Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.112/2006
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1P.112/2006 /ggs

Urteil vom 20. April 2006

I.  ffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter F raud, Pr sident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Haag.

X. ________, Beschwerdef hrer, vertreten durch F rsprecher Roger Lerf,

gegen

Rolf von Felten, Staatsanwalt, Barf ssergasse 28, Postfach 157, 4502
Solothurn, Beschwerdegegner,
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Barf ssergasse 28, Postfach 157,
4502 Solothurn.

Ausstand,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verf gung
der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom

9. Februar 2006.

Sachverhalt:

A.
Gegen X.________ ist eine Strafuntersuchung wegen Betrugs, Veruntreuung,
Urkundenf lschung usw. h ngig.

Mit Eingabe vom 25. Januar 2006 stellte X.________ ein Ablehnungsbegehren
gegen den in der Untersuchung amtierenden Staatsanwalt von Felten. Mit
Entscheid vom 9. Februar 2006 ist der Oberstaatsanwalt des Kantons Solothurn
auf das als missbr uchlich erachtete Begehren nicht eingetreten.

B.
Gegen diesen Entscheid f hrt X.________ staatsrechtliche Beschwerde beim
Bundesgericht. Gleichzeitig stellt er das Begehren, der Beschwerde sei
aufschiebende Wirkung zu erteilen, so dass insbesondere die vom Amtsgericht
Solothurn-Lebern auf den 6./7. M rz 2006 angesetzte Hauptverhandlung zu
untersagen sei.

Mit Verf gung vom 2. M rz 2006 wies der Pr sident der I.
 ffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch um Gew hrung
der aufschiebenden Wirkung ab.

C.
Mit Eingabe vom 10. M rz 2006 beantragt X.________ die Bewilligung der
unentgeltlichen Prozessf hrung unter Beiordnung des unterzeichnenden Anwalts.
Mit R cksicht auf dieses Gesuch teilte das Bundesgericht X.________ mit
Schreiben vom 23. M rz 2006 mit, es werde einstweilen von der Einforderung
des Kostenvorschusses abgesehen.

D.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn beantragt, die Beschwerde sei
abzuweisen. Die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern habe am
6. und 7. M rz 2006 mit dem abgelehnten Staatsanwalt Rolf von Felten
stattgefunden und das Urteil sei inzwischen verk ndet. Alle Antr ge des
Beschwerdef hrers seien vom Gericht abgelehnt worden.

Mit Schreiben vom 4. April 2006 teilt X.________ mit, er habe gegen das
Urteil des erstinstanzlichen Gerichts appelliert.

Das Bundesgericht zieht in Erw gung:

1.
Das Bundesgericht pr ft die Zul ssigkeit der bei ihm eingereichten
Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 129 I 173 E. 1 S.
174 mit Hinweis).

2.
Nach Art. 86 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur gegen
letztinstanzliche kantonale Entscheide zul ssig. Es ist zu pr fen, ob diese
Eintretensvoraussetzung im vorliegenden Fall erf llt ist.

2.1 Der angefochtene Entscheid des Oberstaatsanwalts enth lt folgende
Rechtsmittelbelehrung: "Gegen den Nichteintretensentscheid auf das
Ausstandsbegehren ist kein kantonales Rechtsmittel gegeben (  98 Abs. 3 GO)".

Ein Blick in das Gesetz des Kantons Solothurn  ber die Gerichtsorganisation
vom 13. M rz 1977 (GO) zeigt, dass diese Rechtsmittelbelehrung falsch ist.
 ber das von einer Gerichtsperson oder einer Partei gestellte
Ausstandsbegehren entscheidet, wenn es gegen einen Staatsanwalt gerichtet
ist, der Oberstaatsanwalt (  98 Abs. 1 lit. b GO). Gem ss   98 Abs. 3 GO
(Fassung vom 5. November 2003) ist - abgesehen von hier nicht zutreffenden
Ausnahmen - gegen Entscheide nach   98 Abs. 1 und 2 GO die Beschwerde an die
Beschwerdekammer des Obergerichts zul ssig. Damit wurde der kantonale
Instanzenzug im vorliegenden Fall nicht ausgesch pft. Die Beschwerde richtet
sich nicht gegen einen Entscheid einer letzten kantonalen Instanz.

2.2 Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung darf einer Partei aus
einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen, soweit sich
eine Prozesspartei nach Treu und Glauben darauf verlassen durfte. Wer die
Fehlerhaftigkeit einer Rechtsmittelbelehrung erkennt oder bei geb hrender
Aufmerksamkeit h tte erkennen m ssen, kann sich nicht auf die darin
enthaltenen unzutreffenden Angaben berufen. Allerdings sind nur grobe Fehler
einer Partei geeignet, eine falsche Rechtsmittelbelehrung aufzuwiegen. So
geniesst eine Partei keinen Vertrauensschutz, wenn sie oder ihr Anwalt die
M ngel der Rechtsmittelbelehrung durch Lekt re des massgebenden
Gesetzestextes allein erkennen konnte. Indes wird in diesem Zusammenhang auch
von einem Anwalt nicht verlangt, dass er neben dem Gesetzestext Literatur
oder Rechtsprechung nachschl gt (BGE 106 Ia 13 E. 3 S. 16 ff.; 112 Ia 305 E.
3 S. 310; 117 Ia 421 E. 2a S. 422).
Im vorliegenden Fall ergibt sich die Weiterzugsm glichkeit des angefochtenen
Entscheids mit einem kantonalen Rechtsmittel wie dargelegt ohne weiteres klar
aus dem Text des Solothurner Gesetzes  ber die Gerichtsorganisation. Deshalb
steht der Grundsatz von Treu und Glauben einem Nichteintretensentscheid des
Bundesgerichts nicht entgegen.

Auf die staatsrechtliche Beschwerde kann somit nicht eingetreten werden. Die
Beschwerde vom 28. Februar 2006 ist jedoch in analoger Anwendung von Art. 32
Abs. 4 lit. b und Abs. 5 OG an das Obergericht des Kantons Solothurn
weiterzuleiten.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, weil die Beschwerde
von vornherein aussichtslos war (Art. 152 OG).
Unter Ber cksichtigung der Umst nde des vorliegenden Verfahrens ist auf die
Erhebung von Gerichtskosten und die Zusprechung einer Parteientsch digung zu
verzichten (Art. 156 und 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

Die Eingabe des Beschwerdef hrers vom 28. Februar 2006 wird dem Obergericht
des Kantons Solothurn zur Behandlung  berwiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es wird keine Gerichtsgeb hr erhoben und keine Parteientsch digung
zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht
des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. April 2006

Im Namen der I.  ffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Pr sident:  Der Gerichtsschreiber: