Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 89/2004
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U 89/04

Urteil vom 29. Juni 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin
Bollinger

K.________, 1948, Beschwerdeführer, vertreten durch die Beratungsstelle für
Ausländer, Weinbergstrasse 147, 8006 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 30. Januar 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1948 geborene K.________ verlor im Jahre 1997 seine letzte Arbeitsstelle
und war in der Folge über die Arbeitslosenversicherung obligatorisch bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unfallversichert. Am 1.
Januar 2000 rutschte er zu Hause auf der Treppe aus, wobei er sich multiple
Prellungen sowie eine commotio cerebri zuzog. Die damalige Hausärztin, Frau
Dr. med. M.________, Allgemeine Medizin FMH, veranlasste physikalische und
medikamentöse Therapien und schloss die Behandlung per 16. Februar 2000 ab.
Nachdem K.________ ab 5. Januar 2001 eine Akzentuierung beidseitiger
Kniebeschwerden geltend gemacht hatte, fand am 11. Januar 2001 auf
Veranlassung der Frau Dr. med. M.________ in der Klinik B.________, eine
Magnetresonanz-Untersuchung beider Kniegelenke statt. Ebenfalls auf Ersuchen
der Frau Dr. med. M.________ wurde am 8. März 2001 in der Klinik S.________
eine ambulante rheumatologische Untersuchung durchgeführt. Vom 20. bis 29.
März 2001 war K.________ im Anschluss an eine akute Schmerzexazerbation in
beiden Kniegelenken im Spital X.________ hospitalisiert. Am 4. April 2001
meldete Frau Dr. med. M.________ der SUVA einen Rückfall; ab 25. Mai 2001
übernahm Dr. med. O.________, Innere Medizin FMH, die hausärztliche
Behandlung. Die SUVA teilte K.________ mit Schreiben vom 5. Juli 2001 mit,
die geltend gemachten Beschwerden seien auf degenerative Veränderungen
zurückzuführen, weshalb sie hiefür keine Leistungspflicht treffe. Nachdem
K.________ bei der SUVA vorgesprochen und erklärt hatte, seine Beschwerden
seien seit dem Unfall vom 1. Januar 2000 nie abgeklungen, nahm diese eine
erneute Prüfung ihrer Leistungspflicht vor, indem sie Unterlagen des
Krankenversicherers beizog und eine Beurteilung ihres stellvertretenden
Kreisarztes einholte. Mit unangefochten gebliebener Verfügung vom 17. August
2001 lehnte sie ihre Leistungspflicht erneut ab.

Am 2. Oktober 2001 liess K.________ einen Bericht der Orthopädischen Klinik
N.________ (Jugoslawien) einreichen. Demgemäss hatte er sich am 23. September
2001 einer Arthroskopie des rechten Knies mit anschliessender
Meniskusentfernung unterzogen. Ebenfalls zu den Akten reichen liess er einen
Bericht der Notfallaufnahme am Spital X.________, wo er sich wegen einer
beginnenden Infektion der Operationswunde am 3. Oktober 2001 hatte behandeln
lassen. Die SUVA zog ihrerseits das im invalidenversicherungsrechtlichen
Verfahren erstellte Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle Y.________
(MEDAS) vom 3. Januar 2001 bei. In der Folge liess K.________ eine weitere
Bescheinigung über die in Jugoslawien erfolgte Behandlung einreichen, worauf
die SUVA eine erneute ärztliche Beurteilung ihres Kreisarztes einholte. Am
19. Juni 2002 verfügte sie die Abweisung des Revisionsgesuches. Die dagegen
erhobene Einsprache, im Rahmen welcher K.________ zusätzliche Arztberichte
hatte auflegen lassen, wies die SUVA am 26. Februar 2003 ab.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde, mit
welcher K.________ die Ausrichtung weiterer Versicherungsleistungen hatte
beantragen lassen, am 30. Januar 2004 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern und beantragen, die SUVA sei zu
verpflichten, die Rentenfrage sowie die Frage der Integritätsentschädigung zu
prüfen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2003 sind das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 und die Verordnung über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV) vom 11. September
2002 in Kraft getreten. Mit ihnen sind unter anderem auch im
Unfallversicherungsrecht verschiedene materiell-rechtliche Bestimmungen
geändert worden. In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen
Rechtssätze massgeblich, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben; ferner stellt das Sozialversicherungsgericht bei
der Beurteilung eines Falles in der Regel auf den bis zum Zeitpunkt des
Erlasses des streitigen Einspracheentscheides (hier: 26. Februar 2003)
eingetretenen Sachverhalt ab (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen).

1.2 Es kann offen bleiben, ob auf Grund von Art. 2 ATSG in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 UVG die Normen des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) zu berücksichtigen sind, da die in Art. 4
ATSG enthaltene Legaldefinition des Unfallbegriffs keine substanzielle
Änderung gegenüber der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Rechtslage
enthält, weshalb die bisherige Rechtsprechung übernommen und weitergeführt
werden kann (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar: Kommentar zum Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000,
Zürich 2003, N 5 zu Art. 4).

1.3 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und die Rechtsprechung über die
Gewährung von Versicherungsleistungen bei Unfällen (Art. 6 Abs. 1 UVG),
namentlich bei Rückfällen und Spätfolgen (Art. 6 Abs.1 UVG, Art. 11 UVV; vgl.
auch BGE 118 V 296 f. Erw. 2c; RKUV 1994 Nr. U 206 S. 327 Erw. 2; Urteil K.
vom 21. Februar 2003, U 306/02 Erw. 2 in fine mit weiteren Hinweisen), und
die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzten natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, 117 V
376 Erw. 3a mit Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE  123 V 103
Erw. 3d, 139 Erw. 3c, 122 V 416 Erw. 2a, je mit Hinweisen) zwischen dem
Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod)
sowie die Rechtsgrundlagen zur Wiedererwägung und zur prozessualen Revision
(BGE 127 V 469 Erw. 2c mit Hinweisen) zutreffend dargestellt. Darauf wird
verwiesen.

2.
Nachdem das ursprüngliche Unfallversicherungsverfahren mit unangefochten in
Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 17. August 2001 abgeschlossen worden
war, ist das Schreiben vom 2. Oktober 2001, mit welchem der Versicherte
weitere ärztliche Berichte auflegen liess, als Meldung eines Rückfalles oder
einer Spätfolge zu einem rechtskräftig beurteilten Unfallereignis
aufzufassen. Streitig ist, ob SUVA und Vorinstanz die Voraussetzungen für
eine revisionsweise Änderung der Verfügung zu Recht verneint haben. Dabei ist
zu prüfen, ob die Meniskusverletzung am rechten Knie auf den Unfall vom 1.
Januar 2000 zurückzuführen ist.

2.1
2.1.1Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, steht ein verfügter Fallabschluss
durch Einstellung sämtlicher Leistungen rechtsprechungsgemäss unter dem
Vorbehalt einer Anpassung an geänderte unfallkausale Verhältnisse: Der in der
Invalidenversicherung durch das Institut der Neuanmeldung (Art. 87 Abs. 4
IVV) geregelte Grundsatz der Revision gilt auch im Unfallversicherungsrecht,
indem es einem Versicherten jederzeit freisteht, einen Rückfall oder
Spätfolgen eines rechtskräftig beurteilten Unfallereignisses geltend zu
machen und erneut Leistungen der Unfallversicherung zu beanspruchen (vgl.
Art. 11 UVV; RKUV 1994 Nr. U 189 S.139). Dabei trägt der Leistungsansprecher
hinsichtlich der Tatsachen, von denen das Vorliegen eines natürlichen
Kausalzusammenhanges zwischen dem neuen Beschwerdebild und dem Unfall
abhängt, die Beweislast. Nur wenn die Tatsachengrundlage, auf welcher die
Unfallkausalität beruht, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt ist,
entsteht eine erneute Leistungspflicht des Unfallversicherers. Im Falle der
Beweislosigkeit fällt der Entscheid zu Lasten des Versicherten aus, der aus
dem unbewiesen gebliebenen natürlichen Kausalzusammenhang als
anspruchsbegründender Tatsache Rechte ableiten wollte (RKUV 1994 Nr. U 206 S.
328 Erw. 3b).

2.1.2 Ein Meniskusriss kann unter Umständen als unfallähnliche
Körperschädigung eine Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers
begründen (Art. 6 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 lit. c UVV).
Vorausgesetzt ist, dass die Verletzung durch eine äussere Einwirkung
ausgelöst wird (BGE 129 V 467 Erw. 2.2 mit Hinweisen). Fehlt es an einer
plötzlichen, nicht beabsichtigten schädigenden Einwirkung und ist die
Verletzung auf wiederholte, im täglichen Leben erfolgte Mikrotraumata
zurückzuführen, welche eine allmähliche Abnützung und schliesslich eine
behandlungsbedürftige Schädigung bewirkten, liegt kein Unfall sondern eine
Krankheit vor (in BGE 123 V 43 nicht publizierte Erw. 3b, BGE 116 V 148 Erw.
2c mit Hinweisen).

2.2 Aus der Unfallmeldung vom 14. Februar 2000 sowie aus den Arztzeugnissen
der Frau Dr. med. M.________ vom 1. März 2000 und 7. Mai 2001 geht hervor,
dass sich der Versicherte bei dem am 1. Januar 2000 erlittenen Unfall
Prellungen an Rücken, Gesäss, beiden Armen und Händen sowie am linken Knie
und eine commotio cerebri zuzog. Das rechte Knie wurde dagegen gemäss den
unmittelbar im Anschluss an den Unfall erstellten Berichten, auf welche
abzustellen ist (BGE 121 V 47 Erw. 2a mit Hinweisen), nicht in
Mitleidenschaft gezogen. Erst als sich der Beschwerdeführer wegen einer
Akzentuierung seiner Schmerzen im Januar 2001 erneut in ärztliche Behandlung
begab, war auch von (unfallbedingten) Beschwerden im rechten Knie die Rede.
Anlässlich der Magnetresonanz-Untersuchung in der Klinik B.________ vom 11.
Januar 2001 wurde insbesondere bezüglich des rechten Knies ein Verdacht auf
einen ganz feinen Defekt des medialen Meniskus im hintersten Abschnitt des
Hinterhorns geäussert, wobei der untersuchende Arzt betonte, der Befund sei
sehr diskret. Die ambulante rheumatologische Untersuchung in der Klinik
S.________ vom 8. März 2001 ergab belastungsabhängige Kniegelenksschmerzen
beidseits, eine Gichtarthritis des linken Sprunggelenks und eine
Hyperurikämie. Die Ärzte führten aus, die belastungsabhängigen
Kniegelenksbeschwerden seien in erster Linie im Rahmen einer beginnenden
femoropatellären Arthrose zu sehen. Weder dem Bericht der Klinik B.________
noch jenem der Klinik S.________ kann entnommen werden, dass die
untersuchenden Ärzte Anhaltspunkte für traumatische Läsionen hätten
feststellen können. Auch die Ärzte am Spital X.________ diagnostizierten eine
beginnende Femoropatellararthrose beidseits und zusätzlich eine
Gichtarthritis beider Sprunggelenke, ein chronisches Panvertebral-Syndrom bei
Fehlform der Wirbelsäule sowie anamnestisch eine Depression mit
Angstsymptomen und somatoformen Beschwerden (Bericht vom 9. April 2001).

Die Ärzte an der Orthopädischen Klinik N.________ (Jugoslawien) - wo sich der
Versicherte am 23. September 2001 einer Arthroskopie mit anschliessender
Meniskusentfernung rechts unterzogen hatte - führten aus, der festgestellte
Meniskusriss von 18 mm Länge rühre "offenbar (von) einer früheren
Knieverletzung" her. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann
daraus aber nicht auf eine Kausalität zwischen dem Unfall vom 1. Januar 2000
und der späteren Meniskusverletzung geschlossen werden. Vielmehr ist zu
berücksichtigen, dass die Einschätzung der jugoslawischen Ärzte ohne Kenntnis
der Akten erging und die Unfallkausalität nur im Sinne einer Mutmassung
beurteilt wird. Dass sich nach dem 1. Januar 2000 ein weiterer Unfall
ereignet hätte, der allenfalls die Meniskusverletzung hätte verursachen
können, wird nicht behauptet und ist nicht überwiegend wahrscheinlich,
nachdem der Versicherte auf entsprechende Fragen hin ein solches Ereignis
stets verneinte. Mit der Vorinstanz ist somit davon auszugehen, dass die
Meniskusverletzung Folge degenerativer Veränderungen im Kniegelenk war,
welche zur langsamen Zerstörung des Meniskus geführt hatten. Mangels genügend
(BGE 126 V 360 Erw. 5b) nachgewiesener Unfallkausalität liegt daher kein
Rückfall und keine Spätfolge zum Unfall vom 1. Januar 2000 vor. Von weiteren
medizinischen Abklärungen ist abzusehen, da davon keine neuen Erkenntnisse zu
erwarten sind (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 119 V 344 Erw. 3c; vgl. auch
BGE 124 V 94 Erw. 4b).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 29. Juni 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: