Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.269/2006
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{T 0/2}
1P.269/2006 /scd

Urteil vom 17. Juli 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürgen Korth,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, Postfach, 8090
Zürich.

Art. 9, 29, 32 BV (Ausstand, Nichteintretensentscheid),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung
der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
vom 18. April 2006.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, Zweigstelle Flughafen, führte
gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen Unterlassung der Buchführung
(Art. 166 StGB) usw. Mit Verfügung vom 6. Januar 2005 delegierte der
zuständige Staatsanwalt Y.________ die Durchführung von Einvernahmen mit dem
Angeschuldigten an die Kantonspolizei Zürich und ersuchte diese gleichzeitig
um polizeiliche Ermittlungen. Am 7. Dezember 2005 beschwerte sich der
Rechtsvertreter des Beschuldigten bei der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons
Zürich schriftlich über die Prozessführung und verlangte sinngemäss den
Ausstand der Untersuchungsbeamten. Im Rahmen des Verfahrens bei der
Oberstaatsanwaltschaft präzisierte er seine Begehren mit Eingabe vom 23.
Februar 2006; dabei forderte er ausdrücklich den Ausstand von Staatsanwalt
Y.________ und des zuständigen Polizeibeamten, Wachtmeister Z.________.

Mit Verfügung vom 18. April 2006 hiess die Oberstaatsanwaltschaft das
Ablehnungsbegehren gegen Staatsanwalt Y.________ gut (Dispositiv Ziffer 1);
daraufhin ist die Untersuchung am 9. Mai 2006 an die Staatsanwaltschaft I des
Kantons Zürich abgetreten worden. In der gleichen Verfügung vom 18. April
2006 trat die Oberstaatsanwaltschaft jedoch auf das Ablehnungsbegehren gegen
Wachtmeister Z.________ und auf die gegen ihn gerichtete Aufsichtsbeschwerde
nicht ein (Dispositiv Ziffer 2); sie auferlegte X.________ die Hälfte der
Verfahrenskosten (Dispositiv Ziffer 3).

B.
Gegen den Entscheid der Oberstaatsanwaltschaft erhebt X.________
staatsrechtliche Beschwerde. Er verlangt die Aufhebung von Dispositiv Ziffern
2 und 3 der genannten Verfügung und macht eine formelle Rechtsverweigerung
(Art. 29 Abs. 1 BV) sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29
Abs. 2 BV) geltend. In der Beschwerde werden ausserdem Art. 9 und Art. 32
Abs. 2 BV angerufen. Die Oberstaatsanwaltschaft hat ausdrücklich auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Oberstaatsanwaltschaft hat die Beschwerde gegen die Amtsführung des
Polizeibeamten als Aufsichtsbeschwerde behandelt. Sie hat über diese
Beschwerde und das Ausstandsbegehren gegen den Polizisten in Dispositiv
Ziffer 2 ihrer angefochtenen Verfügung entschieden; dabei ist sie auf beide
Rechtsbegehren nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer beantragt in der
staatsrechtlichen Beschwerde zwar die Aufhebung der ganzen Ziffer 2 wie auch
der Kostenregelung gemäss Ziffer 3 des Dispositivs. In der Begründung wendet
er sich aber einzig gegen das Nichteintreten auf sein Ausstandsbegehren gegen
den Polizeibeamten. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er das
Nichteintreten auf die Aufsichtsbeschwerde nicht anfechten will. Abgesehen
davon würde es insofern an einer hinreichenden Begründung im Sinne von Art.
90 Abs. 1 lit. b OG (vgl. dazu BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.; 129 I 113 E.
2.1 S. 120, je mit Hinweisen) fehlen. Darauf ist nicht weiter einzugehen.

1.2 Im Hinblick auf den Ausstandsentscheid schliesst die angefochtene
Verfügung das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab, sondern
lässt im Gegenteil dessen Fortführung zu. Es handelt sich um einen
Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 Abs. 1 OG, gegen den die
staatsrechtliche Beschwerde an sich zulässig ist. Der Beschwerdeführer ist
durch das teilweise Nichteintreten auf seine Ablehnungsbegehren in
verfassungsmässigen Rechten beschwert (Art. 88 OG). Hingegen bleibt zu
prüfen, ob insofern ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid vorliegt (Art.
86 Abs. 1 OG).

1.3 Nach der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Verfügung steht gegen
den Ablehnungsentscheid der Rekurs an die Direktion der Justiz und des Innern
des Kantons Zürich offen. Dagegen sei gegen den Entscheid über die
Aufsichtsbeschwerde kein ordentliches Rechtsmittel gegeben, jedoch könne
gegen den damit verbundenen Kostenentscheid ebenfalls an die Direktion der
Justiz und des Innern rekurriert werden. Aus diesen Ausführungen leitet der
Beschwerdeführer ab, die angefochtene Verfügung sei auch insoweit kantonal
letztinstanzlich, als die Oberstaatsanwaltschaft auf das Ausstandsgesuch
gegen den fraglichen Polizisten nicht eingetreten ist.

Bei diesen Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass es sich bei der
Behandlung seines Ablehnungsbegehrens gegen den Polizisten um einen
erstinstanzlichen Entscheid der Oberstaatsanwaltschaft handelt. Nichts
anderes ergibt sich aus den differenzierten Ausführungen in E. II/2.1 der
angefochtenen Verfügung. Dort wird die Abgrenzung zwischen dem
Ausstandsbegehren und der Rekursmöglichkeit gegen Prozesshandlungen im Rahmen
delegierter polizeilicher Einvernahmen erläutert.

1.4 Gemäss § 101 Abs. 1 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes vom
13. Juni 1976 (GVG/ZH; LS 211.1) entscheidet die Aufsichtsbehörde über ein
streitiges Ausstandsbegehren. Die Oberstaatsanwaltschaft ist nach § 89 GVG/ZH
als Aufsichtsbehörde der Staatsanwaltschaften einzustufen (Niklaus Schmid,
Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, Rz. 321); sie ist somit zum
Entscheid über Ausstandsbegehren bezüglich der Staatsanwälte und ihrer
Mitarbeitenden grundsätzlich zuständig (vgl. § 6 lit. f der Verordnung vom
27. Oktober 2004 über die Organisation der Oberstaatsanwaltschaft und der
Staatsanwaltschaften [LS 213.21]). Gestützt auf diese Bestimmungen hat die
Oberstaatsanwaltschaft die angefochtene Verfügung getroffen. Damit ist
allerdings noch nicht gesagt, dass sie über das Ausstandsbegehren gegen einen
Polizisten auch inhaltlich hätte befinden müssen.

Unter diesen Umständen geht der Beschwerdeführer fehl, wenn er die
umstrittene Nichteintretensverfügung über das Ausstandsbegehren gegen den
Polizisten bereits als Rekursentscheid erachtet. Vielmehr besteht gegen
diesen Punkt der angefochtenen Verfügung die Rekursmöglichkeit gemäss § 402
Ziff. 4 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich in der Fassung vom
27. Januar 2003 (StPO/ZH; LS 321) an die Direktion der Justiz und des Innern
(vgl. Schmid, a.a.O., Rz. 348).

2.
Nach dem Gesagten ist auf die staatsrechtliche Beschwerde mangels Erschöpfung
des kantonalen Instanzenzugs nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang trägt der
Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Oberstaatsanwaltschaft des
Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Juli 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: