Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.139/2006
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1P.139/2006 /gij

Urteil vom 15. Mai 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb, Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Thönen.

X. ________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Conradin
Bluntschli,

gegen

Generalprokurator des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern,
Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, Hochschulstrasse 17, Postfach
7475, 3001 Bern.

Kosten der Strafuntersuchung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Bern, 2. Strafkammer,
vom 2. Februar 2006.

Sachverhalt:

A.
Y. ________ (geb. 1951) erhängte sich in der Nacht vom 28./29. August 2004 in
der Strafanstalt. Er war beschuldigt worden, am 28. Februar 2002 seine
Ehefrau und seine beiden Kinder getötet zu haben. Gemäss
Überweisungsbeschluss des Untersuchungsrichteramtes und der
Staatsanwaltschaft III Bern-Mittelland vom 23. März 2004 war er des
mehrfachen Mordes angeklagt. Die Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht VIII
Bern-Laupen hätte am 18. Oktober 2004 beginnen sollen.
Mit Verfügung vom 22. August 2005 stellte das Kreisgericht das Strafverfahren
ein (Keine-Folge-Gebung) und auferlegte die Kosten der Voruntersuchung (Fr.
30'260.--) und des Kreisgerichts (Fr. 300.--) dem Nachlass von Y.________
sel. Es stellte das Honorar dessen amtlichen Verteidigers von Fr. 18'214.30
(Anspruch gegenüber dem Kanton Bern im Falle der Nichterhältlichkeit: Fr.
12'403.90) unter den "Vorbehalt der gesetzlichen Rück- und
Nachzahlungspflichten", d.h. der Pflicht zur Rückzahlung des Honorars
gegenüber dem Kanton und zur Nachzahlung der Differenz zum vollen Honorar
gegenüber dem amtlichen Verteidiger bei wirtschaftlicher Zumutbarkeit
innerhalb von zehn Jahren.

B.
Das Obergericht des Kantons Bern hiess die Appellation der Schwester und
Alleinerbin des Verstorbenen, X.________ (geb. 1958), teilweise gut, indem es
die Rück- und Nachzahlungspflicht für das Honorar des amtlichen Verteidigers
aufhob. Im Übrigen bestätigte es die Verfügung des Kreisgerichts.

C.
X.________ führt dagegen staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, die
Dispositiv-Ziffern III/1, III/3, IV und V des angefochtenen Urteils des
Obergerichts aufzuheben und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. In der Sache betrifft dies die Kostenauflage an
den Nachlass (Kosten der Strafuntersuchung und des Kreisgerichts) sowie die
Kosten- und Entschädigungsfolgen des Verfahrens vor Obergericht.

D.
Der Generalprokurator und das Obergericht haben in ihren Mitteilungen zur
Vernehmlassung auf Anträge verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen letztinstanzlichen
kantonalen Entscheid. Die Beschwerdeführerin macht die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte geltend (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG) und ist in
ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen (Art. 88 OG): Als
Alleinerbin von Y.________ sel. hinsichtlich der Auferlegung der Kosten der
Strafuntersuchung und des Kreisgerichts an den Nachlass; als Partei im
Verfahren vor Obergericht, soweit sie mit Kosten belastet und nicht voll
entschädigt worden ist. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt,
weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.

2.
2.1 Die anwendbaren Bestimmungen des kantonalen Gesetzes über das
Strafverfahren vom 15. März 1995 (StrV/BE) lauten:
Art. 309 Abs. 2 (Inhalt des Urteils)
Liegen im Zeitpunkt der Beurteilung die Voraussetzungen der Strafverfolgung
nicht vor oder wird von der Strafverfolgung in Anwendung von Artikel 4
abgesehen, ist im Urteil darauf zu erkennen, dass dem Verfahren keine weitere
Folge gegeben wird.
Art. 389 (Kostentragung durch den Kanton)
In den nachstehend genannten Fällen trägt unter Vorbehalt von Artikel 390 der
Kanton die Verfahrenskosten
1.bei Nichteintreten auf eine Anzeige (Art. 227),
2.bei Nichteröffnung (Art. 228),
3.bei Aufhebung der Strafverfolgung (Art. 250 Abs. 2),
4.bei Freispruch (Art. 309 Abs. 1),
5.wenn dem Verfahren keine weitere Folge gegeben wird (Art. 309 Abs. 2).
Art. 390 Abs. 1 (Anderweitige Kostentragung)
In Fällen gemäss Artikel 389 können die Verfahrenskosten ganz oder teilweise
auferlegt werden
1.der Privatklägerschaft sowie den einen Strafantrag stellenden oder eine
Anzeige einreichenden Personen, sofern diese mutwillig oder grobfahrlässig
gehandelt haben;
2.der angeschuldigten Person, sofern diese in rechtlich vorwerfbarer Weise
das Verfahren veranlasst oder so dessen Durchführung erschwert hat.

2.2 Das Obergericht verweist im angefochtenen Urteil auf die Begründung des
Kreisgerichts, wonach offenkundige und schwerwiegende Verletzungen
fundamentaler Rechte der Opfer Ursache für die Eröffnung und Durchführung des
Strafverfahrens sind. Wäre der Angeschuldigte am Leben geblieben, hätten ihm
gestützt auf Art. 390 Abs. 1 Ziff. 2 StrV/BE die Verfahrenskosten auferlegt
werden müssen; eine Entschädigung zu seinen Gunsten wäre nie in Frage
gekommen. Die Belastung des Nachlasses mit den erstinstanzlichen
Verfahrenskosten entspreche der für alle Schulden des Erblassers geltenden
Regelung. Sie würden mit wenigen gesetzlichen Ausnahmen zu persönlichen
Schulden der Erben, sofern diese die Erbschaft nicht ausschlagen. Die Erben
seien für Schadenersatzforderungen aus unerlaubter Handlung des Erblassers
haftbar, auch wenn der Schaden erst nach dessen Tod eintrete. Folgerichtig
könne die Kostenauflage ebenfalls zu Lasten des Nachlasses gehen. Die
gesetzliche Regel, wonach bei Verfahrenseinstellung der Kanton die
Verfahrenskosten trägt (Art. 389 Ziff. 5 StrV/BE), lasse Raum für eine
abweichende Auslegung.
Nach dem Obergericht entsprechen diese Erwägungen der neuen Berner
Gerichtspraxis, die eingeleitet wurde mit den Urteilen des
Wirtschaftsstrafgerichts vom 11. Dezember 2002 und des Kassationshofs vom 18.
August 2003 (beide zusammengefasst in: ZBJV 2004 S. 762 ff.; im Folgenden
auch: Praxisänderung 2002/03). Entscheidend sei, ob die Kosten des
Strafverfahrens eine Verbindlichkeit des Angeschuldigten wie jede andere zu
dessen Lebzeiten entstandene Schuld darstellen und damit im Todesfall ein
Bestandteil des Nachlasses würden. Dazu stellt das Obergericht in der Sache
aber keine eigenen Erwägungen an.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Willkürverbots. Sie macht
überdies geltend, für die Kostenauflage an den Nachlass des verstorbenen
Angeschuldigten fehle eine gesetzliche Grundlage.

3.2 Das Bundesgericht hat die Frage bisher nicht beurteilt, ob eine
Kostenauflage an den Nachlass des verstorbenen Angeschuldigten ohne
ausdrückliche gesetzliche Regelung das Legalitätsprinzip verletzt.

3.3 In einem unveröffentlichten Urteil von 1980 hat das Bundesgericht
entschieden, es sei nicht willkürlich, dem Nachlass eines verstorbenen
Angeschuldigten einen Zehntel der Untersuchungskosten aufzuerlegen, auch wenn
für den Fall, dass der Angeschuldigte verstorben ist, eine ausdrückliche
Regelung fehlt (Urteil P.436/1980 vom 5. November 1980). Das Obergericht des
Kantons Basel-Landschaft hatte ausgeführt, die Kostenforderung sei vor dem
Tod des Angeschuldigten entstanden, als die Tatsachen, die sein prozessuales
Verschulden begründeten, eingetreten und die Untersuchungshandlungen
durchgeführt worden seien (Urteil des Obergerichts des Kantons
Basel-Landschaft vom 6. Mai 1980, in: BJM 1981 S. 267 ff.). Zur Ansicht des
Obergerichts, wonach ein deklarativer Kostenentscheid vorgelegen sei,
äusserte sich das Bundesgericht nicht.
In BGE 109 Ia 160 hob das Bundesgericht eine Kostenauflage zu Lasten des
Nachlasses des Angeschuldigten wegen einer Verletzung der Unschuldsvermutung
auf. Dieses Urteil ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, da keine
Verletzung der Unschuldsvermutung zu beurteilen ist; zudem sieht das Berner
Recht - anders als das damals beurteilte Luzerner Recht - die Kostenauflage
an den Nachlass nicht ausdrücklich vor.

4.
4.1 Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage (Legalitätsprinzip) im
Abgaberecht ist ein selbständiges verfassungsmässiges Recht, dessen
Verletzung unmittelbar gestützt auf Art. 127 Abs. 1 BV geltend gemacht werden
kann (BGE 128 I 317 E. 2.2.1).
4.2 Bei den Kosten eines Strafverfahrens handelt es sich wie bei den
Gerichtskosten (BGE 120 Ia 171 E. 2a) um Kausalabgaben (Urteil 1P.464/2005
vom 10. November 2005 E. 3.2). Nach der Rechtsprechung bedürfen öffentliche
Abgaben der Grundlage in einem formellen Gesetz. Darin müssen zumindest der
Kreis der Abgabepflichtigen, der Gegenstand und die Bemessungsgrundlagen der
Abgabe festgelegt sein. Bei gewissen Arten von Kausalabgaben hat die
Rechtsprechung diese Vorgaben für die Abgabenbemessung gelockert: Dies gilt
namentlich dort, wo das Mass der Abgabe durch überprüfbare
verfassungsrechtliche Prinzipien (Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip)
begrenzt wird und nicht allein der Gesetzesvorbehalt diese Schutzfunktion
erfüllt (BGE 130 I 113 E. 2.2). Einer solchen Lockerung zugänglich sind
grundsätzlich auch Vorschriften über Verfahrenskosten (BGE 120 Ia 171 E. 2a).
Die mögliche Lockerung betrifft in diesen Fällen aber stets nur die
formellgesetzlichen Vorgaben zur Bemessung, nicht die Umschreibung des
Kreises der Abgabepflichtigen und des Gegenstandes der Abgabe (BGE 123 I 248
E. 2; Adrian Hungerbühler, Grundsätze des Kausalabgabenrechts, in: ZBl 2003
S. 516).

5.
5.1 Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Regeln über die Anmeldung von
Forderungen gegen eine verstorbene Person für die Aufnahme ins öffentliche
Inventar (Art. 589 und 590 ZGB) sich nicht eo ipso von Bundesrechts wegen auf
Steuerforderungen beziehen, sondern ausschliesslich zivilrechtliche
Verpflichtungen betreffen. Zudem hielt es fest, dass im Todeszeitpunkt des
Steuerpflichtigen rechtskräftig festgesetzte und vollstreckbare
Steuerforderungen nicht aufgrund der zivilrechtlichen Universalsukzession,
sondern kraft öffentlichrechtlich angeordneter Steuersukzession auf die Erben
übergehen (BGE 102 Ia 483 E. 6b/dd S. 491; ebenso: Peter Weimar, Berner
Kommentar zum ZGB, Band III/1/1, Bern 2000, Erbrecht - Einleitung, Rz. 9, S.
4; Ivo Schwander, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 2. Auflage, Basel
2003, Art. 560 Rz. 8 Abs. 3; für die analoge Anwendung des ZGB: Hans Michael
Riemer, Vererblichkeit und Unvererblichkeit von Rechten und Pflichten im
Privatrecht und im öffentlichen Recht, in: recht 2006, S. 31; Ernst
Blumenstein/ Peter Locher, System des schweizerischen Steuerrechts, 6.
Auflage, Zürich 2002, S. 74; Peter Tuor/Vito Picenoni, Berner Kommentar, Band
III/2, 2. Auflage, Bern 1964, Art. 560 Rz. 7a; für eine Lückenfüllung: Walter
Frei, Die Erbenhaftung für Forderungen aus dem Steuerrechtsverhältnis, Diss.
Zürich 1995, S. 81 f.).
5.2 Der Berner Kassationshof, auf den sich das Obergericht beruft, hat im
Urteil vom 18. August 2003 ausgeführt, dass die Universalsukzession gemäss
Art. 560 Abs. 2 ZGB für eine Kostenauflage nicht ausreiche, da sie nur den
Übergang, nicht die Entstehung der Schuld und nur privatrechtliche, nicht
öffentlichrechtliche Verbindlichkeiten erfasse. Die Möglichkeit der
Kostenauflage sei aber im Ergebnis zulässig, da sie sich aus dem Bernischen
Strafverfahrensgesetz ergebe (ZBJV 2004 S. 766).

6.
Die Lehre äussert sich zur Belastung des Nachlasses bzw. der Erben mit Kosten
bei Verfahrenseinstellung infolge Todes des Angeschuldigten nur knapp. Im
Wesentlichen verweist sie auf kantonale Gesetzesvorschriften oder Praxis,
ohne sich mit dem Problem der Rechtsnachfolge auseinanderzusetzen.

6.1 Nach Niklaus Schmid soll die Kostenauflage im Kanton Zürich möglich sein,
obwohl dies gesetzlich nicht vorgesehen ist. Der Nachlass könne belastet
werden, wenn der Angeschuldigte während der Untersuchung stirbt und die
Einstellung wegen des Todes erfolgt, soweit die Kosten vom Angeschuldigten
verschuldet wurden und er kostenpflichtig gewesen wäre, sofern er noch leben
würde (Niklaus Schmid, in: Andreas Donatsch/ Niklaus Schmid, Kommentar zur
Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich, Stand Januar 1999, § 42 Rz.
35; Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, Zürich 2004, Rz. 1210).
Der als Beleg aufgeführte Beschluss des Bezirksgerichts Horgen vom 2. August
1995 (in: ZR 1997 S. 160 E. 2e) geht in der Begründung nicht weiter. Nach dem
Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. März 1936 (in: ZR 1937 S.
151) sei diese Kostenfolge nicht Nebenfolge der Strafe, sondern habe einen
selbständigen Rechtsgrund (dies allerdings als obiter dictum, weil nicht der
mit der Kostenhälfte belastete Erbe des vor Urteilsfällung verstorbenen
Angeklagten, sondern der im Ehrverletzungsprozess ebenfalls kostenpflichtige
Privatkläger ans Obergericht gelangte).
Die übrigen Lehrmeinungen orientieren sich an jenen Kantonen, die die
Kostenauflage an den Nachlass gesetzlich ausdrücklich vorschreiben, und sind
daher nicht einschlägig (Robert Hauser/Erhard Schweri/ Karl Hartmann,
Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel 2005, § 108 Rz. 29;
Niklaus Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Auflage, Bern 2005,
Rz. 1814 zu Art. 262 Abs. 2 [recte Art. 264] StPO/SG; Thomas Hansjakob,
Kostenarten, Kostenträger und Kostenhöhe im Strafprozess, Diss. St. Gallen
1988, S. 297 ff.).
6.2 In der Berner Lehre bestand vor der Praxisänderung 2002/03 die einhellige
Meinung, dass bei Erlöschen des staatlichen Strafanspruchs infolge Todes des
Angeschuldigten vor Abschluss des Verfahrens die Pflicht zur Kostentragung
dem Staat obliege (angefochtenes Urteil, S. 8 Ziff. 4b; Thomas Maurer, Das
bernische Strafverfahren, 2. Auflage, Bern 2003, S. 590; Jürg Aeschlimann,
Einführung in das Strafprozessrecht, Bern 1997, Rz. 2043; Peter Staub,
Kommentar zum Strafverfahren des Kantons Bern, Bern 1992, Art. 199-200 Rz.
15; Entscheid der Anklagekammer [recte laut Kassationshof: II. Strafkammer]
des Kantons Bern vom 14. Oktober 1977, in: ZBVJ 1981 S. 395).
Das auf den 1. Januar 1997 in Kraft getretene neue Strafverfahrensgesetz
brachte in dieser Frage keine Änderung (vgl. Art. 200 Abs. 1 und 3 des
Gesetzes von 1928, abgedruckt bei Staub, S. 490). Erst die Praxisänderung
2002/03 ermöglichte eine Kostenauflage an den Nachlass bei
Verfahrenseinstellung, weil der nicht verurteilte Angeschuldigte gestorben
ist und diesem ein Veranlassen oder Erschweren des Strafverfahrens im Sinne
von Art. 390 Abs. 1 Ziff. 2 StrV/BE hätte vorgeworfen werden können.

6.3 In seinem Urteil vom 11. Dezember 2002 (ZBJV 2004 S. 736) erkannte das
Wirtschaftsstrafgericht, die alte Praxis, wonach eine Kostenauflage im Falle
des Todes des Angeschuldigten vor Abschluss des Strafverfahrens unzulässig
sei, gehe auf die Kommentierung von Max Waiblinger (Das Strafverfahren für
den Kanton Bern, Langenthal 1937/1942, Art. 200 Rz. 3, S. 295 f.) zurück.
Dieser hatte Folgendes ausgeführt:
"Erfolgt die Aufhebung zufolge Todes des Angeschuldigten, so können die
Verfahrenskosten nicht etwa den Erben auferlegt werden. Die zürch.
Rechtsprechung ... hat dies allerdings als möglich erachtet, indem sie davon
ausgeht, dass die Kostenauflage an den Angeschuldigten, der das Verfahren
durch schuldhafte Erregung von Verdachtsgründen veranlasst habe, keine
Straffolge sei, sondern auf einem selbständigen Rechtsgrund beruhe; der
bezügliche Kostenanspruch des Staates sei schon zu Lebzeiten des
Angeschuldigten entstanden, durch das Verhalten des Angeschuldigten begründet
worden, nur seine gerichtliche Feststellung erfolge nach dem Tode. Diese
Gesetzesauslegung ist gekünstelt und würde eine Rechtsnachfolge der Erben in
die Prozessstellung des Angeschuldigten voraussetzen."
6.4 Das Wirtschaftsstrafgericht hält dem entgegen, man müsse sich vom Gedanken
lösen, die Kostenpflicht des freigesprochenen oder aus anderen Gründen (Tod,
Verjährung) aus dem Verfahren entlassenen Angeschuldigten habe irgendwie mit
der Haftung für strafrechtliches Verschulden zu tun. Vielmehr handle es sich
dabei um eine zivilrechtlichen Grundsätzen angenäherte Haftung für ein
fehlerhaftes Verhalten. Aus diesem Blickwinkel betrachtet verliere die
Ansicht von Waiblinger an Überzeugungskraft, denn die Kostenauflage an die
Erben setze unter diesen Bedingungen keine Nachfolge in die Prozessstellung
des Angeschuldigten voraus, sondern lasse sich mit erbrechtlichen
Überlegungen begründen. Die dem Angeschuldigten wegen Verletzung
zivilrechtlicher Normen aufzuerlegenden Verfahrenskosten gingen eo ipso auf
die Erben über, da sie von der Universalsukzession gemäss Art. 560 ZGB
erfasst würden und die Erben des Urhebers einer unerlaubten Handlung auch
dann hafteten, wenn der Schaden erst nach dessen Tod eingetreten sei (ZBJV
2004 S. 765).

7.
7.1 Nach der Berner Rechtsprechung ergibt sich die neue Kostenpraxis durch
Auslegung des kantonalen Strafverfahrensgesetzes; dieses sehe die Belastung
des Nachlasses weder explizit vor, noch schliesse es sie ausdrücklich aus. Es
ist zu entscheiden, ob dies als gesetzliche Grundlage ausreicht.

7.2 Die Darlegungen der Berner Gerichte treffen zu, wonach die Kostenauflage
an einen nicht verurteilten Angeschuldigten mit einem strafrechtlichen
Schuldvorwurf unzulässig sei. Dies würde nach der Rechtsprechung die
Unschuldsvermutung verletzen (BGE 116 Ia 162 E. 2e). Damit ist allerdings für
die Frage nichts gewonnen, ob das Legalitätsprinzip es zulässt, mit den
Vorschriften über die Kostentragung des Angeschuldigten eine Forderung gegen
seinen Nachlass zu begründen. Im unpublizierten Teil seines Urteils vom 18.
August 2003 räumt der Kassationshof ein, eine direkte Kostenauflage an die
Erben (im Gegensatz zur Belastung des Nachlasses) wäre vom Wortlaut des
Strafverfahrensgesetzes nicht gedeckt. Der Kassationshof begründet nicht,
wieso er die Erben und den Nachlass unterschiedlich behandeln will;
möglicherweise beabsichtigt er damit eine Haftungsbegrenzung auf die Höhe der
Erbschaft (Hansjakob, a.a.O., S. 301) oder ein Verbot der Kostenauflage im
Falle der Erbausschlagung. Im Ergebnis führt die Verpflichtung des Nachlasses
gleichwohl zu einer Haftung der Erben, weshalb die Sonderbehandlung des
Nachlasses nicht einleuchtet.

7.3 Die Kostenverfügung erging rund ein Jahr nach dem Tod des
Angeschuldigten. Es fragt sich, ob vor dieser Verfügung, zu Lebzeiten des
Angeschuldigten, eine Forderung des Staates gegenüber dem Angeschuldigten auf
Bezahlung der Strafuntersuchungskosten begründet wurde, die nach den
zitierten Lehrmeinungen (E. 5.1) mit dessen Tod allenfalls auf die
Alleinerbin überging.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Strafverfahrenskosten nicht
gleichmässig entsprechend dem Zeitverlauf wachsen, sondern unter anderem
davon abhängen, welche Untersuchungshandlungen durchgeführt werden; sie
können je nach Gang des Verfahrens unterschiedlich ausfallen. Sodann sieht
das kantonale Gesetz keine automatische Haftung des Angeschuldigten vor; eine
Kostenpflicht entsteht nur im gerichtlich zu beurteilenden Ausnahmefall.
Liegen dafür die Voraussetzungen vor, kann schliesslich das Gericht den
Angeschuldigten allenfalls auch bloss zur Bezahlung eines Teils der
Verfahrenskosten verpflichten (Art. 390 Abs. 1 Ziff. 2 StrV/BE).
Daraus wird deutlich, dass bis zum gerichtlichen Kostenentscheid weder die
Zahlungspflicht als solche noch der allfällige Forderungsbetrag feststehen.
Die Pflicht zur Kostentragung entsteht somit durch die entsprechende
Verfügung; diese wirkt nicht feststellend, sondern rechtsgestaltend.
Im Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und dem Angeschuldigten ist keine
Kostenforderung entstanden; als die Kostenverfügung erging, war die
Rechtspersönlichkeit des Angeschuldigten durch Tod bereits untergegangen
(Art. 31 Abs. 1 ZGB). Daher ist ein Rechtsübergang vom Angeschuldigten auf
die Alleinerbin ausgeschlossen. Unter diesen Voraussetzungen lässt sich die
Zahlungspflicht nicht mit einer allfälligen Analogie zur Steuernachfolge oder
zur erbrechtlichen Universalsukzession begründen.

7.4 Das Strafverfahrensgesetz des Kantons Bern sieht - im Gegensatz etwa zu
den Gesetzen der Kantone Luzern, Schaffhausen oder St. Gallen (Nachweise bei
Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O., § 108 Rz. 29) - eine direkte Belastung des
Nachlasses bzw. der Erben nicht vor. Es nennt als kostenpflichtige Personen
nur den Angeschuldigten sowie die (hier nicht einschlägigen) Privatkläger,
Strafantragsteller oder Anzeiger. Nach der Rechtsprechung zum
Legalitätsprinzip ist eine Lockerung des gesetzlich festgelegten Kreises der
Abgabepflichtigen nicht zulässig (E. 4). Daher kann mangels Parteiwechsels
oder ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage kein Rechtsübergang stattfinden.
Stirbt der Angeschuldigte und wurde über die Untersuchungskosten noch nicht
verfügt, so kommt der Grundsatz der Kostentragung durch den Staat zur
Anwendung. Eine abweichende Anordnung, die sich nicht auf eine ausdrückliche
gesetzliche Norm abstützt, verstösst gegen das verfassungsrechtliche
Legalitätsprinzip (Art. 127 Abs. 1 BV). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin
ist begründet.

8.
Die Beschwerde ist gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben,
soweit es die Beschwerdeführerin mit Kosten belastet und ihr keinen vollen
Parteikostenersatz zuspricht.
Da es sich um sein Vermögensinteresse handelt (Art. 156 Abs. 2 OG; BGE 97 I
329 E. 6), trägt der Kanton Bern als unterliegende Partei die Kosten (Art.
156 Abs. 1 OG). Zudem hat er der obsiegenden Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen
(Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und die Dispositiv-Ziffern
III/1, III/3, IV und V des Urteils des Obergerichts des Kantons Bern, 2.
Strafkammer, vom 2. Februar 2006 werden aufgehoben.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird dem Kanton Bern auferlegt.

3.
Der Kanton Bern hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Generalprokurator und dem
Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Mai 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: