Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.113/2006
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{T 0/2}
1P.113/2006 /ggs

Urteil vom 22. Juni 2006

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Schilling.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Y.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Lätsch,
Bausektion der Stadt Zürich, Lindenhofstrasse 19, Postfach, 8021 Zürich,
Baurekurskommission I des Kantons Zürich,
Selnaustrasse 32, Postfach, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
1. Abteilung, 1. Kammer, Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.

Baubewilligung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 1. Abteilung,

1. Kammer, vom 25. Januar 2006.
Sachverhalt:
Am 16. April 2004 reichte Y.________ zwei Baugesuche für den Umbau der
Mehrfamilienhaus-Liegenschaft Hegibachstrasse 51, Streulistrasse 66 und
Wotanstrasse 18 in Zürich-Hirslanden ein. Das eine Gesuch betraf im
Wesentlichen die Erstellung von Dacheinschnitten, hofseitigen Wintergarten-
und Balkonanlagen sowie - strassenseitig - eines wintergartenähnlichen
Erkers. Das andere Gesuch hatte den Bau von Parkplätzen im Hof zum
Gegenstand. Die Baugesuche wurden vom 14. März bis 3. Juni 2004 öffentlich
aufgelegt.
Mit Beschluss vom 21. Juli 2004 bewilligte die Bausektion der Stadt Zürich
die Umbauten am Wohnhaus unter verschiedenen Auflagen. Als Auflage verfügte
sie unter anderem, dass dem Amt für Baubewilligung ein Umgebungsplan sowie
abgeänderte Pläne für den strassenseitigen Erker zur Bewilligung einzureichen
seien. Das Amt für Baubewilligung genehmigte mit Beschluss vom 4. Oktober
2004 die nachgereichten Pläne.
Gegen die Baubewilligungen vom 21. Juli 2004 und 4. Oktober 2004 reichte
X.________ als Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft bei der
Baurekurskommission I Rekurs ein. Während der Dauer des Rekursverfahrens zog
die Bauherrschaft das Baugesuch für die Parkplätze zurück. Mit Entscheid vom
1. Juli 2005 wies die Baurekurskommission I die Rekurse ab, soweit sie nicht
gegenstandslos geworden waren.
Gegen den Entscheid der Baurekurskommission I erhob X.________ Beschwerde
beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerde mit
Urteil vom 25. Januar 2006 ab.

X. ________ führt gegen den Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichtes
staatsrechtliche Beschwerde wegen Willkür und Verletzung des rechtlichen
Gehörs. Y.________, die Bausektion der Stadt Zürich und das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragen die Abweisung der
Beschwerde, soweit auf diese einzutreten sei. Die Baurekurskommission I hat
sich nicht vernehmen lassen.
Am 11. Juni 2006 hat X.________ unaufgefordert eine Replik eingereicht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte
kann sich nach Art. 86 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG, SR 173.110) nur gegen letztinstanzliche kantonale
Entscheide richten. Vor Bundesgericht können daher nur Rügen erhoben werden,
die im letztinstanzlichen kantonalen Verfahren vorgebracht worden sind. Auf
die vom Beschwerdeführer erstmals in der staatsrechtlichen Beschwerde
erhobenen Beanstandungen ist daher zum vornherein nicht einzutreten. Dies
trifft auf den zumindest sinngemäss erhobenen Vorwurf zu, die Baubewilligung
vom 21. Juli 2004 sei von einem unzuständigen Beamten unterzeichnet worden.

2.
2.1 Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist nach Art. 88 OG befugt, wer durch den
angefochtenen Entscheid persönlich in seinen rechtlich geschützten Interessen
beeinträchtigt ist. Nach bundesgerichtlicher Praxis sind die Eigentümer
benachbarter Grundstücke berechtigt, die Erteilung einer Baubewilligung
anzufechten, wenn sie die Verletzung von Bauvorschriften geltend machen, die
ausser den Interessen der Allgemeinheit auch oder in erster Linie dem Schutz
der Nachbarn dienen. Zusätzlich ist darzutun, dass sich die
beschwerdeführenden Nachbarn im Schutzbereich dieser Vorschriften befinden
und durch die behaupteten widerrechtlichen Auswirkungen der Bauten betroffen
werden (vgl. BGE 125 II 440 E. 1c S. 442 f; 119 Ia 362 E. 1b; 118 Ia 232 E.
1a, je mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer ist unbestrittenermassen Nachbar der Liegenschaft, für
welche die fraglichen Baubewilligungen erteilt worden sind. Die
staatsrechtliche Beschwerde enthält indessen keine Ausführungen darüber, ob
und inwiefern die in der Beschwerde angerufenen Normen dem Nachbarschutz
dienten und sich der Beschwerdeführer tatsächlich im Schutzbereich dieser
Normen befinde. Es ist daher fraglich und vorweg zu prüfen, ob und inwieweit
überhaupt auf die Beschwerde eingetreten werden kann.

2.2 Der Beschwerdeführer hat sich im kantonalen Verfahren im Wesentlichen auf
§ 238 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche
Baurecht vom 7. September 1975 (Planungs- und Baugesetz, PBG) berufen und
geltend gemacht, die Frage der befriedigenden Gesamtwirkung des Bauvorhabens
sei nicht richtig bzw. überhaupt nicht geprüft worden. Ästhetikvorschriften
wie § 238 Abs. 1 PBG dienen jedoch nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung
allein dem Schutz öffentlicher Interessen. Sie können daher im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren von Nachbarn nicht angerufen werden
(vgl. BGE 118 Ia 232 E. 1b S. 235 mit Hinweisen; s.a. Entscheide 1P.325/2000
vom 7. Juli 2000 E. 1c/cc, publ. in RDAF 2000 I S. 450; 1P.46/2005 vom 21.
März 2005 E. 1.1, publ. in SJ 2005 I S. 490). Diese Praxis scheint dem
Beschwerdeführer bekannt zu sein. Dennoch wirft er in seiner Beschwerde den
kantonalen Behörden verschiedentlich die Missachtung von § 238 Abs. 1 PBG
vor. Auf solche Vorbringen kann nicht eingetreten werden. Nicht einzugehen
ist auch auf prozessuale Beanstandungen, die mit der Ästhetikrüge in engem
Zusammenhang stehen, so auf den Vorwurf, es sei zu Unrecht auf die
Durchführung eines Augenscheins verzichtet worden. Die Notwendigkeit der
Durchführung eines Augenscheins könnte nicht beurteilt werden, ohne sich mit
der Frage der Tragweite und der Gestaltung des Bauvorhabens selbst zu
befassen (vgl. BGE 118 Ia 232 E. 1a S. 235 mit Hinweisen; Entscheid
1P.139/2006 vom 13. Juni 2006). Auf die Beschwerde ist daher nur insoweit
einzutreten, als in anderer Hinsicht eine Verletzung von Parteirechten
geltend gemacht wird.

3.
Der staatsrechtlichen Beschwerde, die nicht leicht lesbar ist und den
Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nur knapp genügt, lassen sich
folgende Verfahrensrügen entnehmen:
Die Baubewilligungsbehörde habe die Einreichung von zwei - unvollständigen -
Baugesuchen zu Unrecht zugelassen. Weiter sei ihr bei ihrem Bauentscheid ein
Fehler unterlaufen, der zur Wiederholung des Verfahrens hätte führen müssen.
Die Baurekurskommission I hätte einen zweiten Schriftenwechsel durchführen
sollen. Und schliesslich habe das Verwaltungsgericht die vom Beschwerdeführer
vorgebrachten Einwände gegen die Dimensionierung der geplanten Anbauten in
willkürlicher Weise als neu und daher unzulässig bezeichnet.

3.1 Der Beschwerdeführer legt nicht dar, weshalb das Bauvorhaben nicht hätte
aufgeteilt und zwei entsprechende Gesuche - ein die Umbauten am Wohnhaus und
ein die Parkplätze im Hof betreffendes Gesuch - hätten eingereicht werden
dürfen. Die beiden Baugesuche wurden gleichzeitig publiziert und die Pläne
für das gesamte Bauvorhaben standen den interessierten Nachbarn gleichzeitig
zur Verfügung. Dass beim Baugesuch für die Umbauten am Hause kein
Umgebungsplan lag, hinderte den Betrachter denn auch nicht, vom gesamten
Vorhaben Kenntnis zu nehmen, da die Umgebung mit dem Baugesuch für die
Parkplätze dargestellt wurde. Ebenfalls war es aufgrund der vorgelegten Pläne
durchaus möglich, sich ein Bild davon zu machen, wie sich das verbleibende
Projekt gestalten würde, falls nur das eine oder das andere Baugesuch
bewilligt werden sollte. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern die
Baubewilligungsbehörde gegen nachbarschützende Normen verstossen hätte und
den Nachbarn durch die Publikation von zwei Baugesuchen ein Nachteil
entstanden wäre.

3.2 Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid eingeräumt, dass
der Bausektion bei der Redaktion des Baubeschlusses ein Fehler unterlaufen
ist. Während in den Erwägungen festgehalten wird, das Projekt sei
hinsichtlich des strassenseitigen Erkers zu überarbeiten, aber auch die nur
schematische Darstellung der hofseitigen Bauteile liessen noch keine
detaillierten Erwägungen zur Architektur zu, wird im Dispositiv lediglich
verlangt, dass für den strassenseitigen Erker abgeänderte Pläne vorzulegen
seien. Die Bauherrschaft hat jedoch ohne weiteres auch für die hofseitigen
Anbauten überarbeitete Pläne eingereicht, die vom Amt für Baubewilligungen am
4. Oktober 2004 genehmigt worden sind. Dass dem Beschwerdeführer durch dieses
Vorgehen ein rechtlicher Nachteil entstanden wäre, ist ebenfalls nicht
einzusehen, ist ihm doch die Baubewilligung vom 4. Oktober 2004 zugestellt
worden und hat er auch diese anfechten können.

3.3 Nicht ersichtlich ist schliesslich auch, weshalb die Baurekurskommission
I nach Rückzug des Baugesuches für die Erstellung von vier Parkplätzen im
Innenhof im Beschwerdeverfahren betreffend die Anbauten am Wohnhaus einen
zweiten Schriftenwechsel hätte durchführen müssen. Der Verzicht auf die
Parkplätze stellte im Beschwerdeverfahren keine wesentliche neue Tatsache
dar, die den Entscheid über die Rechtmässigkeit der Baubewilligung für den
Umbau des Wohnhauses hätte beeinflussen können.

3.4 Im angefochtenen Entscheid wird dargelegt, der Beschwerdeführer rüge vor
Verwaltungsgericht eine ungenügende Einordnung der hofseitigen Balkon- und
Wintergartenanbauten, die im Vergleich zu den strassenseitigen Balkonen an
der Streuli- und Hegibachstrasse überdimensioniert seien und aufgrund ihrer
Konstruktion und Ausmasse den Eindruck von vor die Fassade gestellten
Schächten erweckten. Der Beschwerdeführer habe jedoch auch in seinem Rekurs
gegen den Beschluss vom 4. Oktober 2004 keine substanziierte Kritik an der
Gestaltung der hofseitigen Anbauten geübt, obwohl er dazu aufgrund der damals
bewilligten detaillierten Pläne in der Lage gewesen wäre. Die nun
vorgebrachten Einwände bezüglich der Dimensionierung dieser Anbauten stellten
deshalb neue und unzulässige Tatsachenbehauptungen dar.
Diesen Erwägungen hält der Beschwerdeführer entgegen, die Überdimensionierung
der hofseitigen Anbauten sei in Wirklichkeit ein zentrales Anliegen seiner
Rekurse gewesen. In der Rekursschrift vom 20. Dezember 2004 wurde indes im
Wesentlichen erneut das Vorgehen der Baubewilligungsbehörde beanstandet. Der
Beschwerdeführer hielt damals fest, diese habe für die hofseitigen Anbauten
keine weiteren Bedingungen gestellt, sondern sich darauf beschränkt "zu
jammern", dass die nur schematische Darstellung der Bauteile keine
detaillierten Erwägungen zur Architektur zulasse. Was sich an Bauerei im Hof
abspiele - völlig überdimensionierte Wintergarten- und Balkonanlagen - sei
offenbar nicht so wichtig. Jedenfalls, so wird in der Rekursschrift
beigefügt, brauche es schon ziemlich viel Fantasie, um in den abgeänderten
Plänen jene detaillierten Erwägungen zur Architektur auszumachen, die das Amt
für Baubewilligung (recte: die Bausektion) so sehr vermisst habe.
Die Meinung des Verwaltungsgerichts, diese Rekursvorbringen stellten keine
substanziierte Kritik an der Ausgestaltung der fraglichen Anbauten dar, ist
vertretbar. Sie ist jedenfalls nicht völlig unhaltbar und damit willkürlich.
Nur in diesem Falle aber könnte das Bundesgericht im Beschwerdeverfahren
wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte eingreifen.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit auf
sie eingetreten werden kann.
Die bundesgerichtlichen Kosten sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend
dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Dieser hat der
privaten Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin Y.________ für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu
bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Bausektion der Stadt Zürich, der
Baurekurskommission I und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1.
Abteilung, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Juni 2006

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: