtsbegehren fest
und führte in Ergänzung zu seiner Beschwerdeschrift vom 18. Juli 2005 aus,
der Entscheid der Untersuchungsrichterin vom 7. Juli 2005 sei willkürlich und
verletze Art. 9, Art. 32 Abs. 3, Art. 36 Abs. 1 BV sowie Art. 6 EMRK. Mit
Urteil vom 31. Mai 2006 wies das Kantonsgericht die Beschwerde erneut
bezüglich der Nichtbehandlung des Gesuchs um Gewährung des Rechtsbeistands
gut und wies sie zur Weiterbehandlung im Sinne der Erwägungen an das
Untersuchungsrichteramt zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde wiederum
ab.

F.
Mit Eingabe vom 3. Juli 2006 erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde.
Er macht eine Verletzung von Art. 9, Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 3 BV
sowie von Art. 6 EMRK geltend und beantragt die Aufhebung des kantonalen
Urteils vom 31. Mai 2006. Gleichzeitig ersucht er um Gewährung des
unentgeltlichen Rechtsbeistands.

Die Strafkammer des Kantonsgerichts Wallis verzichtet auf Gegenbemerkungen
und verweist auf den angefochtenen Entscheid; in Bezug auf den Vorwurf, das
rechtliche Gehör verletzt zu haben, macht sie insbesondere auf Erwägung 3
ihres Urteils aufmerksam. Die Untersuchungsrichterin des
Untersuchungsrichteramts Oberwallis schliesst auf kostenpflichtige Abweisung
der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid, gegen den
die staatsrechtliche Beschwerde wegen der Verletzung verfassungsmässiger
Rechte erhoben werden kann (Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 in Verbindung mit Art.
84 Abs. 1 lit. a OG). Der Beschwerdeführer ist durch das Urteil des
Kantonsgerichtes vom 31. Mai 2006 in seinen rechtlich geschützten Interessen
berührt und damit zur Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG). Die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen
Anlass.

1.2 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde
überdies die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber
enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte inwiefern durch den
angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Im staatsrechtlichen
Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene
und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 262; 125 I 71
E. 1c S. 76; 122 I 70 E. 1c S. 73 mit Hinweisen). Auf rein appellatorische
Kritik am angefochtenen Urteil tritt es nicht ein (BGE 130 I 258 E. 1.3 S.
262). Soweit der Beschwerdeführer lediglich seine Sicht der Dinge darlegt und
nicht aufzeigt, inwiefern die Beurteilung des Kantonsgerichtes
verfassungswidrig sein soll, ist auf seine Rügen nicht einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer macht wiederum eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
geltend. Das Kantonsgericht habe es zu Unrecht abgelehnt, seine Stellungnahme
vom 21. April 2006 zu behandeln, soweit er damit explizit die
Beschwerdeschrift vom 18. Juli 2005 ergänzt habe.

2.1 Im ersten Verfahren vor Kantonsgericht war dem Beschwerdeführer die
Vernehmlassung der Untersuchungsrichterin vom 26. Juli 2005 nicht zugestellt
worden. Die Untersuchungsrichterin hatte sich in diesem Schreiben einzig zum
von ihr in der Verfügung vom 7. Juli 2005 nicht behandelten Gesuch um
unentgeltlichen Rechtsbeistand geäussert, im Übrigen aber unter Hinweis auf
die angefochtene Verfügung auf eine Stellungnahme verzichtet (vgl. act. 72
der untersuchungsrichterlichen Akten). Nachdem das Kantonsgericht nun dem
Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt hat, sich zu dieser Eingabe
nachträglich zu äussern, hat dieser mit Schreiben vom 21. April 2006 zwar
seinen Standpunkt zum nicht behandelten Gesuch um Gewährung des
unentgeltlichen Rechtsbeistands dargelegt; daneben hat er aber zusätzlich
ausdrücklich (siehe Ziff. IV.B.9. der Eingabe vom 21. April 2006) seine
Beschwerde vom 18. Juli 2005 durch Angabe weiterer Zitatstellen und durch
eine detailliertere Auseinandersetzung mit der Problematik des
Rechtsmittelverzichts ergänzt.

2.2 Gemäss Art. 169 Ziff. 1 der kantonalen Strafprozessordnung vom 22.
Februar 1962 (StPO/VS; SGS 312.0) ist die Beschwerde innert zehn Tagen,
nachdem der Beschwerdeführer oder sein Vertreter von der angefochtenen
Entscheidung oder Massnahme Kenntnis erhalten hat, schriftlich und in
doppelter Ausfertigung beim Kantonsgericht einzureichen. Sie muss begründet
sein. Weiter sieht Art. 31 Ziff. 1 StPO/VS vor, dass die vom Gesetz
festgelegten Fristen weder abgekürzt noch erstreckt werden können.

Das Kantonsgericht vertritt die Auffassung, eine Ergänzung der
Beschwerdeschrift, die nach der gesetzlichen und peremptorischen Frist von
zehn Tagen eingereicht werde, widerspreche der gesetzlichen
Begründungspflicht und sei unzulässig. Diese rechtliche Würdigung ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Kantonsgericht hatte dem
Beschwerdeführer - gestützt auf das Urteil 1P.59/2006 des Bundesgerichts vom
3. April 2006 - nachträglich lediglich die Gelegenheit zu geben, sich zur
Vernehmlassung der Untersuchungsrichterin vom 26. Juli 2005 zu äussern; der
Umfang seiner Stellungnahme war klar abgesteckt durch die Ausführungen der
Untersuchungsrichterin, auf welche Erwiderungen möglich waren. Eine
weitergehende Ergänzung der Beschwerdebegründung war damit keineswegs
verbunden, sind doch keine Gründe für eine derartige Privilegierung des
Beschwerdeführers ersichtlich. Dass die Voraussetzungen einer
Wiedereinsetzung (Art. 32 StPO/VS) nach Ablauf der peremptorischen, nicht
erstreckbaren Frist gegeben gewesen wären, wird vom Beschwerdeführer zu Recht
nicht geltend gemacht. Hinzu kommt, dass das Kantonsgericht die vom
Beschwerdeführer ergänzend angeführten Vorbringen trotzdem behandelt und
eingehend dargelegt hat, weshalb der Beschwerde selbst im Falle eines
Eintretens auf die zusätzlichen Rügen kein Erfolg beschieden wäre (E. 3 des
angefochtenen Entscheids). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist deshalb
zu verneinen.

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Anwendung eines Einspracheverzichts
vor Ablauf der Einsprachefrist ohne gesetzliche Grundlage stelle eine
willkürliche Auslegung der kantonalen Strafprozessordnung und damit einen
Verstoss gegen Art. 9 BV dar. Das Strafbefehlsverfahren sei ein stark
abgekürztes Verfahren, welches nicht noch zusätzlich gekürzt werden dürfe.
Andernfalls würden die Verteidigungsrechte der Angeschuldigten seiner
Auffassung nach massiv eingeschränkt. Er habe den Verzicht auf eine
Einsprache aufgrund der Drucksituation in der Untersuchungshaft erklärt. Am
8. Oktober 2004 habe er einen Vorstellungstermin gehabt, so dass sein
einziges Ziel gewesen sei, so bald wie möglich aus der Untersuchungshaft
entlassen zu werden, um diesen Termin wahrzunehmen. Der auf Diktat durch den
Untersuchungsrichter hin schriftlich erklärte Einspracheverzicht sei darum
ungültig. Unmittelbar nach der Haftentlassung habe er sich anwaltlich beraten
lassen, um sich die Bedeutung und den Inhalt des Strafbefehls erklären zu
lassen und die damit verbundenen Konsequenzen zu erfahren.

3.1 Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung
ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann,
wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft.
Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines
Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 129 I 8 E. 2.1 S.
9; 127 I 54 E. 2b; 125 I 166 E. 2a S. 168; 124 I 247 E. 5 S. 250; 123 I 1
E. 4a S. 5, je mit Hinweisen).

3.2 Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, dass die kantonale
Strafprozessordnung keine ausdrückliche Regelung für einen Einspracheverzicht
im Strafbefehlsverfahren kennt. Selbst wenn der Verzicht auf die Einsprache
in der StPO/VS jedoch nicht normiert ist, ist nicht einzusehen, weshalb es
dem Verfahrensbeteiligten nicht möglich sein sollte, innert der
Einsprachefrist nach Kenntnisnahme des begründeten Entscheids frei und
unbeeinflusst auf diesen Rechtsbehelf zu verzichten (in diesem Sinn Felix
Lopez, Das Strafbefehlsverfahren im Kanton Basel-Landschaft [§§ 7, 131 bis
134 StPO], Dissertation Basel 2001, S. 149). Wie das Bundesgericht schon vor
langem erkannt hat, muss ein Verzicht auf ein Rechtsmittel dann als unwirksam
betrachtet werden, wenn nicht vorausgesetzt werden darf, dass die Partei
dabei in voller Sachkenntnis gehandelt hat (BGE 86 I 150 E. 2 mit Hinweis;
Urteil U139/02 des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 20. November
2002 E. 2.3; in diesem Sinne auch Urteil 1A.130/2000 des Bundesgerichts vom
16. November 2000 E. 3a in ZBl 103/2002 S. 136). Die Lehre ist derselben
Auffassung (vgl. Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Martin Röhl, Kommentar zum
Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999,
Vorbem. zu §§ 19-28, N. 56 mit Hinweisen). Innert der Rechtsmittelfrist kann
auf die Einreichung des Rechsmittels verzichtet werden (Robert Hauser/Erhard
Schweri/Karl Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel
2005, § 94 N. 16; Niklaus Schmid, Strafprozessrecht: Eine Einführung auf der
Grundlage des Strafprozessrechtes des Kantons Zürich und des Bundes, 4.
Aufl., Zürich 2004 N. 974).

3.3 Daran ändert nichts, dass es sich beim Strafbefehlsverfahren nicht um ein
ordentliches Verfahren handelt und die Einsprache kein  Rechtsmittel im
eigentlichen Sinn darstellt. Der Strafbefehl ist nur in einfachen Fällen mit
klar gelagerten Verhältnissen und geringen Strafsanktionen möglich
(Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O., § 85 N. 2). So sieht auch Art. 143 Ziff. 1
StPO/VS vor, dass der Untersuchungsrichter bei den von ihm untersuchten und
beurteilten Straftaten und Vergehen einen Strafbefehl erlassen kann, wenn der
Tatbestand insbesondere durch das Geständnis des Angeschuldigten oder durch
die Feststellung eines vereidigten Beamten hinreichend erwiesen ist, und wenn
der Untersuchungsrichter eine Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten, Haft oder
eine Busse nicht über Fr. 10'000.-- als angemessen erachtet. Vorliegend waren
diese Voraussetzungen erfüllt: Der Beschwerdeführer hat die ihm zur Last
gelegte Tat gestanden (Protokoll der 2. Hafteinvernahme vom 8. Oktober 2004,
9.25 Uhr und Protokoll der Hafteröffnung vom 8. Oktober 2004, 15 Uhr), und
die gegen ihn verhängte Gefängnisstrafe beträgt einen Monat. Die Einsprache
gegen den Strafbefehl setzt sodann - im Unterschied zum Rechtsmittel - erst
das ordentliche Verfahren vor einem Gericht in Gang. Der Strafbefehl erlangt
die Bedeutung der Anklage (Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O., § 85 N. 9). Indes
bringt der Betroffene mit der Einsprache gegen den Strafbefehl genau wie bei
der Einlegung eines Rechtsmittels zum Ausdruck, dass er mit der Beurteilung
durch die Untersuchungsbehörde nicht einverstanden ist. Es ist darum nicht
ersichtlich, warum er nicht nach Kenntnis des begründeten Entscheides auf
eine Fortsetzung des Verfahrens verzichten kann, wenn er den Strafbefehl für
richtig oder seine Erfolgschancen im ordentlichen Verfahren für gering
erachtet. Dafür spricht auch, dass Art. 146 Abs. 1 StPO/VS einen
Einspracherückzug im Strafbefehlsverfahren bis zum Abschluss der
erstinstanzlichen Verhandlungen ausdrücklich vorsieht. Schliessen die
kantonalen Behörden daraus, dass analog auch ein ausdrücklicher
Einspracheverzicht möglich sei, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.

3.4 Der Beschwerdeführer hat die Verzichtserklärung auf der letzten Seite des
Strafbefehls (S. 5) vom 8. Oktober 2004 neben der Empfangsbestätigung
handschriftlich abgegeben (act. 30 der untersuchungsrichterlichen Akten). Das
Kantonsgericht führt dazu aus, der Beschwerdeführer habe somit die
Möglichkeit gehabt, den Strafbefehl zur Kenntnis zu nehmen, bevor er die
Verzichtserklärung verfasst habe. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die
Verzichtserklärung ohne Verständnis der Bedeutung und Tragweite derselben
abgegeben worden sei. Der beurteilte Tatbestand umfasse verhältnismässig
einfache Delikte und es sei aktenkundig, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen
der polizeilichen und richterlichen Einvernahme sowohl der Sachverhalt als
auch die Schlussfolgerungen der Ermittlungsbehörden wiederholt dargelegt
worden seien. Ferner sei das gesamte Verfahren in der Landessprache des
Beschwerdeführers durchgeführt worden. Gegenüber dem Untersuchungsrichter
solle sich der Beschwerdeführer zudem nach Eröffnung des Strafbefehls
erkundigt haben, ob der "bedingte" Strafvollzug einer "Strafe auf Bewährung"
entspreche, was in Anbetracht der vorangegangenen Ausführungen zur
Schlussfolgerung führe, dass der Beschwerdeführer die Verzichtserklärung in
Kenntnis des Strafbefehls und der Bedeutung der verhängten Strafe verfasst
habe. Dieser Argumentation kann vollumfänglich gefolgt werden. Hinzu kommt,
dass der Beschwerdeführer auf seine Rechte als Beschuldigter hingewiesen
wurde und auf den Beizug eines Anwalts verzichtet hat.

3.5 In der Lehre wird der Einspracheverzicht als einseitige,
empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der ein Einspracheberechtigter
unmissverständlich und in rechtlich verbindlicher Weise seinen gesetzlichen
Anspruch auf die Erhebung einer Einsprache aufgibt und den Strafbefehl mit
dem ihm eröffneten Inhalt vorbehaltlos und unwiderruflich akzeptiert (Lopez,
a.a.O., S. 149 mit Verweis auf Mark Schwitter, Der Strafbefehl im
aargauischen Strafprozess, Diss. Zürich 1995, S. 331; allgemein zum
Rechtsmittelverzicht: Schmid, a.a.O., N. 974). Die Möglichkeit, den
Einspracheverzicht zu widerrufen, wird bejaht, wenn die Erklärung durch
Täuschung, ein Delikt oder eine unrichtige Behördenauskunft ausgelöst wurde
(Schmid, a.a.O., N. 546; Urteil U139/02 des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 20. November 2002 E. 2.3 mit weiteren Hinweisen).

Was der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall vorbringt, um eine
Beeinflussung durch die Untersuchungsbehörde glaubhaft zu machen, vermag
jedoch nicht zu überzeugen. Dem Beschwerdeführer wurde anlässlich der um 15
Uhr erfolgten Hafteröffnung am 8. Oktober 2004 mitgeteilt, dass er im
Verlaufe desselben Nachmittags bzw. am frühen Abend aus der Untersuchungshaft
entlassen werde (Protokoll der Hafteröffnung vom 8. Oktober 2004, S. 3
unten). Im Zeitpunkt, als der Strafbefehl erlassen wurde, war die
Haftentlassung offensichtlich bereits angeordnet worden (Strafbefehl vom 8.
Oktober 2004, S. 1, act. 26 der untersuchungsrichterlichen Akten). Es bestand
also kein Anlass mehr, einen Verzicht mit dem Ziel der raschen Haftentlassung
zu unterschreiben. Dieses Motiv fällt dahin. Zudem handelte es sich beim in
der Beschwerdeschrift erwähnten Vorstellungstermin - entgegen des Eindrucks,
der vermittelt wird (E. 3 hiervor) - nicht um ein Bewerbungsgespräch für eine
Arbeitsstelle, sondern um eine Wohnungsbesichtigung (Protokoll der 2.
Einvernahme vom 8. Oktober 2004, 9.25 Uhr, S. 1 unten, act. 19 der
untersuchungsrichterlichen Akten).

3.6 Die Beurteilung des Kantonsgerichts ist demnach keineswegs als
willkürlich zu bezeichnen. Jeder Grundlage entbehrt die Behauptung, der
Schutzzweck von Art. 32 Abs. 3 BV sei unter dem Druck der Untersuchungshaft
ausgehebelt und die Einleitung des ordentlichen Verfahrens verunmöglicht
worden. Was der Beschwerdeführer hinsichtlich der Verletzung von Art. 6 EMRK
vorbringt, vermag den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht zu
genügen.

3.7 Zusammenfassend ist dem Kantonsgericht keine Verfassungswidrigkeit
vorzuwerfen, wenn es zum Schluss gelangt ist, der Einspracheverzicht sei
rechtmässig erklärt worden. Dass ein in E. 3.5 hiervor genannter
Widerrufsgrund vorliegen würde, hat der Beschwerdeführer nicht
rechtsgenüglich dargetan.

4.
Daraus ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist,
soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang ist der
unterliegende Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1
OG). Der Beschwerdeführer hat zwar um unentgeltliche Verbeiständung ersucht.
Da die Beschwerde jedoch von vornherein aussichtslos war, sind die
Voraussetzungen für die Gutheissung dieses Antrags nicht erfüllt, weshalb das
entsprechende Gesuch abzuweisen ist (Art. 152 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Untersuchungsrichteramt
Oberwallis und der Strafkammer des Kantonsgerichtes des Kantons Wallis
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. August 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: