Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.176/2006
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1P.176/2006 /gij

Urteil vom 10. Mai 2006

I.  ffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Aemisegger, pr sidierendes Mitglied,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb,
Gerichtsschreiber Th nen.

X. ________, zzt. im Untersuchungsgef ngnis , Beschwerdef hrer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Hirschengraben 16, 6002 Luzern.

Haftentlassung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Luzern, II. Kammer, vom 20. M rz 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geb. 1983) wird des mehrfachen Betrugs und betr gerischen
Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage verd chtigt. Deswegen wurde er
zwischen Juli 2001 und M rz 2004 w hrend insgesamt rund viereinhalb Monaten
in Untersuchungshaft versetzt; zweimal im Kanton Zug, danach einmal im Kanton
Luzern.

Am 13. Juni 2005 wurde er wegen des Verdachts, erneut Bestellungsbetr ge im
Internet begangen zu haben, nochmals verhaftet. Seither ist er in
Untersuchungshaft. Auf eine staatsrechtliche Beschwerde, mit der er um
Haftentlassung ersuchte, trat das Bundesgericht mit Urteil vom 1. Februar
2006 nicht ein.

B.
Die kantonale Untersuchungsrichterin in Kriens, Abteilung Organisierte
Kriminalit t, wies am 28. Februar 2006 ein Haftentlassungsgesuch von
X.________ ab. Ein dagegen gef hrter Rekurs wies das Obergericht des Kantons
Luzern mit Entscheid vom 20. M rz 2006 ab, soweit es darauf eintrat, und
auferlegte X.________ die Gerichtskosten.

C.
Dagegen f hrt X.________ staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, er sei
aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons
Luzern und das Obergericht beantragen in der Vernehmlassung die Abweisung der
Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erw gung:

1.
Das Begehren um Haftentlassung ist in Abweichung vom Grundsatz der
kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde zul ssig, da im Falle
einer nicht gerechtfertigten strafprozessualen Haft die von der Verfassung
geforderte Lage nicht schon mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheids,
sondern erst durch eine positive Anordnung hergestellt werden kann (BGE 129 I
129 E. 1.2.1; 124 I 327 E. 4b/aa).

2.
Der Beschwerdef hrer bringt vor, die Untersuchungshaft sei unverh ltnism ssig
lang.

2.1 Das Bundesgericht nimmt das Vorbringen als R ge der Verletzung der
verfassungsrechtlichen Garantien f r die Untersuchungshaft entgegen: Gem ss
Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK hat eine in Untersuchungshaft
gehaltene Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist
richterlich abgeurteilt oder w hrend des Strafverfahrens aus der Haft
entlassen zu werden. Eine  berm ssige Haftdauer stellt eine
unverh ltnism ssige Beschr nkung dieses Grundrechts dar. Sie liegt dann vor,
wenn die Haftfrist die mutmassliche Dauer der zu erwartenden
freiheitsentziehenden Sanktion  bersteigt. Bei der Pr fung der
Verh ltnism ssigkeit der Haftdauer ist namentlich der Schwere der
untersuchten Straftaten Rechnung zu tragen. Der Richter darf die Haft nur so
lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche N he der (im Falle einer
rechtskr ftigen Verurteilung) konkret zu erwartenden Dauer der
freiheitsentziehenden Sanktion r ckt. Nach der  bereinstimmenden
Rechtsprechung des Bundesgerichtes und des Europ ischen Gerichtshofes f r
Menschenrechte ist die Frage, ob eine Haftdauer als  berm ssig bezeichnet
werden muss, aufgrund der konkreten Verh ltnisse des einzelnen Falles zu
beurteilen (BGE 126 I 172 E. 5a).

2.2 Das Obergericht schliesst sich im angefochtenen Entscheid (Ziff. 2.5) den
Ausf hrungen der Staatsanwaltschaft an: Gegenstand der Untersuchung seien
 ber 1'800 Tatbest nde mit einem Deliktsbetrag von mehr als einer Million
Franken; dem Beschwerdef hrer werde vorgeworfen,  ber mehrere Jahre hinweg
intensiv und mit einer Vielzahl von Mitbeteiligten bzw. Profiteuren gehandelt
zu haben; er werde im Falle einer Verurteilung mit einer mehrj hrigen
Zuchthausstrafe zu rechnen haben. Die insgesamt erlittene Haftdauer von rund
vierzehn Monaten k nne angesichts des Tatvorwurfs keinesfalls als
unverh ltnism ssig betrachtet werden.

2.3 Gewerbsm ssiger Betrug wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit
Gef ngnis nicht unter drei Monaten bestraft (Art. 146 Abs. 2 StGB). Der
gewerbsm ssige betr gerische Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage
untersteht der gleichen Strafdrohung (Art. 147 Abs. 2 StGB). Zudem droht eine
Strafsch rfung nach Art. 68 StGB. Der Beschwerdef hrer ist heute
zusammengerechnet seit rund 15   Monaten in Untersuchungshaft. Angesichts der
Schwere und der Menge der ihm vorgeworfenen Straftaten droht ihm im Fall
einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von deutlich mehr als 15   Monaten.
Damit ist die bisherige Haftdauer noch nicht in grosse zeitliche N he der
Freiheitsstrafe ger ckt, die bei einer Verurteilung konkret zu erwarten w re.
Das Vorbringen ist unbegr ndet.

3.
Der Beschwerdef hrer behauptet, er habe eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten
zu erwarten; dies ergebe sich aus einem "Internet-Verbot" vom 28. Juni 2002.

Aus den kantonalen Akten ergibt sich, dass das Untersuchungsrichteramt des
Kantons Zug mit Verf gung vom 28. Juni 2002 als Ersatzmassnahme f r die
Untersuchungshaft dem Beschwerdef hrer verbot, das Internet zu ben tzen. Das
Verbot wurde mit Verf gung vom 9. Februar 2004 aufgehoben. Nach Einsch tzung
des Untersuchungsrichters (Verf gung vom 28. Juni 2002, Seite 3) drohte dem
Beschwerdef hrer schon bei damaligem Verdachtsstand eine Freiheitsstrafe von
 ber 18 Monaten.

Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich zudem, dass der Beschwerdef hrer
verd chtigt wird, nach dem 28. Juni 2002 weitere Delikte begangen zu haben.
Daher ist die Folgerung des Beschwerdef hrers aus dem "Internet-Verbot", er
habe eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten zu erwarten, nicht nachvollziehbar.

4.
Der Beschwerdef hrer macht geltend, die Haftgr nde der Wiederholungs- und
Kollusionsgefahr w rden nicht mehr bestehen. Dieses Vorbringen ist
offensichtlich unbegr ndet, weshalb auf die Ausf hrungen im angefochtenen
Entscheid verwiesen wird (Art. 36a Abs. 3 OG).
Aus den weiteren Ausf hrungen in der Beschwerde ist nicht ersichtlich, welche
verfassungsm ssigen Rechte bzw. welche Rechtss tze und inwiefern sie durch
den angefochtenen Entscheid verletzt worden sein sollen. Darauf ist nicht
einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Der Beschwerdef hrer hat um "Kostennachlass" ersucht, nachdem ihn das
Bundesgericht zur Bezahlung eines Kostenvorschusses aufgefordert hatte.

Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Art.
156 Abs. 1 OG). Das Bundesgericht gew hrt einer Partei auf Antrag die
unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie bed rftig und ihr Rechtsbegehren nicht
aussichtslos ist (Art. 152 Abs. 1 OG). Die finanzielle Bed rftigkeit ist nach
der Praxis des Bundesgerichts nachzuweisen oder zumindest ausreichend
glaubhaft zu machen (BGE 125 IV 161 E. 4). Der Beschwerdef hrer reicht keine
Unterlagen ein, um seine behauptete Mittellosigkeit zu belegen. Daher kann
dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgeb hr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdef hrer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdef hrer, der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Mai 2006

Im Namen der I.  ffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das pr sidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: