Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.279/2006
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{T 0/2}
1P.279/2006 /scd

Urteil vom 19. Juni 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Strafgerichtspräsident Basel-Stadt, Schützenmattstrasse 20, 4003 Basel,
Appellationsgerichtspräsident Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

Nichtleistung des Kostenvorschusses,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung
des Appellationsgerichtspräsidenten Basel-Stadt
vom 4. April 2006.

Sachverhalt:

A.
Der Präsident des Strafgerichts Basel-Stadt erklärte X.________ am 13. Januar
2006 der Übertretung der Vorschriften betreffend Advokatur und Notariat für
schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 500.--. Dagegen gelangte
der Beschuldigte an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt und
ersuchte u.a. darum, von der Erhebung eines Kostenvorschusses abzusehen. Mit
Verfügung vom 14. März 2006 wies der Präsident des Appellationsgerichts das
Gesuch um Verzicht eines Kostenvorschusses wegen Mutwilligkeit der
Appellation ab. Gleichzeitig setzte er dem Appellanten eine peremptorische
Nachfrist zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 800.-- bis 22. März
2006. Diese Verfügung konnte dem Appellanten nicht persönlich zugestellt
werden, weshalb ihn die Post am 16. März 2006 mittels Abholungseinladung
aufforderte, das Schreiben bis 23. März 2006 abzuholen, was X.________
schliesslich am 24. März 2006 tat.

Nachdem der Appellant in der Folge weder den Kostenvorschuss zahlte noch in
irgendeiner Weise auf die Verfügung vom 14. März 2006 reagierte, erklärte der
Appellationsgerichtspräsident die Appellation mangels Leistung des
Kostenvorschusses mit Verfügung vom 4. April 2006 als dahingefallen.

B.
Mit Eingabe vom 10./11. Mai 2006 erhebt X.________ staatsrechtliche
Beschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt, die Verfügung vom 4. April 2006
sei aufzuheben und der Präsident des Appellationsgerichtes anzuweisen, auf
die Appellation einzutreten. Weiter stellt er sinngemäss Antrag auf
Einsetzung unabhängiger Richter und auf Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege.

Der Präsident des Strafgerichtes Basel-Stadt hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet, während der Präsident des Appellationsgerichtes auf Abweisung der
Beschwerde schliesst, soweit darauf eingetreten werden könne.

X. ________ hat unaufgefordert eine Replik eingereicht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonal
letztinstanzlichen Entscheid (Art. 86 Abs. 1 OG), gegen den mit
staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung verfassungsmässiger Rechte
geltend gemacht werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde unter
Vorbehalt von E. 1.2 - 1.4 hiernach einzutreten.

1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht zutreffenden
Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (BGE 131 I 137 E. 1.1 S. 139).
Es kann bloss die (vollständige oder teilweise) Aufhebung des angefochtenen
Urteils beantragt werden. Nicht zu hören sind die Rechtsbegehren des
Beschwerdeführers, die über eine Aufhebung des angefochtenen Urteils
hinausgehen.

1.3 Anfechtungsobjekt ist lediglich die Verfügung vom 4. April 2006. Sofern
sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, dass ihm die Kostenvorschusspflicht
nicht erlassen wurde, sind seine Vorbringen nicht zu hören.

1.4 Das Bundesgericht prüft auf staatsrechtliche Beschwerde hin nur klar und
detailliert erhobene Rügen hinsichtlich konkreter Verletzungen
verfassungsmässiger Rechte (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Es ist darzulegen,
welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie
durch den angefochtenen Entscheid verletzt werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG;
BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261). Soweit sich die Beschwerde in appellatorischer
Kritik an der angefochtenen Verfügung und haltlosen Beschuldigungen des
Appellationsgerichtspräsidenten erschöpft, ist darauf nicht einzutreten.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer wirft dem Präsidenten des Appellationsgerichtes
Willkür, eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und einen
Verstoss gegen Art. 29 Abs. 3 BV vor, da die Frist zur Zahlung des
Kostenvorschusses vor Ablauf der Postabholfrist angesetzt worden sei. Da ihm,
dem Beschwerdeführer, im streitigen Verfahren eine Bussumwandlung in Haft
drohe, sei er auch in seiner persönlichen Freiheit verletzt. Es drohe ihm
"illegale Haft gemäss Art. 31 BV", weil er die Busse nicht zahlen könne.

2.2 Wird eine Verfügung nicht innert der Frist von sieben Tagen abgeholt,
gilt sie als am letzten Tag dieser Abholfrist zugestellt (BGE 123 III 492 E.
1 S. 493; 120 III 3 E. 1d; 119 V E. 4b/aa S. 94). Dies war im vorliegenden
Fall der 23. März 2006. Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, dass die Frist
zur Leistung des Kostenvorschusses noch innerhalb der Postabholfrist, nämlich
am 22. März 2006, und damit vor Ablauf der Zustellfiktion abgelaufen ist.
Insofern hätte der Appellationsgerichtspräsident die Abholfrist bei der
Festsetzung der Kostenvorschussfrist berücksichtigen und mit einberechnen
müssen. Indes hat der Beschwerdeführer in keiner Weise auf diesen Umstand
reagiert, sondern untätig zugewartet, bis am 4. April 2006 die angefochtene
Verfügung erging. Es wäre ihm durchaus zuzumuten gewesen, sofort bei
Entgegennahme der Verfügung vom 14. März 2006 ein Wiedereinsetzungsgesuch zu
stellen oder zumindest darauf hinzuweisen, dass es ihm gar nicht möglich
gewesen sei, fristgerecht zu zahlen. Sobald er von der ihn berührenden
Verfügung Kenntnis erhalten hatte, hätte er die zur Wahrung seiner Rechte
notwendigen Schritte unverzüglich unternehmen müssen. Sein Stillschweigen
verstösst gegen Treu und Glauben im Rechtsverkehr und verdient keinen
Rechtsschutz (vgl. Urteil 1A.278/2005 des Bundesgerichts vom 23. Januar 2006,
E. 3; BGE 127 II 227 E. 1b S. 230; 107 Ia 72 E. 4a S. 76).

3.
Was der Beschwerdeführer im Übrigen gegen den angefochtenen Entscheid
vorbringt, vermag den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht zu
genügen (vgl. E. 1.4 hiervor).

4.

Demnach ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Kosten sind keine zu erheben, womit das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege dahinfällt.

Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strafgerichtspräsidenten und dem
Appellationsgerichtspräsidenten Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Juni 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: