Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.125/2006
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1P.125/2006 /ggs

Urteil vom 24. März 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Pfäffli.

1. X.________, Beschwerdeführer,
2.Y.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Beschwerdeführer 1,
Fürsprecher X.________,

gegen

Beat Hofmann, Gerichtspräsident 2, Gerichtskreis VIII Bern-Laupen, Amthaus,
Hodlerstrasse 7, 3011 Bern,
Beschwerdegegner,
Appellationshof des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Zivilkammer,
Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern.

Ausstand,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationshofs des
Obergerichts des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, vom 18. Januar 2006.

Sachverhalt:

A.
In einem Zivilprozess im Gerichtskreis VIII Bern-Laupen betreffend Ausweisung
stellten X.________ und Y.________ beim Appellationshof des Obergerichts des
Kantons Bern am 2. Dezember 2005 ein Ausstandsbegehren gegen Beat Hofmann,
Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen.

Mit Eingabe vom 9. Dezember 2005 nahm der Gerichtspräsident 2 des
Gerichtskreises VIII Bern-Laupen zum Ablehnungsbegehren Stellung und
beantragte, dieses unter Kostenfolge abzuweisen.
Der Appellationshof des Obergerichts des Kantons Bern wies das
Ablehnungsgesuch mit Entscheid vom 18. Januar 2006 ab.

B.
X.________ und Y.________ führen gegen den Entscheid des Appellationshofes
des Obergerichts des Kantons Bern mit Eingabe vom 1. März 2006
staatsrechtliche Beschwerde. Sie ersuchen um Aufhebung des angefochtenen
Entscheids und einer prozessleitenden Verfügung des Gerichtspräsidenten 2 des
Gerichtskreises VIII Bern-Laupen vom 17. Februar 2006. Weiter stellen sie das
Gesuch, der Beschwerde sei superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zu
erteilen.

C.
Der Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen stellt den
Antrag, das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung sei abzuweisen; in
der Sache selbst stellt er keinen Antrag. Der Appellationshof des
Obergerichts verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Mit Formularverfügung vom 2. März 2006 hat der Präsident der I.
öffentlichrechtlichen Abteilung bis zum Entscheid über das Gesuch um
aufschiebende Wirkung superprovisorisch alle Vollziehungsvorkehrungen
untersagt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Beim angefochtenen Entscheid des Appellationshofes des Obergerichts über die
Abweisung des Ablehnungsgesuchs handelt es sich um einen Zwischenentscheid im
Sinne von Art. 87 Abs. 1 OG, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde
zulässig ist.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen
abgesehen, nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig (Art. 86
Abs. 1 OG). Bei der von den Beschwerdeführern ebenfalls angefochtenen
prozessleitenden Verfügung des Gerichtspräsidenten 2 des Gerichtskreises VIII
Bern-Laupen vom 17. Februar 2006 handelt es sich nicht um einen
letztinstanzlichen kantonalen Entscheid, weshalb insoweit auf die Beschwerde
nicht einzutreten ist.

Die Beschwerdeführer haben die am 2. März 2006 als Gerichtsurkunde versandte
Verfügung, mit welcher sie zur Bezahlung des Gerichtskostenvorschusses
aufgefordert wurden, am 10. März 2006 und damit am letzten Tag der 7-tägigen
Abholfrist bei der Post abgeholt. Mit der gleichentags bei der Post erfolgten
Einzahlung ist der Kostenvorschuss fristgerecht geleistet worden.

2.
In formeller Hinsicht machen die Beschwerdeführer geltend, ihr Anspruch auf
rechtliches Gehör und ein faires Verfahren sei verletzt, weil sie zur
Vernehmlassung des von ihnen abgelehnten Gerichtspräsidenten 2 des
Gerichtskreises VIII Bern-Laupen nicht haben replizieren können.

2.1 Nach der bereits unter der Herrschaft von Art. 4 aBV entwickelten
Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt
sich, unter Vorbehalt von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen zum
Schutz von überwiegenden Geheimhaltungsinteressen, aus Art. 29 Abs. 2 BV der
Anspruch der Verfahrenspartei, in alle für den Entscheid wesentlichen Akten
Einsicht zu nehmen und sich dazu zu äussern (BGE 129 I 85 E. 4.1; 121 I 225
E. 2a; 119 Ib 12 E. 6b). Nach der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK verleiht der Anspruch
auf ein faires Verfahren den Parteien das Recht, von sämtlichen dem Gericht
eingereichten Eingaben oder Vernehmlassungen Kenntnis zu erhalten und zu
diesen Stellung zu nehmen, und zwar unabhängig davon, ob diese neue
erhebliche Gesichtspunkte enthalten. Es obliege den Parteien, zu entscheiden,
ob sie zu einer Eingabe Bemerkungen anbringen oder nicht (Urteil des EGMR
i.S. N.-H. gegen Schweiz vom 18. Februar 1997, Ziff. 24, 29, in: Recueil
CourEDH 1997-I S. 101; VPB 61/1997 Nr. 108 S. 961; Urteil des EGMR i.S. R.
gegen Schweiz vom 28. Juni 2001, in: VPB 65/2001, S. 1347 Nr. 129; Urteil des
EGMR i.S. Z. gegen Schweiz vom 21. Februar 2002, Ziff. 33 und 38, in: VPB
66/2002 S. 1307 Nr. 113).

2.2 Der Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen legt in
seiner dem Appellationshof des Obergerichts eingereichten Vernehmlassung vom
9. Dezember 2005 substanziell seine Auffassung dar, weshalb er das
Ablehnungsbegehren der Beschwerdeführer für unbegründet hält. Eine solche
Eingabe, die ohne weiteres geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens zu
beeinflussen, hätte der Appellationshof des Obergerichts, wie oben
ausgeführt, den Beschwerdeführern zur Kenntnisnahme und Stellungnahme
vorlegen müssen. Indem der Appellationshof des Obergerichts entschied, ohne
den Beschwerdeführern Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äussern, hat er Art.
29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt.

3.
Damit ist der angefochtene Entscheid aufzuheben, ohne dass die weiteren Rügen
zu prüfen wären. Kosten sind bei diesem Ausgang des Verfahrens keine zu
erheben (Art. 156 OG). Die Beschwerdeführer verlangen für das Verfahren vor
Bundesgericht eine Parteientschädigung. Das umstrittene Ablehnungsbegehren
stellten sie anlässlich eines Exmissionsverfahren betreffend ihre
Familienwohnung. Der vorliegend in eigener Sache prozessierende Anwalt hat
gemäss ständiger Praxis des Bundesgerichts - zumal ein Ausnahmefall nicht
vorliegt - keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (BGE 110 V 132 E. 4d
S. 134 f.; 129 II 297 E. 5 S. 304). Daran ändert nichts, dass er das
vorliegende Verfahren nicht nur in eigenem Namen führt, sondern zusätzlich
noch seine Ehefrau vertritt.

Mit dem Entscheid in der Sache erweist sich das Gesuch um aufschiebende
Wirkung als gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten
ist, und der Entscheid des Appellationshofes des Obergerichts des Kantons
Bern vom 18. Januar 2006 wird aufgehoben.

2.
Es werden keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Obergerichts des
Kantons Bern, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. März 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: