Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.138/2006
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1P.138/2006 /ast

Urteil vom 13. Juni 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb,
Gerichtsschreiberin Schilling.

1. Ehepaar A.________,

2. Ehepaar B.________,

3. Ehepaar C.________,

4. Ehepaar D.________,

5. Ehepaar E.________,

6. Ehepaar F.________,

7. G.________,

8. Verein H.________,
Beschwerdeführer,
alle vertreten durch Fürsprecher Dieter Haas,

gegen

Eigentümergemeinschaft I.________,
bestehend aus:
K.________,
L.________,
Ehepaar M.________,
Beschwerdegegner,
alle vertreten durch Fürsprecher Daniel Bögli,
Einwohnergemeinde Köniz, handelnd durch das Bauinspektorat, Sägestrasse 75,
3098 Köniz,

Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Rechtsamt,
Reiterstrasse 11, 3011 Bern,
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Speichergasse 12, 3011 Bern.

Baubewilligung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 31. Januar 2006.

Sachverhalt:
Im Februar 2004 reichten K.________ und L.________ sowie M.________ bei der
Einwohnergemeinde Köniz ein abgeändertes Baugesuch für die am I.________ in
Spiegel liegende Parzelle Nr. ________ ein. Geplant wird der teilweise
Abbruch und Wiederaufbau des bisherigen Wohnhauses sowie die Aufstockung um
ein Voll- und ein Attikageschoss. Gegen das Projekt erhoben A.________ und
weitere Nachbarn sowie der Verein H.________ Einsprache und Rechtsverwahrung.
Die Einwohnergemeinde Köniz bewilligte am 27. September 2004 das Bauvorhaben
und wies die Einsprache ab, soweit auf sie eingetreten werden konnte. Von der
Rechtsverwahrung wurde Kenntnis genommen und gegeben.
Gegen die Baubewilligung erhoben die genannten Nachbarn und der Verein
H.________ Beschwerde bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des
Kantons Bern. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens ersuchte die Bauherrschaft um
Bewilligung einer Projektänderung betreffend die Raumnutzung im
Sockelgeschoss. Die kantonale Direktion bewilligte am 21. Juni 2005 die
Projektänderung und wies im Übrigen die Beschwerde ab, soweit darauf
einzutreten war. Die Nachbarn gelangten hierauf an das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, das deren Beschwerde mit Urteil vom 31. Januar 2006 ebenfalls
abwies, soweit darauf eingetreten werden konnte.

A. ________, B.________, C.________, D.________, E.________, F.________,
G.________, N.________ sowie der Verein H.________ haben gegen das Urteil des
Berner Verwaltungsgerichtes staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 9 BV (Schutz vor Willkür) und Art. 29 BV (Anspruch auf rechtliches
Gehör) eingereicht.
Die Einwohnergemeinde Köniz, das Verwaltungsgericht des Kantons Bern und die
Bauherrschaft bzw. die Eigentümergemeinschaft I.________ beantragen Abweisung
der Beschwerde, soweit auf diese einzutreten sei. Die Bau-, Verkehrs- und
Energiedirektion des Kantons Bern hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der staatsrechtlichen Beschwerde ist mit
Präsidialverfügung vom 11. April 2006 abgewiesen worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist nach Art. 88 OG befugt, wer durch den
angefochtenen Entscheid persönlich in seinen rechtlich geschützten Interessen
beeinträchtigt ist. Nach bundesgerichtlicher Praxis sind die Eigentümer
benachbarter Grundstücke berechtigt, die Erteilung einer Baubewilligung
anzufechten, wenn sie die Verletzung von Bauvorschriften geltend machen, die
ausser den Interessen der Allgemeinheit auch oder in erster Linie dem Schutz
der Nachbarn dienen. Zusätzlich ist darzutun, dass sich die
beschwerdeführenden Nachbarn im Schutzbereich dieser Vorschriften befinden
und durch die behaupteten widerrechtlichen Auswirkungen der Bauten betroffen
werden (vgl. BGE 125 II 440 E. 1c S. 442 f; 119 Ia 362 E. 1b; 118 Ia 232
E. 1a, je mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführer sind unbestrittenermassen Eigentümer oder Bewohner von
Liegenschaften, die der Bauparzelle im Sinne der Rechtsprechung benachbart
sind. Die staatsrechtliche Beschwerde enthält indessen keine Ausführungen
darüber, ob und inwiefern die angerufenen Normen auch dem Nachbarschutz
dienten und sich die Beschwerdeführer tatsächlich im Schutzbereich dieser
Normen befänden. Es ist daher fraglich und vorweg zu prüfen, ob und inwieweit
überhaupt auf die Beschwerde eingetreten werden kann.

1.1 In der Sache selbst berufen sich die Beschwerdeführer auf die kommunalen
Ästhetikvorschriften, die im Baubewilligungsverfahren missachtet worden
seien. Äesthetikklauseln dienen jedoch in der Regel allein dem Schutz
öffentlicher Interessen. Das Bundesgericht anerkennt eine nachbarschützende
Funktion derartiger Vorschriften nur dann, wenn ihnen weitere, über reine
Ästhetikfragen hinausreichende Zwecke zukommen, etwa weil Vorschriften über
Gebäudehöhen oder Grenzabstände fehlen (vgl. BGE 118 Ia 232 E. 1b S. 235 mit
Hinweisen; s.a. Entscheide 1P.325/2000 vom 7. Juli 2000 E. 1c/cc, publ. in
RDAF 2000 I S. 450; 1P.46/2005 vom 21. März 2005 E. 1.1, publ. in SJ 2005 I
S. 490). Dass dies hier der Fall wäre, wird nicht behauptet und trifft auch
nicht zu. Auf die Vorbringen über die ungenügende Einordnung des Bauvorhabens
kann daher nicht eingetreten werden. Nicht einzugehen ist auch auf die
prozessualen Beanstandungen, die mit der Ästhetikrüge in engem Zusammenhang
stehen, so auf den Vorwurf, es sei zu Unrecht auf die Durchführung eines
Augenscheins und die Einholung eines weiteren Gutachtens verzichtet worden.

1.2 Zu behandeln ist demnach lediglich die Rüge, die Parteirechte der
Beschwerdeführer seien verletzt worden. Soweit allerdings das Vorgehen der
Baubewilligungsbehörde bemängelt wird, ohne dass dieses im kantonalen
Beschwerdeverfahren beanstandet worden wäre, ist auf die Beschwerde ebenfalls
nicht einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführer beklagen sich über eine Verletzung ihres Anspruchs auf
rechtliches Gehör, die darin liege, dass sich einerseits die Gemeinde bei der
Erteilung der Baubewilligung auf ein nicht öffentlich aufgelegtes Modell
gestützt habe und andererseits den Beschwerdeführern vom Protokoll der
kommunalen Planungs- und Baukommission vom 6. Mai 2004 keine Kenntnis gegeben
worden sei.

2.1 Zum Modell des Bauvorhabens wird im angefochtenen Entscheid ausgeführt,
die Einwohnergemeinde Köniz habe kein solches verlangt, sich aber in ihrer
Bewilligung auf das von der Bauherrschaft eingereichte Projektmodell
gestützt. Die Gemeinde hätte daher die Einsprecher von der Einreichung des
Modells in Kenntnis setzen und diesen formell Gelegenheit zur Stellungnahme
einräumen müssen; dies ungeachtet dessen, dass das Modell den Einsprechern
bereits in privatem Rahmen vorgestellt worden sei. Andererseits hätten die
Einsprecher nicht nur Kenntnis von der Existenz des Modells gehabt, sondern
seien im Zeitpunkt ihrer Einspracheerhebung selbst davon ausgegangen, dass
dieses bei der Einwohnergemeinde eingereicht worden sei. Sie hätten damals
lediglich beanstandet, dass in den Auflageakten ein Hinweis auf das Modell
gefehlt habe. Dagegen hätten sie weder während des Einspracheverfahrens noch
im Beschwerdeverfahren vor der kantonalen Direktion eine Edition des Modells
bzw. die Möglichkeit zur Stellungnahme verlangt. Die nachträgliche
Geltendmachung einer Gehörsverletzung im Zusammenhang mit dem Modell
verstosse daher gegen den auch für die privaten Prozessparteien geltenden
Grundsatz von Treu und Glauben.
Diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts ist zuzustimmen. Der nunmehr von
den Beschwerdeführern vorgebrachte Einwand, sie hätten weder wissen können,
dass sich das Modell bei den Baubewilligungsakten befunden habe, noch welche
Bedeutung die Behörde diesem beilegen werde, ist unbehelflich. Die
Beschwerdeführer konnten dem Bauentscheid ohne weiteres entnehmen, dass das
Modell der Behörde vorlag und deren Entscheid beeinflusste. Sie hätten daher
spätestens im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren verlangen können und
müssen, dass ihnen das Modell (nochmals) gezeigt und ihnen Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben werde. Da sie diesen Antrag nicht gestellt haben,
können sie sich in den nachfolgenden Verfahren auch nicht über eine
Gehörsverweigerung beklagen.

2.2 Ähnliches gilt für die Rüge der Beschwerdeführer, sie hätten vom
Protokoll der kommunalen Planungs- und Baubehörde vom 6. Mai 2004 keine
Kenntnis gehabt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts befand sich
dieses Protokoll spätestens ab dem Verfahren vor der kantonalen Bau-,
Verkehrs- und Energiedirektion bei den Akten und hätte den Beschwerdeführern
somit zur Einsichtnahme offen gestanden. Die Beschwerdeführer können daher
nicht in guten Treuen geltend machen, das Protokoll sei ihnen vorenthalten
worden. Der Vorwurf der Gehörsverletzung erweist sich in jeder Hinsicht als
unbegründet.

3.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit auf
sie einzutreten ist.
Die bundesgerichtlichen Kosten sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend
den Beschwerdeführern zu überbinden (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese haben den
privaten Beschwerdegegnern für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'500.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben den privaten Beschwerdegegnern für das
bundesgerichtliche Verfahren unter Solidarhaft eine Parteientschädigung von
Fr. 2'500.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Einwohnergemeinde Köniz, handelnd durch
das Bauinspektorat, der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Juni 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: