Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.223/2006
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{T 1/2}
1P.223/2006 /scd

Urteil vom 12. September 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Nay, Aeschlimann,
Reeb, Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Steinmann.

Willi Rohner, Beschwerdeführer,

gegen

Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh., Regierungsgebäude, 9102 Herisau,
Kantonsrat des Kantons Appenzell A.Rh., Regierungsgebäude, 9102 Herisau.

Gesetz über die Verwendung der ausserordentlichen Nationalbankgewinne, Art.
34 Abs. 2 BV,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Gesetz
des Kantonsrats des Kantons Appenzell A.Rh.
vom 20. März 2006.

Sachverhalt:

A.
Gestützt auf einen Gesetzesentwurf des Regierungsrates des Kantons Appenzell
A.Rh. verabschiedete der Kantonsrat des Kantons Appenzell A.Rh. am 20. März
2006 (in zweiter Lesung) das Gesetz über die Verwendung der
ausserordentlichen Nationalbankgewinne (Nationalbankgold-Gesetz, NGG) und
unterbreitete es dem obligatorischen Referendum. Die Volksabstimmung darüber
wurde auf den 21. Mai 2006 festgesetzt.

Das Nationalbankgold-Gesetz enthält u.a. die folgenden Bestimmungen:

Art. 1 Zweck
Das Gesetz regelt die nachhaltige Verwendung des ausserordentlichen Ertrages
für den Kanton Appenzell Ausserrhoden im Umfang von 123,7 Mio. Franken aus
dem Verkauf der nicht mehr benötigten Goldreserven der Schweizerischen
Nationalbank durch:
a)einen ausserordentlichen Abbau der Verschuldung in Kanton und Gemeinden;
b)eine einmalige Einlage in den Kulturfonds;
c)eine Revision des Steuergesetzes.
Art. 2 Verwendung des ausserordentlichen Ertrages
Der Ertrag wird verwendet für:
a)einmalige Sonderabschreibungen von 60 Mio. Franken beim Kanton;
b)einmalige Sonderabschreibungen von 50 Mio. Franken bei den Gemeinden. Die
Gemeinden erhalten ihren Anteil basierend auf der Einwohnerzahl per Ende des
Jahres 2004 spätestens drei Monate nach Zustimmung der Stimmberechtigten zu
diesem Gesetz. Der gesamte Betrag ist in der laufenden Rechnung des
Auszahlungsjahres vollständig zu verbuchen.
c)die Zuweisung eines einmaligen Betrages von 1 Mio. Franken in den
Kulturfonds. Die Zuweisung erfolgt spätestens drei Monate nach der Zustimmung
der Stimmberechtigten zu diesem Gesetz.
d)Der restliche Ertrag von Fr. 12,7 Mio. Franken sowie die frei werdenden
Gelder aus dem Wegfall von Abschreibungen und Zinsen werden für allfällige
Steuerfussreduktionen und steuerliche Massnahmen eingesetzt.
Ferner enthält das Nationalbankgold-Gesetz in Art. 3 Änderungen des
Steuergesetzes des Kantons Appenzell A.Rh.: Zum einen werden die Art. 38, 39,
41, 52, 77 geändert; zum andern sind neu ins Steuergesetz aufgenommen worden
die Bestimmungen von Art. 147a, 147b, Art. 184a, 285a und Art. 285b.
Gemäss dem Abstimmungsedikt des Regierungsrates zur Volksabstimmung vom 21.
Mai 2006 bezweckt das Nationalbankgold-Gesetz:
1)einen Schuldenabbau beim Kanton von 60 Mio. Franken
2)einen Schuldenabbau bei den Gemeinden von 50 Mio. Franken
3)eine Einlage von 1 Mio. Franken in den Kulturfonds
4)steuerliche Massnahmen im Umfang von 12,7 Mio. Franken für
a)Entlastung der Familien durch höhere Kinderabzüge
b)Entlastung der Wohneigentümer durch Reduktion des Eigenmietwertes um 10%
c)Entlastung sehr hoher Einkommen und Vermögen durch degressive Steuersätze
im obersten Segment
d)Einführung des Halbeinkünfteverfahrens bei Beteiligungen an
Kapitalgesellschaften und Genossenschaften
e)Entlastung von Unternehmen bei Gewinnen über 2 Mio. Franken.

B.
Willi Rohner hat am 15. April 2006 beim Bundesgericht Stimmrechtsbeschwerde
gemäss Art. 85 lit. a OG erhoben und die Aufhebung des Beschlusses des
Kantonsrates vom 20. März 2006 bzw. des Ergebnisses der Volksabstimmung über
das Nationalbankgold-Gesetz verlangt. Er macht eine Verletzung von Art. 34
Abs. 2 BV wegen Missachtung der Einheit der Materie geltend. Zur Begründung
bringt er im Wesentlichen vor, dass der Verteilschlüssel gemäss Art. 2 (mit
Beträgen für den Abbau der Verschuldung von Kanton und Gemeinden, für den
Kulturfonds und für steuerliche Massnahmen) in keinem sachlichen Zusammenhang
mit der Steuergesetzrevision nach Art. 3 stehe.

Das Gesuch des Beschwerdeführers um vorsorgliche Massnahmen und Absetzung der
angesetzten Volksabstimmung ist mit Präsidialverfügung vom 8. Mai 2006
abgewiesen worden. Anlässlich der Volksabstimmung vom 21. Mai 2006 nahmen die
Stimmberechtigten das Nationalbankgold-Gesetz mit 7'447 Ja (59,6%) gegen
5'039 Nein (40,4%) an (Amtsblatt des Kantons Appenzell A.Rh. vom 24. Mai
2006).

C.
Der Regierungsrat und der Kantonsrat beantragen in ihren Stellungnahmen die
Abweisung der Beschwerde. In seiner Beschwerdeergänzung vom 24. Mai 2006 hält
der Beschwerdeführer an seiner Beschwerde fest, rügt neu die Verletzung von
Art. 34 Abs. 2 BV durch das Abstimmungsedikt zur Volksabstimmung und ersucht
weiterhin um Aufhebung der Abstimmung vom 21. Mai 2006. Regierungsrat und
Kantonsrat stellen in ihren weitern Stellungnahmen vom 13. Juni 2006 den
Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
könne.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (vgl.
BGE 131 I 57 E. 1 S. 59).

1.1 Als Stimmbürger im Kanton Appenzell A.Rh. ist der Beschwerdeführer zur
Stimmrechtsbeschwerde legitimiert (vgl. BGE 130 I 290 E. 1.2 S. 292). Er
ficht das Nationalbankgold-Gesetz und die damit verbundene Ansetzung der
Volksabstimmung wegen Verletzung der Einheit der Materie sowie das
Abstimmungsedikt des Regierungsrates wegen Unsachlichkeit als Missachtung von
Art. 34 Abs. 2 BV an.

Das Bundesgericht ist bisweilen in der Lage, die Verfassungsmässigkeit von
Vorbereitungshandlungen vor der Abstimmung zu beurteilen (vgl. BGE 121 I 138,
106 Ia 20). Wird der Urnengang - etwa infolge der Abweisung eines Gesuches um
aufschiebende Wirkung oder vorsorgliche Massnahmen - während der Hängigkeit
des bundesgerichtlichen Verfahrens durchgeführt, wird die gegen die
Vorbereitungshandlung gerichtete Stimmrechtsbeschwerde so verstanden, dass
auch der Antrag auf Aufhebung der Abstimmung selber gestellt wird (BGE 113 Ia
46 E. 1c S. 50). Damit erweist sich der Antrag des Beschwerdeführers um
Aufhebung der mittlerweile am 21. Mai 2006 durchgeführten Abstimmung als
zulässig.

1.2 Die Stimmrechtsbeschwerde unterliegt nach Art. 86 Abs. 1 OG der
Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges.

Der Kantonsrat hat das Nationalbankgold-Gesetz am 20. März 2006 verabschiedet
und es dem obligatorischen Referendum unterstellt. Bei dieser Sachlage kann
die Rüge der Verletzung der Einheit der Materie im Hinblick auf die
nachfolgende Abstimmung bei keiner kantonalen Instanz angefochten werden. Es
liegt ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid vor, gegen den die
Stimmrechtsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 34 Abs. 2 BV zulässig ist
(vgl. BGE 129 I 366). Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde ist in diesem
Punkte einzutreten.

In Bezug auf die Rüge, das Abstimmungsedikt genüge wegen seiner
Unsachlichkeit den Anforderungen von Art. 34 Abs. 2 BV nicht, beantragen
Regierungsrat und Kantonsrat mangels Ausschöpfung des kantonalen
Instanzenzuges Nichteintreten. Nach Art. 62 des kantonalen Gesetzes über die
politischen Rechte (GPR) kann wegen Verletzung des Stimmrechts und wegen
Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung und Durchführung von Abstimmungen
innert drei Tagen seit der Entdeckung des Mangels und spätestens am 3. Tag
nach der amtlichen Veröffentlichung des Ergebnisses beim Regierungsrat
Beschwerde erhoben werden, mit der Möglichkeit, dessen Entscheid an das
kantonale Verwaltungsgericht weiterzuziehen (Art. 62bis GPR). Der
Beschwerdeführer hat von diesem Beschwerdeweg nicht Gebrauch gemacht, weder
im Anschluss an den Erhalt des Abstimmungsediktes noch nach Veröffentlichung
des Abstimmungsergebnisses. Damit erweist sich die Stimmrechtsbeschwerde in
diesem Punkt als unzulässig.

2.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Grundsatzes der Einheit der
Materie geltend. Dieser ist in Art. 55 Abs. 2 lit. a KV/AR hinsichtlich des
Initiativrechts verankert. Der Beschwerdeführer bezieht sich indes
ausschliesslich auf das Bundesverfassungsrecht.

Der Grundsatz der Einheit der Materie gilt von Bundesrechts wegen. Er wurde
unter der Herrschaft der alten Bundesverfassung aus dem Stimm- und Wahlrecht
abgeleitet und ist heute durch Art. 34 Abs. 2 BV gewährleistet, welcher die
freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe schützt. Er gilt
grundsätzlich bei allen Vorlagen, die den Stimmberechtigten zum Entscheid
unterbreitet werden. Der Grundsatz der Einheit der Materie verlangt, dass
eine Vorlage grundsätzlich nur einen Sachbereich zum Gegenstand haben darf
bzw. dass zwei oder mehrere Sachfragen und Materien nicht in einer Art und
Weise miteinander zu einer einzigen Abstimmungsvorlage verbunden werden, die
die Stimmberechtigten in eine Zwangslage versetzen und ihnen keine freie Wahl
zwischen den einzelnen Teilen belassen. Umfasst eine Abstimmungsvorlage
mehrere Sachfragen und Materien, ist zur Wahrung der Einheit der Materie
erforderlich, dass die einzelnen Teile einen sachlichen inneren Zusammenhang
aufweisen und in einer sachlichen Beziehung zueinander stehen und dasselbe
Ziel verfolgen; dieser sachliche Zusammenhang darf nicht bloss künstlich,
subjektiv oder rein politisch bestehen. Im Einzelnen ist der Begriff der
Einheit der Materie schwer zu fassen; er ist von relativer Natur und vor dem
Hintergrund der konkreten Verhältnisse zu beurteilen. Der sachliche
Zusammenhang kann sich aus einem einheitlichen Ziel oder gemeinsamen Zweck
ergeben und ist abhängig von der Abstraktionshöhe der Betrachtung und vom
gesellschaftlich-historischen Umfeld. Dabei ist nicht bloss auf die Absichten
des Gesetzgebers abzustellen, sondern auch der Sicht des "aufgeklärten"
politisch interessierten Stimmbürgers Rechnung zu tragen. Da der Begriff der
Einheit der Materie von relativer Natur ist und die Gewichtung einzelner
Teile einer Vorlage und ihres Verhältnisses zueinander zudem vorab eine
politische Frage ist, kommt den Behörden bei der Ausgestaltung von
Abstimmungsvorlagen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Überdies betont die
Rechtsprechung, dass die Stimmberechtigten keinen verfassungsmässigen
Anspruch darauf haben, dass ihnen einzelne, allenfalls besonders wichtige
Teile einer Vorlage gesondert zur Abstimmung vorgelegt werden; sie müssen
sich vielmehr auch dann für die Gutheissung oder Ablehnung der ganzen Vorlage
entscheiden, wenn sie nur mit einzelnen Vorschriften einverstanden sind bzw.
einzelne Teile ablehnen (vgl. zum Ganzen BGE 129 I 366 E. 2 S. 369, 128 I 190
E. 3.2 S. 196, mit Hinweisen).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, das Nationalbankgold-Gesetz missachte
das Erfordernis der Einheit der Materie, weil dessen einzelne Teile in keinem
engen sachlichen Zusammenhang zueinander stünden. Er kritisiert zwar nicht,
dass über die einzelnen, einem bestimmten Verwendungszweck zugewiesenen
Anteile am Nationalbankgold-Erlös und über den entsprechenden
Verteilungsschlüssel nicht separat abgestimmt werde. Indessen beanstandet er,
dass mit dem Verteilschlüssel zugleich auch über eine Revision des
Steuergesetzes von grundsätzlicher Bedeutung zu befinden gewesen sei. Diese
beiden Teile stünden in keinem innern sachlichen Zusammenhang und deren
Zusammenzug zu einer einzigen Vorlage sei einem politischen Kalkül
entsprungen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass das
Nationalbankgold-Gesetz als sog. Mantelerlass bezeichnet werde. Schliesslich
zeige die Entstehungsgeschichte, dass die beiden Teile - Verteilung des
Nationalbankgold-Erlöses einerseits und die Revision des Steuergesetzes
andererseits - unterschiedliche Materien beträffen.

Demgegenüber führen Regierungsrat und Kantonsrat aus, dem
Nationalbankgold-Gesetz als sog. Mantelerlass liege ein einheitliches
integrales Konzept zur nachhaltigen Verwendung der nunmehr zur Verfügung
stehenden Mittel zugrunde. Dieses Konzept bestehe in einem Schuldenabbau (bei
Kanton und Gemeinden) und einer Steuergesetzrevision, welche zusammen
langfristig ein günstiges Steuerklima schafften. Die mit der Revision des
Steuergesetzes verbundenen vorübergehenden Steuerausfälle würden dadurch
finanziert, dass mit dem Schuldenabbau zusätzliche, bisher für Abschreibungen
und Zinsen eingesetzte Beiträge frei würden. Das Nationalbankgold-Gesetz
bilde somit ein einheitliches, sorgfältig austariertes Ganzes zur
nachhaltigen Sanierung und Sicherung der öffentlichen Finanzen und diese
Einheit würde durch das Herausbrechen einzelner Teile zerstört. Damit wahre
die Vorlage den Grundsatz der Einheit der Materie.

3.2 Das umstrittene Nationalbankgold-Gesetz wird als sog. Mantelerlass
bezeichnet. Es kann offen bleiben, ob die umstrittene Vorlage  einen
Mantelerlass im rechtssetzungstechnischen Sinne darstellt. Als Mantelerlass
werden Erlasse bezeichnet, die unter einem Sammeltitel lediglich Änderungen
bestehender Gesetze umfassen und daher auf Bundesebene lediglich in der
Amtlichen Sammlung ohne SR-Nummer veröffentlicht und im Übrigen in die
Systematische Rechtssammlung der bestehenden Gesetze integriert werden (vgl.
Georg Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2. Aufl., Zürich 2006, S.
68 Fn. 220). Entscheidend ist, dass auch ein (rechtssetzungstechnischer)
Zusammenzug verschiedener Gesetzesänderungen zu einem einzigen
(Mantel-)Erlass den Grundsatz der Einheit der Materie zu beachten hat und für
sich allein keinen sachlichen inneren Zusammenhang der einzelnen Teile zu
begründen vermag.

3.3 Die Entstehung des Nationalbankgold-Gesetzes zeigt, dass die
Zusammenfassung der beiden Bereiche, nämlich die Verteilung des
Nationalbankgold-Erlöses und die Revision des Steuergesetzes, zu einer
einzigen Vorlage auf Kritik stiess.

Die Parlamentarische Kommission zur Vorbereitung des
Nationalbankgold-Gesetzes hielt vorerst mit 8:1 Stimmen dafür, dass eine
Aufteilung der Vorlage zu prüfen sei, und beschloss mit 5:4 Stimmen, dem
Kantonsrat für die erste Lesung die Rückweisung der Vorlage an den
Regierungsrat zu beantragen. In der ersten Lesung wurde die Frage der
Aufteilung diskutiert; mit entsprechenden Änderungen wurde der Entwurf indes
mit 56:5 Stimmen angenommen. In der anschliessenden Volksdiskussion wurde
mehrheitlich beanstandet, dass die Verteilung des Nationalbankgold-Erlöses
zwecks Haushaltsanierung und die Revision des Steuergesetzes zusammengefasst
werden, und dementsprechend eine Aufteilung der Vorlage befürwortet.
Anlässlich der zweiten Lesung führte der Präsident der Parlamentarischen
Kommission aus, dass diese für den in der Volksdiskussion mehrheitlich zum
Ausdruck gebrachten Wunsch auf Aufteilung der Vorlage Verständnis hege, dass
sie die Frage erneut kontrovers diskutiert habe und dass sie nunmehr doch mit
5:3 Stimmen auf einen Rückweisungsantrag zwecks Auftrennung der Vorlage
verzichte.
Diese - möglicherweise politisch begründeten - Äusserungen sind für sich
allein genommen noch kein klares Indiz dafür, dass die Einheit der Materie im
vorliegenden Fall nicht gewahrt sei. Sie deuten indessen darauf hin, dass die
Verteilung der zugeflossenen Gelder und die Steuergesetzrevision aus der
Sicht der Willensbildung und -äusserung der Stimmberechtigten nicht als
einheitliche Ausrichtung wahrgenommen worden sind.

3.4 Der Beschwerdeführer anerkennt ausdrücklich und zu Recht, es liege keine
Verletzung der Einheit der Materie im Umstand, dass das
Nationalbankgold-Gesetz den Verteilschlüssel für die Ausrichtung von Beträgen
an die verschiedenen Destinatäre, d.h. an den Kanton, die Gemeinden und den
Kulturfonds festlegt. Der Beschwerdeführer beanstandet auch nicht, dass ein
Restbetrag von Fr. 12,7 Mio. für steuerliche Massnahmen eingesetzt werden
soll. Das Nationalbankgold-Gesetz verfolgt insoweit ein einheitliches Ziel.
Wie dargelegt, besteht aufgrund von Art. 34 Abs. 2 BV kein Anspruch darauf,
dass innerhalb eines einheitlichen Sachbereichs einzelne Fragen, wie etwa der
dem Kanton oder den Gemeinden zukommende Betrag, gesondert zur Abstimmung
gelangen.

3.5 Unter dem Gesichtswinkel der Einheit der Materie lässt sich die im
Nationalbankgold-Gesetz mitenthaltene Revision des kantonalen Steuergesetzes
nicht leicht in den Rahmen der Verwendung der ausserordentlichen
Nationalbankgewinne (gemäss dem Titel des Gesetzes) einordnen. Anders als die
einmalige Ausrichtung von Zuwendungen an den Kanton, die Gemeinden und den
Kulturfonds stellt die Revision des Steuergesetzes keine eigentliche
Verwendung der dem Kanton zugeflossenen Gelder dar. Ebenso wenig handelt es
sich bei der Steuergesetzrevision um eine einmalige Ausrichtung. Diese ist
vielmehr als langfristige steuer-politische Massnahme darauf angelegt,
mittels einer tiefgreifenden Änderung des kantonalen Steuersystems in die
Zukunft zu wirken, neue vermögende Steuerzahler insbesondere durch Entlastung
von Wohneigentümern und von sehr hohen Einkommen und Vermögen heranzuziehen
und auf diese Weise die Staatsfinanzen nachhaltig sicherzustellen. Während
die Folgen der einmaligen Ausrichtung von Erlösen der Nationalbank
unmittelbar absehbar sind, können die Auswirkungen der Steuergesetzrevision
nicht mit Sicherheit abgeschätzt werden.
Damit liegen die Ausrichtung der Erlöse der Nationalbank und die
Steuergesetzrevision auf sehr unterschiedlichen Ebenen. Die beiden Teile
bilden nicht schon allein deswegen eine Einheit, weil sich das
Nationalbankgold-Gesetz, wie Regierungs- und Kantonsrat vorbringen, als
einheitliche (finanz-)politische Angelegenheit mit unterschiedlichen
Massnahmen verstehen lässt. Es kann nicht gesagt werden, dass die beiden
Teile einen unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der Verwendung des
Erlöses der Nationalbank aufweisen. Während die Ausrichtung von Geldern an
die verschiedenen Destinatäre unmittelbare Folge des Zuflusses der
Nationalbankgewinne ist, bildet letzterer lediglich Anlass für eine
tiefgreifende Revision des kantonalen Steuerrechts. Darin ist in erster Linie
eine politische, auf Dauer angelegte Absicht zu erblicken, die, wie
dargelegt, den für die Wahrung der Einheit der Materie erforderlichen innern
Zusammenhang für sich allein nicht zu begründen vermag.

Der erforderliche innere Zusammenhang und die einheitliche Ziel-Ausrichtung
lassen sich nicht aus einer logischen Betrachtung des Zusammenhangs der
beiden umstrittenen Teile heraus begründen. Es kann nicht gesagt werden, dass
der eine Teil den andern geradezu bedingen würde und der eine Teil ohne den
andern keinen Bestand hätte. Die beiden Teile stehen auch nicht in einer
unmittelbaren Beziehung von Zweck und vorgeschlagenen Mitteln. Unter dem
Titel des weitgefächerten Ziels einer nachhaltigen Sicherung der
Staatsfinanzen können nicht beliebige Massnahmen zu einer einheitlichen
Vorlage zusammengefasst werden. Das Gewicht einzelner Vorkehrungen und die
Art und Weise der Zielerreichung können entsprechend ihrer Bedeutung den
Rahmen der Einheit der Materie sprengen (wie auch im Zusammenhang mit dem
Finanzreferendum über das Ob hinaus das Wie wichtig genug sein kann, um eine
Mitsprache des Volkes zu rechtfertigen; vgl. BGE 125 I 87 E. 3b S. 90 f.).
Der Revision des Steuergesetzes mit ihren grundlegenden Änderungen des
Steuersystems kommt im vorliegenden Zusammenhang ein eigenständiges Gewicht
zu. Sie reicht weit über die Verwendung der Nationalbankerlöse hinaus und
steht mit dieser in keinem unmittelbaren innern sachlichen Zusammenhang.

An dieser Beurteilung vermögen die (im eingeholten Kurzgutachten enthaltenen)
Hinweise auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung nichts zu ändern. In BGE
113 Ia 46 entschied das Bundesgericht, dass ein Gegenvorschlag zu zwei
Steuerinitiativen, der die umgrenzte Sachmaterie des Steuerrechts ordnet und
dessen Vorschriften in einer sachlichen Beziehung zueinander stehen, für sich
allein betrachtet weder den Grundsatz der Einheit der Materie noch das
Initiativrecht verletze (E. 4 und 5); hingegen wurde die gekoppelte
Abstimmung über den Gegenvorschlag und die beiden Initiativen als
verfassungswidrig bezeichnet (E. 6). Demgegenüber beschränkt sich die im
vorliegenden Fall umstrittene Vorlage mit der Ausrichtung von Geldern
einerseits und einer weitgehenden Steuergesetzrevision andererseits gerade
nicht auf eine einzige umgrenzte Sachmaterie. Auch aus dem Entscheid des
Bundesgerichts vom 14. Dezember 1999 (publiziert in Pra 2000 Nr. 91) lässt
sich nichts für den Standpunkt von Regierungs- und Kantonsrat ableiten: Hier
stand in Form einer sog. Paket- oder Sammelvorlage ein Gesetz über Massnahmen
eines Finanzpaketes in Frage, das auf das klare Ziel von eigentlichen
Sparbemühungen ausgerichtet war und unterschiedlichste Vorkehrungen von teils
lediglich untergeordneter Bedeutung vorsah. Demgegenüber bezweckt die
umstrittene Vorlage die Verwendung der Erlöse der Nationalbank und verbindet
mit ihr eine Revision des Steuergesetzes, die nicht nur von untergeordneter,
sondern vielmehr von grundsätzlicher Bedeutung ist, sodass nicht von einer
einzigen und klar umgrenzten Sachmaterie gesprochen werden kann.

Bei dieser Sachlage hält das umstrittene Nationalbankgold-Gesetz, welches die
Ausrichtung von Geldern mit einer tiefgreifenden Steuergesetzrevision
verbindet, vor dem Grundsatz der Einheit der Materie nicht stand. Der vom
Beschwerdeführer beanstandete Zusammenzug der beiden Teile der Vorlage wird
von den Stimmberechtigten nicht als einheitliche Ausrichtung wahrgenommen.
Diese haben nicht nur über die Ausrichtung und Verwendung der Erlöse der
Nationalbank zu befinden, sondern sich gleichzeitig über eine grundlegende
Änderung des Steuergesetzes auszusprechen. Damit sehen sie sich in die
Zwangslage versetzt, die Ausrichtung der Nationalbankerlöse gutzuheissen und
gleichzeitig die Steuergesetzrevision hinzunehmen oder aber den einen Teil
abzulehnen und damit auch die Ablehnung des andern Teils in Kauf zu nehmen.
Damit ist es ihnen verunmöglicht, ihren Willen mit ihrer Stimmabgabe frei zu
bekunden, und es wird Art. 34 Abs. 2 BV verletzt.

4. Demnach ist die Beschwerde gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden
kann, und die Volksabstimmung vom 21. Mai 2006 über das Gesetz über die
Verwendung der ausserordentlichen Nationalbankgewinne
(Nationalbankgold-Gesetz) aufzuheben.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben. Dem
Beschwerdeführer, der ohne Vertretung in eigenem Namen als Stimmbürger
auftritt und um keine Entschädigung ersucht, ist keine Parteientschädigung
zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten
ist, und die Volksabstimmung vom 21. Mai 2006 über das Gesetz über die
Verwendung der ausserordentlichen Nationalbankgewinne
(Nationalbankgold-Gesetz) aufgehoben.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Regierungsrat und dem
Kantonsrat des Kantons Appenzell A.Rh. schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. September 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: