Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.201/2006
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1P.201/2006 /gij

Urteil vom 27. April 2006

I.  ffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter F raud, Pr sident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber H rri.

X. ________, zzt. im Untersuchungsgef ngnis, Beschwerdef hrer, vertreten
durch Advokat
Dr. Nicolas Roulet,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3a, 4410
Liestal,
Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft, Gerichtsgeb ude, Bahnhofplatz 16,
4410 Liestal.

Haftentlassungsgesuch,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verf gung der a.o. Pr sidentin des
Strafgerichts Basel-Landschaft vom 31. M rz 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ stammt aus Mazedonien. Am 24. April 2005 reiste er in die Schweiz
ein. Am 17. Mai 2005 ersuchte er um Asyl. Mit Entscheid vom 1. Juli 2005 trat
das Bundesamt f r Migration auf das Gesuch nicht ein und verf gte die
Wegweisung.

Am 21. Juli 2005 wurde X.________ verhaftet und am Tag darauf in
Untersuchungshaft versetzt. Es wird ihm vorgeworfen, gegen das Bundesgesetz
 ber Aufenthalt und Niederlassung der Ausl nder sowie das
Bet ubungsmittelgesetz verstossen zu haben. Insbesondere wird ihm zur Last
gelegt, mit einer grossen Menge Heroin gehandelt zu haben.

Am 30. M rz 2006 ersuchte er um Haftentlassung. Er begr ndete das Gesuch
insbesondere mit der gleichentags im Untersuchungsgef ngnis erfolgten
Eheschliessung mit der Schweizerin Y.________. Er machte geltend, damit sei
keine Fluchtgefahr mehr gegeben.

Mit Verf gung vom 31. M rz 2006 wies die a.o. Pr sidentin des Strafgerichts
Basel-Landschaft das Haftentlassungsgesuch ab. Zur Begr ndung verwies sie
unter anderem auf ihre Verf gung vom 8. Februar 2006, mit der sie bereits ein
vorangegangenes Haftentlassungsgesuch abgewiesen hatte.

B.
X.________ f hrt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, die Verf gung
"vom 8. Februar 2006" sei aufzuheben; er sei unverz glich aus der
Untersuchungshaft zu entlassen.

C.
Die a.o. Pr sidentin des Strafgerichtes beantragt unter Hinweis auf ihre
Verf gungen sowie den Entscheid des Verfahrensgerichts in Strafsachen des
Kantons Basel-Landschaft vom 19. August 2005 die Abweisung der Beschwerde.

Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft hat auf Vernehmlassung verzichtet.

D.
X.________ hat auf eine Replik verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erw gung:

1.
1.1 Der Beschwerdef hrer beantragt die Aufhebung der Verf gung "vom 8.
Februar 2006". Auch wenn er ebenso in der Begr ndung (S. 2 I/2) auf diese
Verf gung Bezug nimmt, ergibt sich aus der Beschwerde (insbesondere S. 4
oben) klar, dass sich diese gegen die Verf gung vom 31. M rz 2006 richtet.
Eine staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verf gung vom 8. Februar 2006 w re
denn auch versp tet.

1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grunds tzlich kassatorischer Natur,
das heisst es kann mit ihr nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids,
nicht aber der Erlass positiver Anordnungen durch das Bundesgericht verlangt
werden. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die von der Verfassung geforderte Lage
nicht schon mit der Aufhebung des kantonalen Entscheids hergestellt wird,
sondern daf r eine positive Anordnung n tig ist. Das trifft hinsichtlich
einer nicht oder nicht mehr gerechtfertigten Untersuchungshaft zu (BGE 124 I
327 E. 4 mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten, soweit
der Beschwerdef hrer die Haftentlassung beantragt.

2.
2.1 Der Beschwerdef hrer macht geltend, die angefochtene Verf gung verletze
sein verfassungsm ssiges Recht auf pers nliche Freiheit.

Gem ss Art. 10 Abs. 2 BV hat jeder Mensch das Recht auf pers nliche Freiheit,
insbesondere auf Bewegungsfreiheit. Bei staatsrechtlichen Beschwerden, die
gest tzt auf das verfassungsm ssige Recht der pers nlichen Freiheit wegen der
Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft erhoben werden, pr ft das
Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts frei (BGE 123
I 268 E. 2d mit Hinweis).

Gem ss   77 StPO/BL ist die Verhaftung einer Person nur zul ssig, wenn sie
eines Verbrechens oder Vergehens dringend verd chtigt wird, deshalb gegen sie
ein Strafverfahren er ffnet worden ist und aufgrund konkreter Indizien
ernsthaft zu bef rchten ist, sie werde die Freiheit ben tzen: a) zur Flucht;
b) zur Erschwerung oder Vereitelung der Untersuchung, namentlich durch
Beeinflussung anderer Personen oder durch Beseitigung von Beweismitteln; c)
zur Fortsetzung der deliktischen T tigkeit, sofern diese eine erhebliche
Gefahr f r Leib, Leben, Freiheit oder Eigentum anderer Personen darstellt
(Abs. 1). Die Untersuchungshaft darf nur solange aufrecht erhalten bleiben,
als einer der genannten Haftgr nde besteht (Abs. 2).
Der dringende Tatverdacht ist im vorliegenden Fall unbestritten. Die
Strafgerichtspr sidentin st tzt die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft
auf den Haftgrund der Fluchtgefahr. Der Beschwerdef hrer macht geltend,
Fluchtgefahr bestehe nach seiner Heirat nicht mehr.

2.2 Nach der Rechtsprechung gen gt f r die Annahme von Fluchtgefahr die H he
der dem Angeschuldigten drohenden Freiheitsstrafe f r sich allein nicht.
Fluchtgefahr darf nicht schon angenommen werden, wenn die M glichkeit der
Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr m ssen konkrete Gr nde dargetan
werden, die eine Flucht nicht nur als m glich, sondern als wahrscheinlich
erscheinen lassen. Die H he der drohenden Freiheitsstrafe kann immer nur
neben anderen, eine Flucht beg nstigenden Tatsachen herangezogen werden (BGE
125 I 60 E. 3a mit Hinweisen).

2.3 Folgende Gesichtspunkte sprechen f r die Annahme von Fluchtgefahr: Die
Staatsanwaltschaft wirft dem Beschwerdef hrer vor, sich - nach der verf gten
Wegweisung - illegal in der Schweiz aufgehalten und hier in grossem Umfang
mit Heroin gehandelt zu haben. In der Anklageschrift vom 23. Januar 2006
bejaht die Staatsanwaltschaft s mtliche Qualifikationsgr nde nach Art. 19
Ziff. 2 BetmG, also sowohl die mengenm ssige Qualifikation als auch die
Banden- und Gewerbsm ssigkeit. Der Beschwerdef hrer hat daher im Falle einer
Verurteilung mit einer empfindlichen Strafe zu rechnen. Zu seinem Heimatland
hat er nach wie vor enge Beziehungen. Dort leben insbesondere seine drei
Kinder. In der Schweiz ist er demgegen ber nicht verwurzelt. Vor seiner
Verhaftung befand er sich nur k rzere Zeit hier. Eine Arbeitsstelle hatte er
nicht. Kontakt pflegte er in der Schweiz offenbar vorwiegend mit Landsleuten.

Zwar lebt ein Bruder des Beschwerdef hrers in der Schweiz. Zudem hat er nun
am 30. M rz 2006 in der Untersuchungshaft eine Schweizerin geheiratet. Mit
dieser hat er vor seiner Verhaftung aber nie fest zusammen gelebt. Er
 bernachtete ab und zu bei ihr, hatte sonst anscheinend aber auch noch
Kontakt zu anderen Frauen. Der Beschwerdef hrer macht im  brigen weder im
Haftentlassungsgesuch noch in der staatsrechtlichen Beschwerde n here Angaben
zu den pers nlichen Verh ltnissen der Ehefrau. Insbesondere legt er nicht
dar, dass diese in der Schweiz in stabilen Verh ltnissen lebe. Damit kann
nicht ausgeschlossen werden, dass die Ehefrau den Beschwerdef hrer bei einer
Flucht allenfalls begleiten k nnte.
W rdigt man die belastenden Gesichtspunkte gesamthaft, besteht nicht nur die
abstrakte M glichkeit der Flucht. Vielmehr bestehen f r die Annahme der
Fluchtgefahr erhebliche Gr nde. Die angefochtene Verf gung ist deshalb
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die
Strafgerichtspr sidentin unter den dargelegten Umst nden kein
Verfassungsrecht verletzt, wenn sie angenommen hat, dass die Heirat die
Fluchtgefahr nicht hinreichend mindert.

Wie sich aus den Akten ergibt, wird die Hauptverhandlung gegen den
Beschwerdef hrer am 10. Mai 2006, also in etwa zwei Wochen, stattfinden. Nach
dem strafgerichtlichen Urteil wird die Haftfrage gegebenenfalls neu zu pr fen
sein. Ob weiterhin Fluchtgefahr anzunehmen sei, wird bei einer Verurteilung
wesentlich vom ausgesprochenen Strafmass abh ngen.

2.4 Der Beschwerdef hrer macht geltend, die Strafgerichtspr sidentin habe
sich nicht zu m glichen Ersatzmassnahmen ge ussert.

Der Einwand ist unbegr ndet. Die Strafgerichtspr sidentin verweist in der
angefochtenen Verf gung - wie bereits in jener vom 8. Februar 2006 - auf den
Beschluss des Verfahrensgerichtes in Strafsachen vom 19. August 2005. Dort
wird (S. 5 E. 9) ausgef hrt, aufgrund der erheblichen Fluchtgefahr erscheine
eine Meldepflicht als ungen gend. Sie w rde den Beschwerdef hrer weder an
einer Flucht noch an einem Untertauchen hindern. Die in   79 StPO/BL
genannten Ersatzmassnahmen verm chten die Fluchtgefahr nicht auszuschliessen
bzw. erheblich zu vermindern. Weitere Ersatzmassnahmen, die der Fluchtgefahr
begegnen k nnten, seien nicht ersichtlich und w rden auch nicht vorgebracht.

Diese Erw gungen sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Es verletzt kein
Verfassungsrecht, wenn die Strafgerichtspr sidentin angenommen hat, eine
Meldepflicht w rde die Fluchtgefahr nicht hinreichend mindern. Zur Leistung
einer allf lligen Kaution hat der Beschwerdef hrer im Haftentlassungsgesuch
vom 30. M rz 2006 nichts vorgebracht. Er legt im  brigen selber dar, er sei
mittellos. Somit ist er zur Leistung einer Kaution nicht in der Lage. Dass
sonst jemand, insbesondere seine Ehefrau, eine Kaution in einem Betrag
leisten k nnte, der die Fluchtgefahr erheblich verminderte, legt der
Beschwerdef hrer auch in der staatsrechtlichen Beschwerde nicht substantiiert
dar.

3.
Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.

Die Mittellosigkeit des Beschwerdef hrers kann angenommen werden. Da die
Untersuchungshaft einen schweren Eingriff in die pers nliche Freiheit
darstellt, konnte er sich zur Beschwerde veranlasst sehen. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeist ndung nach Art. 152 OG wird deshalb
bewilligt. Es sind keine Kosten zu erheben und dem Vertreter des
Beschwerdef hrers ist eine Entsch digung auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeist ndung wird
gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dem Vertreter des Beschwerdef hrers, Advokat Dr. Nicolas Roulet, wird aus der
Bundesgerichtskasse eine Entsch digung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdef hrer sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Strafgericht Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. April 2006

Im Namen der I.  ffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Pr sident:  Der Gerichtsschreiber: