Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.253/2006
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{T 0/2}
1P.253/2006 /bru

Urteil vom 21. August 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. _______,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Mirella Piasini,

gegen

Untersuchungsrichteramt Oberwallis,
Kantonsstrasse 6, 3930 Visp,
Strafkammer des Kantonsgerichtes des Kantons Wallis, Justizgebäude, av.
Mathieu-Schiner 1,
1950 Sitten 2.

Verletzung der Parteirechte; willkürliche Rechtsanwendung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil der Strafkammer des
Kantonsgerichtes des Kantons Wallis vom 27. März 2006.

Sachverhalt:

A.
X. _______ reichte am 22. Dezember 2005 Strafanzeige gegen diverse
Amtspersonen des Vormundschaftsamtes Bratsch ein. Er machte geltend, die
Beschuldigten hätten seine Eingabe an das Vormundschaftsamt Bratsch vom 24.
Mai 2000 betreffend Überprüfung der elterlichen Sorge der Kindsmutter über
die gemeinsame Tochter unbehandelt gelassen und sich daher des
Amtsmissbrauchs schuldig gemacht.

Am 26. Januar 2006 übermittelte der zuständige Untersuchungsrichter die
Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Oberwallis und ersuchte um
Stellungnahme. Der Staatsanwalt erachtete die Voraussetzungen zur Eröffnung
einer Strafuntersuchung wegen Amtsmissbrauch als nicht erfüllt und überliess
das weitere Vorgehen dem Untersuchungsrichter. Dieser leistete der
Strafanzeige mangels Erfüllung eines Straftatbestandes mit Verfügung vom 13.
Februar 2006 keine Folge.

Gegen diesen Entscheid beschwerte sich X._______ beim Kantonsgericht Wallis
mit den Anträgen, es sei die Verfügung des Untersuchungsrichters aufzuheben,
die zuständige Strafuntersuchungsbehörde anzuweisen, eine umfassende
Untersuchung durchzuführen, und die verantwortlichen Personen wegen
Amtsmissbrauch zu bestrafen und ihrer Amtsgeschäfte zu entheben.

In seiner Stellungnahme im kantonalen Beschwerdeverfahren bemerkte der
Untersuchungsrichter, dass X._______ als Anzeigeerstatter eventuell nicht
Geschädigter im Sinn von Art. 48 der Strafprozessordnung des Kantons Wallis
vom 22. Februar 1962 (StPO/VS) sei und sich auch nicht als Zivilpartei
gestellt habe.

Mit Urteil vom 27. März 2006 trat die Strafkammer des Kantonsgerichts Wallis
auf die Beschwerde nicht ein. Es begründete seinen Entscheid damit, dass dem
Beschwerdeführer keine Parteistellung zukomme und er deshalb nicht
beschwerdelegitimiert sei. In einer materiellen Eventualbegründung führte es
aus, die Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung müsste ohnehin abgewiesen
werden, da nicht alle objektiven Tatbestandsmerkmale des Amtsmissbrauchs
(Art. 312 StGB) erfüllt seien.

B.
X. _______ hat gegen das Urteil der Strafkammer des Kantonsgerichts Wallis
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV),
Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV) und Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Art. 29 Abs. 2 BV) erhoben. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids und dessen Rückweisung zur Neubeurteilung gemäss den Weisungen des
Bundesgerichts.

C.
Das Kantonsgericht und das Untersuchungsrichteramt Oberwallis haben auf
Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Beruht der angefochtene Entscheid auf zwei selbständigen Begründungen,
muss sich der Beschwerdeführer mit jeder von ihnen auseinandersetzen und
bezüglich jeder hinreichend dartun, dass der Entscheid verfassungswidrig ist.
Eine Beschwerdeschrift, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist nicht
geeignet, die Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Entscheids darzutun.
Sie erfüllt die Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht, und das
Bundesgericht tritt in einem solchen Fall auf die Beschwerde nicht ein
(Bundesgerichtsurteil 5P.64/2002 vom 13. März 2002, E. 2b, publ. in Pra 2002
Nr. 113 S. 647 ff., mit Hinweisen).

1.2 Nach der Praxis des Bundesgerichts ist der durch eine angeblich strafbare
Handlung Geschädigte nicht legitimiert, gegen die Einstellung des
Strafverfahrens oder gegen ein freisprechendes Urteil staatsrechtliche
Beschwerde zu erheben (BGE 128 I 218 E. 1.1 S. 219 f., mit Hinweisen).
Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann der
Geschädigte aber mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung von
Verfahrensgarantien geltend machen, deren Missachtung eine formelle
Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art. 88 OG erforderliche rechtlich
geschützte Interesse ergibt sich diesfalls nicht aus einer Berechtigung in
der Sache, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Eine
solche besteht dann, wenn dem Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren
Parteistellung zukommt. In diesem Fall kann der Beschwerdeführer die
Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen
Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung zustehen
(BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f.).
1.3 Der Beschwerdeführer macht bezüglich der Hauptbegründung des
angefochtenen Entscheids geltend, die Strafkammer habe unter Verletzung des
Verbots willkürlicher Rechtsanwendung (Art. 9 BV), des
Rechtsverweigerungsverbots (Art. 29 Abs. 1 BV) und des rechtlichen Gehörs
(Art. 29 Abs. 2 BV) angenommen, ihm komme im kantonalen Verfahren keine
Parteistellung zu. Diese Rüge ist ohne weiteres zulässig, da sie nicht die
Prüfung der Sache, sondern die Frage betrifft, ob das kantonale Recht dem
Beschwerdeführer die Berechtigung zur Teilnahme am kantonalen Verfahren
überhaupt einräumt.

Gegen die subsidiäre Begründung des angefochtenen Urteils, wonach der
Tatbestand des Amtsmissbrauchs nicht erfüllt und die Strafuntersuchung
deshalb ohnehin einzustellen sei, bringt der Beschwerdeführer Argumente in
der Sache vor. Nach dem oben Gesagten sind diese Rügen aber unzulässig. Der
Beschwerdeführer könnte mit der staatsrechtlichen Beschwerde lediglich
vorbringen, es seien Verfahrensgarantien verletzt worden. Solche Rügen trägt
er aber nicht vor.

Selbst wenn die Hauptbegründung des angefochtenen Urteils, wonach auf die
Beschwerde mangels Parteistellung des Beschwerdeführers nicht einzutreten
sei, verfassungswidrig wäre, würde der Beschwerdeführer infolge
Unzulässigkeit seiner Rügen in der Sache selbst das angefochtene Urteil in
der Eventualbegründung nicht zu Fall bringen können. Das Bundesgericht würde
deshalb von einer Aufhebung des angefochtenen Entscheids absehen (vgl. BGE
121 I 1 E. 5a/bb S. 11, mit Hinweisen).

1.4 Damit erübrigt sich die Prüfung der Hauptbegründung des angefochtenen
Urteils. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist nicht einzutreten.

2.
Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art.
156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Untersuchungsrichteramt
Oberwallis und der Strafkammer des Kantonsgerichtes des Kantons Wallis
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. August 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: