Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 70/2004
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U 70/04

Urteil vom 27. September 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Ackermann

P.________, 1963, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Ulrich
Seiler, Falkenhöheweg 20, 3012 Bern,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 12. Januar 2004)

Sachverhalt:

A.
P.  ________, geboren 1963, arbeitete ab April 1996 als Staplerfahrer für die
Firma B.________ AG und war bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unfallversichert. Am 22. April 1999 stürzte
er eine Treppe hinunter; das für eine ambulante Behandlung aufgesuchte Spital
S.________ diagnostizierte eine Commotio cerebri, eine Schulterkontusion
links sowie eine Quetschwunde occipital. Am 1. September 1999 erfolgte im
Spital S.________ eine Arthroskopie der Schulter sowie eine Bursaskopie mit
Bursektomie und Acromioplastik. Die SUVA nahm zahlreiche Abklärungen in
erwerblicher und medizinischer Hinsicht vor (unter anderem Beizug der
Berichte des Dr. med. J.________, Spezialarzt für Neurologie FMH, vom 16.
Dezember 1999 und vom 22. März 2000); weiter veranlasste sie je einen
Aufenthalt in der Klinik E.________ (Bericht vom 15. März 2000 mit
psychosomatischem Konsilium vom 23. Februar 2000), in der Orthopädischen
Klinik A.________ (Bericht vom 30. März 2000) sowie in der Klinik I.________
(Bericht vom 15. November 2000 mit psychiatrischem Konsilium vom 4. Oktober
2000 und Bericht über die berufliche Abklärung vom 13. Oktober 2000). Nachdem
ein Bericht des Psychiaters Dr. med. V.________ vom 30. März 2001 und eine
ärztliche Beurteilung des SUVA-Arztes Dr. med. C.________ vom 3. Mai 2001
eingeholt worden waren, schloss die SUVA den Fall mit Verfügung vom 20. Juli
2001 ab und lehnte die Ausrichtung von Invalidenrente und
Integritätsentschädigung ab, da keine organischen Unfallfolgen mehr vorlägen
und psychische Beschwerden nicht adäquat kausal auf den Unfall von April 1999
zurückzuführen seien. Dies wurde durch Einspracheentscheid vom 18. September
2001 bestätigt.

B.
Das von P.________ angestrengte Beschwerdeverfahren wurde bis zum Eingang des
von der Invalidenversicherung veranlassten Gutachtens des Instituts
X.________ vom 27. August 2002 (mit rheumatologischer Untersuchung vom 25.
Juni 2002 und psychiatrischem Gutachten vom 28. Juni 2002) sistiert. Nach dem
Beizug einer weiteren ärztlichen Beurteilung durch den SUVA-Arzt Dr. med.

C. ________ vom 4. November 2002 wies das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn mit Entscheid vom 12. Januar 2004 die Beschwerde gegen den
Einspracheentscheid von September 2001 ab.

C.
Unter Beilage des Berichts der beruflichen Abklärungsstelle (BEFAS) vom 14.
November 2003 lässt P.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem
Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache zur
ergänzenden Abklärung und zu neuem Entscheid an das kantonale Gericht
zurückzuweisen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Zutreffend sind die Ausführungen der Vorinstanz über die Rechtsprechung zu
dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten
natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, 117 V 376 Erw. 3a mit
Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 123 III 112 Erw. 3a, 123 V
103 Erw. 3d, 139 Erw. 3c, 122 V 416 Erw. 2a, je mit Hinweisen) zwischen dem
Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod).
Dies betrifft insbesondere auch die Adäquanzbeurteilung bei Unfällen und der
in der Folge eingetretenen psychischen Fehlentwicklung mit Einschränkung der
Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (BGE 115 V 133). Darauf wird verwiesen.

Zu ergänzen bleibt, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene
Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem
massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides
(September 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2;
RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101).

2.
Streitig ist der Anspruch auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung und
dabei insbesondere die Frage, ob der rechtserhebliche Sachverhalt genügend
abgeklärt ist.

2.1  Die Vorinstanz geht angesichts der Aktenlage davon aus, dass spätestens
ab August 2001 keine organischen Folgen des Unfalles von April 1999 mehr
vorlägen, und dass allfällig bestehende psychische Beschwerden nicht adäquate
Unfallfolgen seien. Der Beschwerdeführer ist demgegenüber der Auffassung, der
Sachverhalt sei in medizinischer Hinsicht nicht genügend abgeklärt: So habe
er über Kopfschmerzen und Gedächtnisverlust geklagt, was aber ebenso wenig
abgeklärt worden sei wie ein Syndrom der Halswirbelsäule und eine
Plexusläsion. Im Übrigen seien die Schulterbeschwerden nicht
psychosomatischer, sondern somatischer Natur, was auch vom Psychiater Dr.
med. V.________ und vom Neurologen Dr. med. J.________ bestätigt worden sei.
Deshalb sei eine polydisziplinäre Abklärung vorzunehmen.

2.2  Der Aktenbericht des SUVA-Arztes Dr. med. C.________ vom 3. Mai 2001
geht
davon aus, dass somatisch keine Invalidität bestehe und theoretisch eine
volle Arbeitsfähigkeit vorliege, was sich mit dem Bericht der Klinik
I.________ vom 15. November 2000 deckt, wonach eine Einschränkung in der
Arbeitsfähigkeit nicht auf objektivierbare somatische Feststellungen gestützt
werden könne und - nach einer stufenweisen Erhöhung - eine vollständige
Arbeitsfähigkeit anzunehmen sei. Diese übereinstimmenden ärztlichen
Einschätzungen sind für die streitigen Belange umfassend, beruhen auf
allseitigen Untersuchungen, berücksichtigen die geklagten Beschwerden und
sind in Kenntnis der Vorakten abgegeben worden; zudem sind die Ausführungen
in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen
Situation einleuchtend und enthalten begründete Schlussfolgerungen (BGE 125 V
352 Erw. 3a). Nicht gegen die Zuverlässigkeit dieser Einschätzungen (BGE 125
V 353 Erw. 3b/ee) spricht der Bericht des SUVA-Kreisarztes Dr. med.

K. ________ vom 10. Januar 2001, wonach eine vollständige Arbeitsfähigkeit in
einer leidensangepassten Tätigkeit bestehe (keine schwere körperliche Arbeit,
keine Gewichte über 15 kg heben, nicht mit dem linken Arm in Brusthöhe tätig
sein, den linken Arm nicht in gestreckter Position oder mit schnellen
repetitiven Bewegungen belasten, keine Arbeit an stark vibrierenden
Maschinen, d.h. dieser Arzt geht implizit davon aus, dass Unfallrestfolgen
vorliegen). Dr. med. K.________ führt jedoch selber aus, dass das
Schmerzsyndrom nicht habe objektiviert werden können, und begründet seine von
der (ihm bekannten) Einschätzung der Klinik I.________ abweichende Meinung
nicht; schliesslich weist der SUVA-Arzt Dr. med. C.________ zu Recht darauf
hin, dass der Kreisarzt die Grundlagen allfälliger Einschränkungen nicht habe
feststellen können.
Weiter ist in somatischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass der Neurologe Dr.
med. J.________ im Bericht vom 22. März 2000 klar festgehalten hat, dass
"direkt im neurologischen Bereich liegende Diagnosen ... auch jetzt nicht
massgeblich" seien, während die im gleichen Bericht erwähnte Algodystrophie
szintigraphisch wiederholt ausgeschlossen werden konnte und dem Bericht des
Dr. med. V.________ vom 30. März 2001 in dieser Hinsicht keine Bedeutung
zukommt, da dieser Arzt mit der Bewertung neurologischer Probleme sein
Fachgebiet der Psychiatrie verlässt. Entgegen dem, was in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angenommen zu werden scheint, liegen die zum
typischen Beschwerdebild eines Schädel-Hirntraumas resp. eines
Schleudertraumas der Halswirbelsäule gehörenden Beeinträchtigungen (diffuse
Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Übelkeit,
rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen, Reizbarkeit, Affektlabilität,
Depression, Wesensveränderung usw.; BGE 117 V 360 Erw. 4b, vgl. BGE 119 V 338
Erw. 2) hier nicht vor, so dass der Versicherte daraus nichts zu seinen
Gunsten ableiten kann.

2.3  In psychischer Hinsicht hat die Vorinstanz zu Recht festgehalten, dass
der Treppensturz von April 1999 in Anbetracht des augenfälligen
Geschehensablaufes einen mittleren Unfall im Grenzbereich zu einem leichten
Unfall darstellt, und dass die nach der Rechtsprechung notwendigen weiteren
Kriterien nicht gegeben sind. Die Verneinung der Adäquanz zu allfälligen
psychischen Gesundheitsschäden ist in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde denn
auch nicht bestritten. Der Versicherte weist in diesem Zusammenhang einzig
darauf hin, dass in der Klinik A.________ keine echte Behandlung vorgenommen
worden und damit ein vier Monate dauernder "Leerlauf" entstanden sei, was
eine ärztliche Fehlbehandlung darstelle, die im Rahmen der Kriterien nach BGE
115 V 140 Erw. 6c/aa zu berücksichtigen sei. Diese Frage kann letztlich offen
blieben, da auch bei - allerdings nicht nahe liegender - Fehlbehandlung die
Adäquanz verneint werden müsste, wäre doch dieses Kriterium angesichts der
Umstände offensichtlich nicht in besonders ausgeprägter Weise erfüllt (BGE
115 V 141 oben).

Da ein adäquater Kausalzusammenhang allfälliger psychischer Beschwerden zum
Unfall von April 1999 zu verneinen ist, kann in der Folge offen bleiben, ob
überhaupt ein krankhafter psychischer Gesundheitsschaden mit Auswirkungen auf
die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit besteht. Schliesslich ist auch die
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch das Institut X.________ in der
Expertise vom 27. August 2002 im vorliegenden Verfahren nicht massgebend, da
sich diese Aussage auf die Berücksichtung des Nichtgebrauches des linken
Armes stützt; Letzteres stellt jedoch keine direkte Unfallfolge dar, sondern
wäre allenfalls mittels Annahme eines psychischen Gesundheitsschadens dem
Unfall indirekt zurechenbar (wobei - wie dargestellt - die Adäquanz jedoch zu
verneinen ist). Dasselbe gilt im Grundsatz auch für die Ergebnisse des
letztinstanzlich eingereichten Berichtes der BEFAS vom 14. November 2003,
abgesehen davon, dass diese Äusserungen (wie auch diejenigen des Instituts
X.________) nicht den Zeitraum bis zum Einspracheentscheid betreffen, was
jedoch die Grenze richterlicher Überprüfungsbefugnis darstellt (RKUV 2001 Nr.
U 419 S. 101).

2.4  Mangels zurechenbarer Unfallrestfolgen besteht kein Anspruch auf weitere
Leistungen gegenüber der Unfallversicherung.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 27. September 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: